haben Sie sich auch schon gefragt, warum es zunehmend schwieriger wird, an den einschlägigen Debatten mit sachlichen Argumenten teilzunehmen? Mit Differenzierung? Mit einer anderen Perspektive? Ich frage mich das fast täglich, unter anderem, weil ich viel in den sozialen Medien unterwegs bin. Die Pauschalisierungen, Etikettierungen und Wortschleudereien, die einem dort permanent begegnen, scheinen mir symptomatisch zu sein für eine Diskurskultur, die sich gewandelt hat – hin zu einer Diffamierungsunkultur, die geprägt ist von einer pubertären Weigerung, nicht nur hin-, sondern auch ordentlich zuzuhören, was andere denken, sagen, twittern. Bei der Lektüre eines Heftbeitrags von Cicero-Autor Matthias Schrappe, der heute online erschienen ist, hatte ich so etwas wie einen kleinen Aha-Effekt. Denn Schrappe, bekannt für kluge und reflektierte Beiträge, führt die überall zu beobachtende Diskursverweigerung einzelner Milieus auf einen neuen Antiintellektualismus in der Bundesrepublik zurück. Die Anzeichen hierfür sind jedenfalls offensichtlich, findet Schrappe: gesellschaftliche Krisen und eine Kontraktion der Diskursräume. Er fragt: Stehen wir vor einem Zeitalter, in dem sich Bildung und Intelligenz verhetzen lassen müssen? Er war ein Intellektueller – und umtriebig wie kaum ein Zweiter. Christoph Stölzl war Berliner Kultursenator, Feuilletonchef der Welt, RBB-Moderator, Gründungsdirektor des Deutschen Historischen Museums und Krisenmanager des Jüdischen Museums. Er schrieb Artikel, Essays und Bücher – und er stand Cicero in den Anfangsjahren als leidenschaftlicher Berater zur Seite. Die Journalistin und Autorin Christine Eichel leitete bis April 2010 das Cicero-Ressort Salon. Sie hat einen schönen Nachruf auf Stölzl geschrieben; auf den Gentleman-Intellektuellen ohne Hybris. Vielen Dank, Herr Stölzl, für ihr Engagement. Machen Sie's gut. Zurück ins Hier und Jetzt: Darf Hans-Georg Maaßen, der Verfassungsschutzpräsident im Ruhestand, sich rechtswissenschaftlich betätigen und in einem bekannten Kommentar zum Grundgesetz mitschreiben? Darüber wird gerade gestritten. Ist das nicht eine Lappalie, sind das nicht Eifersüchteleien in der Rechtswissenschaft, eine Intrige unter Professoren? Die Freiheit stirbt immer zentimeterweise, lautet ein geflügeltes Wort. Und dieser Streit zeigt, dass das auch für die Wissenschaftsfreiheit gilt. Volker Boehme-Neßler kommentiert. Wer Debatten führen will, muss sich auf andere, manchmal auch geradezu befremdliche Perspektiven einlassen. Als Debattenmagazin ist Cicero daran gelegen, auch innerhalb unseres kleinen, aber feinen Kosmos einen gewissen Meinungspluralismus zu fördern. Etwa beim Thema Silvesternacht. Die Debatte nach den Ausschreitungen in Berlin und anderswo ebbt nicht ab. Doch die Stigmatisierung einer Bevölkerungsgruppe hilft bei der Problemlösung auch nicht weiter, findet Gastautorin Julia Haak. In ihrem Beitrag erklärt sie, was Franziska Giffeys Jugendgipfel mit dem aktuellen Rassismusbericht verbindet. Apropos Berlin: FDP-Spitzenkandidat Sebastian Czaja möchte das amtierende Linksbündnis in der Wiederholung der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus unbedingt ablösen – und eine in vielen Bereichen dysfunktionale Hauptstadt auf Erfolgskurs bringen, die es regelmäßig schafft, zum Gespött bis weit über die Landesgrenzen hinaus zu werden. Eine Maßnahme, die helfen soll: Die FDP will die 60 gewählten Bezirksstadträte abschaffen, damit Verantwortlichkeiten klar gezogen werden und die lähmenden Doppelzuständigkeiten der Hauptstadt enden. Mein Kollege Volker Resing hat mit ihm gesprochen. Weniger Streit, mehr Eintracht, das würden sich die Realos bei den Grünen wünschen. Blöd nur, dass die Fundis innerhalb der Partei und diverse Klimaaktivisten von Friday's for Future bis hin zu militanten Linksextremisten wenig Lust auf pragmatische Lösungen und demokratische Kompromisse haben. Dass die Grünen gespalten sind, zeigt sich derzeit nirgends deutlicher als in Nordrhein-Westfalen. Denn federführend beim RWE-Deal, der nun zur Räumung des Dorfes Lützerath führt, waren zwei grüne Politiker: Robert Habeck und Mona Neubaur. Das ändert allerdings nichts daran, dass viele Grüne dennoch auf der Seite der Blockierer und Demonstranten stehen. Und eine Bundestagsabgeordnete macht sich in dem Zusammenhang geradezu lächerlich. Welche das ist und mehr, erfahren Sie im Beitrag von Cicero-Autor Hugo Müller-Vogg. Ich wünsche Ihnen eine gute Lektüre. Bleiben Sie streitfreudig. Ihr Ben Krischke, Leiter Debatte |