Editorial
Sehr geehrte Damen und Herren, Corona ist nicht Ursache, sondern Brandbeschleuniger für die schlechte wirtschaftliche Situation der auf Schadensteuerung spezialisierten K&L Betriebe. Zu diesem ernüchternden Ergebnis kommt der Bundesverband der Partnerwerkstätten e.V., kurz BVdP, in seiner eben veröffentlichten Kostenstudie. Konkret, so die Kennzahlenanalyse, könnten etwa neun von zehn Betrieben kaum mehr von ihrer eigenen handwerklichen Leistung leben. Dass das Problem nicht (ganz) neu ist, sagt die Studie allerdings auch: So waren es zehn Jahre vor Corona im Jahr 2010 immerhin auch schon drei von vier Werkstätten bzw. 75 Prozent, die zwar höchst leistungseffizient (100 Prozent) unterwegs waren, aber schon damals kaum auskömmliche Renditen mit den direkt zugesteuerten Schäden erzielen konnten. Nun, da (fast zwangsläufig) auch die Eigenkosten pro verkaufter Stunde weiter gestiegen sind, verschärft sich die betriebswirtschaftliche Situation nochmals und nachhaltig. Corona habe schließlich dazu geführt, dass nicht nur weniger gefahren und gecrasht wurde, sondern in Folge davon die tatsächlich verkauften Stunden pro Mitarbeiter auf ein neues Allzeittief gesunken sind. Der BVdP sieht deshalb die Anpassung der Stundenverrechnungssätze als „Notwendigkeit“ an, damit alle „Brandherde im Schadenmanagement gelöscht werden“ können. Selbst diese Forderung wird aber bereits seit Jahren immer wieder erhoben, ohne dass sich offensichtlich an der Situation der Betriebe erkennbar etwas geändert hätte. Da stellt sich die Frage: Werden und wollen die Auftraggeber aus dem Flotten-, Leasing- und Assekuranzbereich dieses Mal wirklich mit signifikanten Preisanpassungen reagieren? Schließlich beklagt der Auftraggebermarkt gerade in den jüngeren Jahren seinerseits eine „Preisexplosion“ bei den Ersatzteilen der Fahrzeughersteller. Nimmt man dann noch die aktuelle Thematik der ET-Margenkürzung vor allem von Volkswagen- und PSA-Seite hinzu, die wiederum den gebeutelten Schadensteuerungsbetrieben diametral zuwider läuft, ist weiter zu hinterfragen, ob eine SVS-Erhöhung die alleinige ultima ratio sein kann – oder ob man die Themen nicht auch viel grundsätzlicher lösen müsste? Wie wäre es beispielsweise mit einer knallharten Umlage der bei Vollkaskounfällen tatsächlich anfallenden Reparaturkosten auf die Versicherungsprämien? Und wäre sich der FLY-Markt einig – wovon das bisherige Vierteljahrhundert des deregulierten Marktes mitnichten ein beredtes Zeugnis ablegen kann –, dann würden auch die Kosten aus Haftpflichtschäden sicherlich einen deutlich realitätsnäheren Niederschlag in den (dann konsequent umgesetzten) KH-Typklassen und damit wiederum in den Versicherungsprämien finden. Bislang bedeutet freie Marktwirtschaft eben in erster Linie freien Wettbewerb, dem ein teils ruinöses Preisdumping im Kampf um Kunden und Marktanteile nicht fremd ist. Seit der Deregulierung des Versicherungsmarktes hat das mehr als 30 Kfz-Assekuranzen den Garaus gemacht. Sicher nicht ganz zu Unrecht befürchten nicht wenige Funktionäre unserer wichtigsten Berufsverbände, dass es den wirtschaftlich weniger potenten K&L Betrieben mittelfristig kaum besser ergehen wird. Mancher drückt es etwas vornehmer aus: Demnach passiere „lediglich“ eine „Spreu-vom-Weizen-Trennung“, bei der am Ende immerhin "die Besten übrig“ blieben. Ob forsch oder „sozialverträglich“ artikuliert, ist eigentlich völlig wurst: Das Dilemma bleibt schließlich das gleiche. Die Frage ist: Wer legt welche Prioritäten an sein eigenes und das Geschäft seiner Partnerbetriebe? Will (und braucht) man die heutige Zahl der K&L Fachbetriebe in Zukunft überhaupt noch? Oder wird der künftige Markt und das seit langem prognostizierte, geringere Instandsetzungsaufkommen im Geiste bereits mit weniger, aber dafür finanziell top-potenten und auf höchste Effizienz getrimmten Reparaturfabriken geplant? Neben der zweifelsohne richtigen und wichtigen Verhandlung über mindestens auskömmliche SVS halte ich eine offene Auseinandersetzung zwischen den volumenmäßig größten Auftraggebern im Schadenmanagement mit den Vertretern der Werkstatt-Verbände für unerlässlich – und dem hohen Gebot der Fairness geschuldet! Nur so haben Betriebe, die in naher oder mittelfristiger Zukunft keine Zukunft mehr hätten, für sich eine reelle Chance, noch rechtzeitig eine Kunden-Neustrukturierung und ggfs. Tätigkeits-Spezialisierung vorzunehmen, mit der sie dann auch als kleiner und mittelgroßer Betrieb tatsächlich überlebensfähig wären. Es gibt nicht wenige freie K&L Fachbetriebe hierzulande, die traditionell auf das Schadensteuerungsgeschäft verzichten und mit Privat-und „Spezialkunden“ exzellent durch das Coronajahr 2020 gekommen sind! Oldtimer-Restauration, Konzentration auf die Instandsetzung von Rettungswagen und anderer Sonderfahrzeuge können lukrative Geschäftsfelder sein, bei denen Top-Fachwissen und Erfahrung gefragt sind und nicht um zwei Euro vierundzwanzig die Stunde hin oder her gefeilscht werden muss. Der allgemein zu beobachtende Run auf das Caravan-Reparaturgeschäft kommt ganz sicher auch nicht von ungefähr… Nehmen Sie sich als Unternehmer ruhig einmal die Zeit, über Ihren ganz eigenen, regionalen Markt im Makrokosmos der nationalen und internationalen Schadenmanagement-Entwicklungen völlig neu nachzudenken. Hören Sie auf Ihr „Bauchgefühl“ und justieren Sie sich und Ihren Betrieb ggfs. so, dass Sie wieder richtig Spaß an Ihrem „Job" haben und nicht täglich von Rentabilitätssorgen geplagt werden. Binden Sie in Ihren persönlichen „Brainstorm“ Ihre wichtigsten Mitarbeiter mit ein und seien Sie nicht überrascht, wenn dabei für Sie möglicherweise überraschend neue Gedanken und Ansätze mit auf den Tisch kommen. Sie sind ein Team – und bekanntlich gewinnt man auch heute noch im Team! Ich wünsche Ihnen gewinnbringende Gespräche, die auch mal über den reinen Schadenmanagement-Horizont hinausreichen dürfen (und sollten)! Herzlichst, Ihr Karsten Thätner CvD AH-Schadenmanager
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