„Brain Drain“ ist Englisch und bedeutet wortwörtlich übersetzt soviel wie „Gehirnabfluss“. Ich musste jüngst an etwas ähnliches denken: An dem Tag, an dem der amerikanische Tech-Konzern Apple seine lang erwartete AR-Brille „Apple Vision Pro“ vorstellte, eine Art iPhone in Tauchermasken-Optik, fragte ich mich, wie viele Gadgets wir eigentlich noch so über uns ergehen lassen wollen, bis wir wieder zur technologischen Abrüstung bereit sind. Ein weiterer Gehirnabfluss sowie mehr Auslagerung des eigenständigen Denkens, Erlebens und Erinnerns ist doch fast nicht mehr möglich. Der Berliner VR-Künstler Dennis Rudolph jedoch hat wenig Hoffnung auf Umkehr: „Wir sind schon alle Cyborgs“, lässt Rudolph unseren Praktikanten Lukas Koperek wissen, der sich mit dem Künstler über die neue Mixed-Reality-Brille von Apple unterhalten hat. Im Cicero-Interview spricht Rudolph über die Neuheiten des Geräts und die Rolle virtueller Elemente in seiner Arbeit. Eines wird in dem Gespräch unmissverständlich klar: Es wird wohl kein Weg zurück geben. Spätestens in einem Jahr werden die ersten in die Augmented Reality abtauchen. Und dann wird der Rest vermutlich schnell nachrüsten. Reden wir also lieber über den richtigen „Brain Drain“. Der ereignet sich laut Cicero-Autorin Ilgin Seren Evisen in der Türkei. Mit dem erneuten Sieg Erdogans zogen erstmals islamistische Parteien in das türkische Parlament ein. Während sich die Opposition neu formiert und den Kampf gegen die autoritäre Regierung fortsetzen will, möchte ein Großteil der türkischen Jugend das Land schnellstmöglich verlassen, so hat Evisen beobachtet. Doch auch in anderen Staaten gibt es Fortgang. Und so verständlich oft der Impuls zum Gehen ist, so verständlich ist es auch, dass es in den angestrebten Zielländern Grenzen der Aufnahmekapazität gibt. Morgen beraten daher die EU-Innenminister in Luxemburg über die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Es geht um den Vorschlag, Asylverfahren schon an der EU-Außengrenze durchzuführen. Ausgerechnet das durch Asylzuwanderung besonders stark belastete Deutschland setzt sich für eine Aufweichung der geplanten Verschärfungen ein, hat Cicero-Redakteur Ferdinand Knauß am Vorabend des Gipfels beobachtet. Unsere neunteilige Klima-Serie wirft derweil den Blick nach Großbritannien. Denn während in der Bundesrepublik Klimapolitik ganz oben auf der Agenda steht, verfolgen auf der Insel weder Regierung noch Opposition eine radikale Klimapolitik, wie Cicero-Korrespondent Christian Schnee festgestellt hat. Die deutsche Klimapolitik war eines unter mehreren Themen in der Sendung „RTL Direkt“, in der einige ausgewählte unzufriedene Bürger Olaf Scholz kritische Fragen stellen durften. Scholz simulierte den zuhörenden und antwortenden Kanzler. Tatsächlich bleibt er der Fachmann fürs Scholzen: Man erfährt so gut wie nichts von ihm und seiner Politik. Außer einer seltsamen Definition von Volkspartei. Ferdinand Knauß hat sich die Sendung angesehen und kommt zu dem Schluss: Der Kanzler spricht mit Bürgern und sagt (fast) nichts. Antonia Colibasanu hat sich derweil mit der Zerstörung des Nowa-Kachowka-Staudamms in der Region Cherson auseinandergesetzt. Der gewaltsam herbeigeführte Dammbruch verändert sowohl die Landschaft als auch den Kriegsverlauf. Das volle Ausmaß der Schäden wird erst in einigen Wochen zu erkennen sein. Doch schon jetzt ist die Gefahr gegeben, dass es im Kernkraftwerk Saporischschja ohne genügend Wasser zur Kernschmelze kommen könnte, so Colibasanu in einem lesenswerten Hintergrund. Ihr Ralf Hanselle, stellvertretender Chefredakteur |