Liebe Frau Do, es ist schon bitter, wenn an einem Samstag der Oberbürgermeister, der Bäder-Chef sowie diverse Sicherheitsbeamte und Polizeichefs einer Stadt zu einer Krisensitzung zusammenkommen müssen, weil man nicht in der Lage war, ein Freibad als Ort des unbeschwerten Zusammenseins von Familien, jungen und älteren Gästen zu sichern. 60 Jugendliche hatten am Freitagnachmittag im Düsseldorfer Rheinbad eine Rutsche besetzt und Sicherheitsleute und Gäste so sehr angepöbelt, dass das Bad geräumt werden musste. Bundesweit machte der Vorgang Schlagzeilen, weil so etwas in diesem Bad schon zum dritten Mal passiert ist und es leider derzeit im gesamten Land Meldungen dieser Art gibt. Die Schließung eines öffentlichen Bades ist die Kapitulation vor einer Gruppe halbstarker Machos. Laut Polizei kommen sämtliche Täter aus nordafrikanischen Ländern. Was sind die Ursachen? Die allgemein zu beobachtende Verrohung der Gesellschaft? Sind es kulturelle Hintergründe, schlimme Erlebnisse auf dem Weg nach Europa oder fehlende Perspektiven bei diesen Jugendlichen? Oder muss man den Vorfall als harmloses Posen von Pubertierenden abtun, wie wir es auf Schulhöfen und in Jugendzentren seit Jahrzehnten von Heranwachsenden egal welcher Herkunft und Couleur kennen? Marc Ingel, Birgit Marschall und Uwe-Jens Ruhnaus haben die Reaktionen auf die Freibadschließung zusammengetragen. Kirsten Bialdiga kommentiert. Einer, dem Aggressivität wesensfremd und die Suche nach dem Konsens zwischen widerstreitenden Interessen eine Lebensaufgabe war, war Werner Müller. Der frühere Bundeswirtschaftsminister, langjährige Chef der Evonik und Begründer der RAG-Stiftung zur Finanzierung der Ewigkeitslasten ist vor zehn Tagen an seiner schweren Krebs-Erkrankung gestorben. Bei der Trauerfeier im Essener Dom am Samstag verneigte sich eine ungewöhnliche Gruppe nordrhein-westfälischer Spitzenpolitiker, Manager, Gewerkschafter vor dem Mann. Gerhard Schröder war da und würdigte den „Visionär und Gestalter“ Müller, der im Kabinett Schröders von 1998 bis 2002 diente und den Atomausstieg orchestrierte. CDU-Mann Friedrich Merz und die langjährige SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft waren gekommen, auch Bahn-Vorstand Ronald Pofalla, RAG-Stiftungs-Chef Bernd Tönjes, Wirtschaftsminister Peter Altmaier, Evonik-Chef Christian Kullmann und Gewerkschafts-Führer Michael Vassiliadis. Alle Redner würdigten den wohl letzten Ruhrbaron als Mittler zwischen Politik und Wirtschaft. Die beste Rede hielt indes NRW-Regierungschef Armin Laschet. Der CDU-Politiker, der als einer der wenigen Müller duzte und schon früh mit ihm über das gemeinsame Interesse an der katholischen Soziallehre zusammenkam, erinnerte daran, dass Müllers bemerkenswerte Gelassenheit ihm die einzigartige Autorität verlieh. „Er musste selbst nie laut werden, um Gehör zu finden“, sagte Laschet. Und er beendete seine Trauerrede mit den Worten: „Wenn uns wieder einmal das kleinliche parteipolitische Hickhack umtreibt, lasst uns an Werner Müller denken. Wenn wir vor scheinbar unlösbaren Entscheidungen für die Zukunft stehen, lasst uns an Werner Müller denken. Und wenn es in Sitzungen laut wird, wenn Aggression oder Egoismus und Eigennutz das Gemeinwohl schwächen, lasst uns an Werner Müller denken.“ Man wünschte sich, dass manches, was bei Trauerfeiern gesagt wird, den Moment des Innehaltens und Gedenkens überdauert. Werner Müller hätte es verdient. Und diese Gesellschaft kann ein bisschen von dieser unerschütterlichen Menschenfreundlichkeit gut gebrauchen. Antje Höning hat die Trauerfeier beobachtet. Herzlichst Ihr Michael Bröcker Mail an die Chefredaktion senden P.S.: Wenn Ihnen dieser Newsletter gefällt, empfehlen Sie die "Stimme des Westens" weiter! |