«Im freien Markt geht es nur um das Wirtschaften, den Profit, nicht um das Menschliche».
Diesen Satz höre ich oft – und jedes Mal trifft er mich wie ein Schlag. Er bringt ein weitverbreitetes und folgenschweres Missverständnis zum Ausdruck.
Ein Missverständnis, in dessen Kern die Überzeugung ruht, dass es bei der Marktwirtschaft nur ums Geld, nur um das Ökonomische ginge und diese nichts zur Ethik und Moral beizutragen habe.
Diese Lücke müsse eben die Politik füllen. Der Staat habe dafür zu sorgen, dass die Marktwirtschaft im Zaum gehalten wird, damit neben dem Ökonomischen noch Platz für das Menschliche bleibe.
Sehr viele Menschen sehen zwar die ökonomischen Vorteile, die freie Märkte mit sich bringen. Sie erkennen den überwältigenden Wohlstandszuwachs. Die massive Reduktion der Armut, überall, wo man Märkte zulässt. Die massive Verbesserung des Lebensumstände.
Aber die ethische Komponente ist den meisten nicht bewusst. Was viele nicht verstehen:
Der freie Markt ist moralisch. Und zwar tiefgreifend. Weil er auf dem einzigen Prinzip beruht, das wahre Ethik überhaupt möglich macht: Freiwilligkeit. Denn erzwungenes Handeln ermöglicht keine freie Wahl. Wer sich nicht auch für das Schlechte entscheiden könnte – wenn die einzige Wahl das Vorgeschriebene ist –, dann gibt es nur Zwang, aber keine Ethik.
In einer freien Marktwirtschaft handelt niemand unter Zwang. Niemand wird bestohlen, niemandem wird mit Gewalt gedroht, niemand wird gedrängt, etwas zu tun, was er nicht tun will. Wer mit anderen etwas vereinbart, Verträge abschliesst und tauscht, tut das, weil er etwas davon hat – beide Seiten gewinnen also, freiwillig und auf Augenhöhe.
Privateigentum, das Kernstück des Kapitalismus, ist dabei nicht nur ein wirtschaftlich nützliches Konzept, sondern ein zutiefst ethisches: Es schützt, was Menschen sich mit ihrer Zeit, Kreativität und Lebensenergie aufgebaut haben. Es verteidigt Verantwortung und Würde und ermöglicht wahre Solidarität.
Und genau deshalb sind staatliche Eingriffe in diesen freien Austausch, in die Vertragsfreiheit und in das Privateigentum ein ethisches Problem. Nicht weil der Markt «heilig» ist – sondern weil Zwang unheilig ist.
Weil es moralisch falsch ist, Menschen mit Gewalt von Entscheidungen abzuhalten, die sie in Eigenverantwortung treffen wollen. Weil es unethisch ist, auf andere Menschen herabzuschauen, diese unter Gewaltandrohung herumzukommandieren und ihren Willen zu missachten.
Wir müssen aufhören, über den freien Markt nur in Zahlen und Statistiken zu sprechen. Wir müssen ihn als das sehen, was er ist: ein moralisch allen anderen bekannten Systemen überlegenes System des Friedens, der Kooperation und des gegenseitigen Respekts. Eine Ordnung, in welcher es keine Mehrbesseren mit staatlich verschaffenen Sonderprivilegien gibt, sondern in dem man sich auf Augenhöhe begegnet. Alle sind gleich vor dem Recht.
Wer das verstanden hat, erkennt: Der Markt ist nicht das Problem. Er ist auch nicht nur die Antwort auf die Frage, welche Rahmenbedingungen ein friedliches, freies und prosperierendes Miteinander ermöglicht. Vielmehr ist er ein austariertes System, in welchem ein ethisches Miteinander erst aufblühen kann.
Was das verstanden hat, kann gar nicht anders, als für die Freiheit einzustehen und sich für sie zu engagieren. Als soziale Wohltat. Als ethisches Gebot. Als etwas, das sich jeder wahre Gutmensch auf die Fahne schreiben sollte.
Wer heute am 1. Mai auf den Strassen gegen freie Märkte agitiert und sie verleumdet, kann für sich jedenfalls nicht in Anspruch nehmen, auf der Seite der Moral, auf der Seite des Guten zu stehen, auch wenn man es sich in der eigenen Wahrnehmung so zurechtbeugen mag.
Es lebe die Freiheit! |