| Berliner Ordnungsruf Politik und Ordnung in der Zeitenwende Themen: #InflationReductionAct #Deindustrialisierung #GuteIndustriepolitik |
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| Inflation Reduction Act - willkommen in der neuen Welt Ist gute Industriepolitik die neue Ordnungspolitik? |
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| | Die großen Umbrüche der Gegenwart lösen eine Zeitenwende aus. Es ist Zeit für neue Ideen und eine progressive Ordnungspolitik: Wie können wir unsere Werte schützen und zukunftsfähige Visionen entwickeln? Und welche Rolle spielt Europa dabei? |
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| Liebe Leserinnen und Leser, ein Gespenst geht um in Europa: der Inflation Reduction Act der USA. Vordergründig soll er die amerikanische Wirtschaft von der Inflation entlasten. Doch tatsächlich handelt es sich um ein (gar nicht so) verkapptes industriepolitisches Programm großen Ausmaßes. Die EU reagiert nervös. Von der Leyen hat in ihrer Rede in Davos auf dem World Economic Forum die europäische Antwort angekündigt: den Net-Zero Industry Act. Doch die schleichende Deindustrialisierung der europäischen Industrie hat bereits eingesetzt. Direktinvestitionen verlassen Europa und gehen wieder vermehrt in die USA. Günstige Energie, Risikokapital und technologische Offenheit machen die USA wieder zu einem attraktiveren Standort – und dies zu einem Zeitpunkt, da die nächste industrielle Revolution in ihre entscheidende Phase eintritt, nämlich im Kampf um Investitionen und Innovationen, um Talente und Technologieführerschaft. Was jetzt verlorengeht, wird man kaum oder nur mit sehr viel Geld später wieder zurückholen können. Ein großes Missverständnis der Politik besteht darin, zu glauben, dass Industrien beliebig separierbar sind. Tatsächlich bilden sie komplexe Strukturen aus Infastrukturen, Ressourcen und Kompetenzen, sie bilden sich ab in Forschungskooperationen, Arbeitsmärkten und Lieferketten. Europas spezielles Problem mit Industriepolitik Die Klagen der EU über den Inflation Reduction Act mögen verständlich sein, sie offenbaren jedoch ein strukturelles und mittlerweile schon bürokratisch-mentales Problem mit Industriepolitik. Die EU täte jedoch gut daran, sich einzugestehen, dass die Regeln der neuen Globalisierung längst andere geworden sind – Industriepolitik ist Geopolitik mit anderen Mitteln. Nicht nur China spielt bereits nach den neuen Spielregeln. Es geht um nationale Interessen und geoökonomische Souveränität. Die tieferen Ursachen für die sich anbahnende Misere der europäischen Wirtschaft liegen in zwei Punkten: 1. Die USA denken Märkte und Fortschritt viel größer als die Europäer, was gerade in Zeiten von disruptiven technologischen Umbrüchen, in denen jahrzehntelange Standortvorteile plötzlich verlorengehen können, ein großer, wirtschaftskulturell verankerter Vorteil ist, 2. Die EU ist nach Innen aufgrund der beihilferechtlichen Selbstfesselung institutionell nicht mehr zu Industriepolitik fähig und verliert nach Außen seit Jahren schon mehr und mehr die industrielle Technologieführerschaft. Es ist daher zu befürchten, dass die europäische Antwort zu schwach ausfallen wird. Gute und schlechte Industriepolitik Industriepolitik wird in der Tradition der Ordnungspolitik sehr skeptisch gesehen – zu Recht und zu Unrecht. Denn es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen guter und schlechter Industriepolitik – die gute ist rechtzeitig, die schlechte zu spät. Eine zu späte Industriepolitik subventioniert dort, wo Strukturen bereits schwach sind, und schafft Abhängigkeiten zwischen Politik und Wirtschaft dort, wo der Wandel verschleppt wurde – ein volkswirtschaftlich teures Kartell der Zu-Späten. Diese Form der Industriepolitik ist wettbewerbs- innovations- und zukunftsfeindlich. „Gute“ Industriepolitik dagegen schafft neue Märkte und wird in diesem Sinne zu transformativer Angebotspolitik. Industriepolitik besteht häufig darin, neue Infrastrukturen bereitzustellen. Der ökonomische Mechanismus ist simpel: Infrastrukturen verursachen bei ihrer Bereitstellung einmal hohe Fixkosten, senken aber bei jeder ihrer Nutzung die variablen Kosten der Unternehmen immens, wodurch für viele Unternehmen der Marktzugang erst möglich wird und Skalierung einsetzt. Ein zweiter