der Begriff „Machtwort“ ist seit gestern in vielen Gazetten des Landes zu lesen. Es geht um Olaf Scholz und darum, dass der Bundeskanzler in der seit Wochen andauernden Atomkraft-Debatte nun ein eben solches gesprochen haben soll. SPD, Grüne und FDP rühmen sich gleichermaßen, sich irgendwie durchgesetzt zu haben – während man als Außenstehender von der AKW-Laufzeitverlängerung über den Jahreswechsel hinaus in etwa so überrascht ist wie von fallenden Blättern im Herbst. Dass der Atomausstieg zum Jahresende 2022 angesichts der derzeitigen Energiekrise sinnfrei wäre, leuchtet jedem rationalen Geist ein. Die Diskussion ist damit aber keineswegs zu Ende. Denn Scholz kündigte zudem an, dass am 15. April 2023 dann aber ganz sicher Schluss sein soll mit der Atomkraft in Deutschland. Ganz sicher. Wirklich. Ernsthaft jetzt. Hierzu eine kurze Anmerkung meinerseits: In Bayern, wo ich lebe, hält sich Petrus jedenfalls nicht an irgendwelche Vorgaben. Bei uns schneit es nicht selten auch Ende April noch und die Temperaturen sind dann entsprechend so winterlich, dass man nicht weniger heizen muss als im Januar oder Februar. Der Stichtag 15. April leuchtet mir, maximal objektiv betrachtet, daher kein bisschen ein. Cicero-Autor Jens Peter Paul sieht das ähnlich. In einem lesenswerten Kommentar nimmt er sich den Kanzler zur Brust und mit ihm auch die gesamte Bundesregierung. Paul schreibt, dass eine Abschaltung der verbliebenen Atomkraftwerke zum 15. April 2023 „das Gegenteil vernünftiger, vorsorglicher, vorausschauender Politik darstellt“. Dies sei im Gegenteil „ein Paradebeispiel gefühlsgesteuerter Selbstverstümmelung einer neulich noch stolzen Industrienation“. Einer, der sich ziemlich gut auskennt mit Olaf Scholz und dessen Politikverständnis, ist der Investigativjournalist Oliver Schröm. Gemeinsam mit Oliver Hollenstein vom Manager Magazin hat er ein Enthüllungsbuch über Scholz geschrieben: „Die Akte Scholz. Der Kanzler, das Geld und die Macht“ räumt auf mit dem Narrativ vom „sachorientierten Macher“. Im Cicero-Podcast spricht Schröm mit meinem Kollegen Ulrich Thiele über die immergleichen Handlungsmuster des Kanzlers, über strafrechtsrelevante Falschaussagen im Cum-Ex-Skandal und über brisante E-Mails, die zeigen, wie der Scholz-Vertraute Wolfgang Schmidt Einfluss auf Chefredakteure namhafter Medien nimmt – deren Antworten nicht weniger brisant sind. Thiele hat übrigens mitgearbeitet am Buch von Schröm und Hollenstein. Das merkt man diesem hörenswerten Gespräch auch an. Inwieweit die jüngsten Enthüllungen über Scholz auch handfeste Konsequenzen für den Bundeskanzler haben werden, bleibt noch abzuwarten. Ein anderer Politiker hat bereits reichlich Ärger. In Frankfurt hat heute der Gerichtsprozess gegen Oberbürgermeister Peter Feldmann begonnen. Der Sozialdemokrat ist wegen Vorteilsnahme im Amt angeklagt, weil er von seinen AWO-Seilschaften profitiert hat. Doch an Rücktritt denkt er noch lange nicht – womit er sogar die eigenen Genossen gegen sich aufbringt. Mein Kollege Daniel Gräber war dereinst beteiligt an den Recherchen, die Feldmann in Bedrängnis bringen. In seinem Beitrag über „Deutschlands hartnäckigsten Oberbürgermeister“ erklärt er, worum es bei dem Fall geht und warum es gar nicht so leicht ist, Feldmann aus dem Rathaus zu werfen. Themawechsel: Wie keine andere Demokratie lebt die Bundesrepublik im Schatten einer dunklen Vergangenheit. Begrenzungen der Freiheit des politischen Diskurses und des politischen Wettbewerbs bedürfen daher starker, konsensfähiger Begründungen. Wenn es „gegen rechts“ geht, gerät das erstaunlich leicht in Vergessenheit, kritisiert Cicero-Autor Peter Graf von Kielmansegg. Denn hier verwischen häufig die Grenzen zwischen der extremen demokratiefeindlichen Rechten und dem demokratie-loyalen Konservativismus. Eine ungute Entwicklung. Seinen Beitrag finden Sie hier. Abschließend noch wenige Worte zur Verleihung des Deutschen Buchpreises. Der diesjährige Preisträger heißt Kim de l’Horizon. Ein Autor, der sich als „non-binär“ identifiziert, also weder als männlich noch als weiblich, was – nichts anderes erwartet man bei derlei Preisverleihungen ja mittlerweile – damit wunderbar in einen vermeintlich linken Zeitgeist passt, der nicht einmal mehr vor biologischen Fakten Halt machen will. Stöbern Sie gerne im Archiv: Dorf finden Sie einige Texte hierzu, etwa diesen. Die Entscheidung ist bei allen aktivistischen Tendenzen aber nicht nur ein politisches Statement, meint jedoch Cicero-Literaturkritiker Björn Hayer, sondern auch ein Bekenntnis zu ästhetischer Radikalität. Ich wünsche Ihnen eine gute Lektüre. Bleiben Sie optimistisch. Ihr Ben Krischke, Redakteur |