prominente Vertreter von SPD, CDU und Linke haben am Sonntagabend bei „Anne Will“ über Mindestlohn, Steuererhöhungen und Umverteilung gestritten – und sich gegenseitig finanzpolitische Ahnungslosigkeit vorgeworfen. Kurz vor den Wahlen sitzt offensichtlich vor allem der CDU die Angst vor einer Niederlage im Nacken. Mein Kollege Ulrich Thiele hat sich die Sendung angeschaut. Je näher die Bundestagswahl rückt, desto heftiger wird über mögliche Regierungskonstellationen debattiert – insbesondere über ein Bündnis zwischen SPD, Grünen und der Linkspartei. Dem sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten Olaf Scholz darf unterstellt werden, dass ihm eine Ampel mit Grünen und FDP lieber wäre als Rot-Grün-Rot. Doch Koalitionen werden nicht von Spitzenkandidaten geschlossen, sondern von Parteien. Und Rot-Grün-Rot würde das Land deutlich verändern – nicht zuletzt auch mit Blick auf das politische Klima, analysiert Hugo Müller-Vogg. Laut Demoskopen befinden sich die Sozialdemokraten derzeit jedenfalls im Aufwind. Mit Meinungsumfragen wird aber auch Politik gemacht. Im Wahlkampf fürchten Politiker denn auch, Wähler könnten ihre Entscheidung an der Wahlurne nach der vermeintlichen Stimmung im Land ausrichten. Und doch kommt es trotz prognostizierter Wahltrends der Meinungsforscher oftmals ganz anders. Woran das liegt, erklärt mein Kollege Daniel Gräber. „Die Erzählung vom schwulen Westen“, lautet der Titel eines überaus lesenswerten Beitrags von Norbert Mappes-Niediek. Tatsächlich wird Ost- und Westeuropa von kaum etwas anderem so sehr gespalten wie vom Thema Homosexualität und dem gesellschaftlichen Umgang mit gleichgeschlechtlichen Beziehungen. Dabei bekamen schwule Paare in den sechziger Jahren in Budapest oder Warschau leichter ein Hotelzimmer als in Lyon oder München. Tatsächlich geht es bei dem erbitterten Streit im Kern auch weniger um Sexualität. Sondern um einen Kulturkampf ganz anderer Art. Ihr Alexander Marguier, Chefredakteur |