Vorteil besteht darin, dass eine öffentliche Infrastrukturentscheidung die einzelwirtschaftlichen Entscheidungen auf einen gemeinsamen Technologie- und Innovationspfad koordiniert. Private Investitionen, darunter vor allem solche in Forschung und Entwicklung, werden dadurch auf ein gemeinsames Ziel ausgerichtet und entfalten so kumulative Wirkung. In Deutschland etwa hat die frühe Entscheidung für den Pfad des Verbrennermotors über Jahrzehnte hinweg zu hoher selbsttragender Innovationstätigkeit und wachsenden Spezialisierungsvorteilen geführt. Das Risiko falscher Technologiepfade und die Notwendigkeit erwartungstreuer Politik Eine wesentliche Gefahr von Industriepolitik sollte jedoch nicht übersehen werden: Trifft der Staat eine Entscheidung über den zukünftigen Technologiepfad, macht er damit zumeist alternative Technologiepfade, die sich in der Zukunft womöglich als überlegen und effizienter herausgestellt hätten, zunichte. Er übernimmt daher einen Teil des Technologierisikos, das in einer Marktwirtschaft eigentlich von Unternehmen getragen werden sollte, und überwälzt so die Kosten einer möglichen Fehlentscheidung auf die Steuerzahler. Der Staat misst sich also (Zukunfts-) Wissen an, das er nicht haben kann. Industriegeschichtlich gab es jedoch immer wieder solche Momente, in denen bedeutende, Pfadabhängigkeit erzeugende Infrastruktur- und Technologieentscheidungen getroffen worden sind, wie etwa für den Verbrenner- und gegen den Elektromotor ganz zu Beginn des 20. Jahrhunderts - folgenreiche Entscheidungen für sehr lange Zeiträume also. Ganz vermeiden wird man solche Entscheidungen nicht können, was den optimalen Zeitpunkt für eine solche Entscheidung nur umso wichtiger macht und am Ende den Unterschied zwischen guter und schlechter Industriepolitik ausmacht. Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist zum Beispiel eine solche Entscheidung. Das Energiesystem ist heute derart komplex, bestehend aus unterschiedlichen Erzeugersystemen, Verteilernetzen und Anwendungstechnologien, dass eine andere als industriepolitisch motivierte Transformation effizient kaum denkbar ist – ohne privates Kapital und Unternehmertum aber eben auch nicht. Die Governance zwischen Staat und Markt ist ein entscheidender Faktor: Bilden sie ein Subventionskartell oder eine Fortschrittsallianz? Das hohe technologische Risiko und der lange ökonomische Zeithorizont von industriellen Investitionen setzen in jedem Fall eine Politik voraus, die durch langfristiges Handeln stabile transformative Rahmenbedingungen schafft. Ohne sie gibt es kein privates Risikokapital, keinen unternemerischen Mut und keine Transformation. Gute Industriepolitik ist die neue Ordnungspolitik Wenn die EU nun also einen Net-Zero Industry Act ankündigt, dann hängt der Erfolg maßgeblich davon ab, ob es damit gelingt, Märkte zu schaffen und sie zu skalieren, Lieferketten zu entwickeln, Risikokapital zu mobilisieren, Innovationen auszulösen und Unternehmertum zu stärken. Wenn dagegen nur alte Geschäftsmodelle subventioniert und wahlweise lobbyistische Versprechen oder Drohungen bedient werden, wird diese Politik krachend scheitern. In Zeiten der Transformation wird gute Industriepolitik zur neuen Ordnungspolitik. Die Diskussion in Europa ist eröffnet. Es steht viel auf dem Spiel – für Jahrzehnte. |
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| Prof. Dr. Henning Vöpel Vorstand Stiftung Ordnungspolitik Direktor Centrum für Europäische Politik |
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| | | ChatGPT erfordert mehr digitale Mündigkeit Künstliche Intelligenz, wie ChatGPT, wird zunehmend die Arbeit klassischer Berufe erleichtern oder sogar vollständig verdrängen. Das Centrum für Europäische Politik sagt dem KI-Tool eine verheißungsvolle Zukunft voraus, doch die Anwendung leidet noch unter vielen Fehlfunktionen. |
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| | Aufbau von Wasserstoff-Hubs in Europa Grüner Wasserstoff gilt als Triebfeder der Energiewende. Da Produktion und Nutzung für einen zügigen Markthochlauf möglichst nah beieinander liegen sollten, sieht das Centrum für Europäische Politik die Nordseeanrainer Niederlande und Deutschland als zukünftig gemeinsames Wasserstoffzentrum der EU. |
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