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Tagesspiegel Checkpoint vom Dienstag, 12.04.2022 | Freundlich und trocken bei wunderbaren 16°C. | ||
+ Strategiepapier des Senats: Ölembargo Russlands würde Berlin besonders hart treffen + Berlins Ex-Fraktionschefin Antje Kapek räumt Geheimurlaub im Lockdown ein + Ampel-Koalition lehnt Verschärfung der Mietpreisbremse ab + |
von Julius Betschka |
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Guten Morgen, zuerst die jüngsten Entwicklungen im Krieg Russlands gegen die Ukraine: +++ Ein 13 Kilometer langer russischer Militärkonvoi bewegt sich auf die ukrainische Stadt Isjum im Donbass zu. Was das für die russische Invasion in der Ost-Ukraine bedeutet, analysiert Christopher Stolz. +++ Pro-russische Separatisten vermelden die Eroberung des Hafens von Mariupol. In zwei Stahlwerken in der Stadt verschanzen sich noch mehr als 1000 ukrainische Soldaten – ihre Munition soll zur Neige gehen. +++ Das Asow-Regiment in Mariupol wirft Russland den Einsatz chemischer Waffen vor. Zuvor hatten pro-russische Separatisten genau das angedroht. Eine offizielle Bestätigung für den Giftgas-Einsatz gibt es bisher nicht, berichtet die Deutsche Presse-Agentur. +++ Ukrainische Behörden in Charkiw warnen die Bevölkerung vor Landminen, die auf die nordöstliche Stadt abgeworfen worden seien. Am Montag sperrten die Sicherheitskräfte ein Gebiet im Osten von Charkiw ab, um eine Reihe kleiner, in Wohnstraßen verstreuter Sprengsätze zu beseitigen. Alle aktuellen Entwicklungen lesen Sie in unserem Nachrichten-Blog. | |||||
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Ein bisschen die Heizung runterdrehen und rasch einen Strickpullover drüberziehen für den Frieden? So einfach dürfte das bei einem Öl- oder Gaslieferungsstopp aus Russland nicht werden – vor allem nicht hier in Berlin. Das zeigt ein gemeinsames Papier von Wirtschaftssenator Stephan Schwarz und Umweltsenatorin Bettina Jarasch, das meinem Kollegen Christian Latz exklusiv vorliegt. Berlin wäre demnach bei einem Stopp der Rohöllieferungen im bundesweiten Vergleich besonders hart getroffen. 95 Prozent des in der Hauptstadt genutzten Diesels, Benzins, Heizöls und Kerosins stammen aus einer Raffinerie im brandenburgischen Schwedt. Diese bezieht ihr Rohöl bislang ausschließlich über Pipelines aus Russland. Übersetzt: Berlins Ölbedarf wird zu 95 Prozent aus Russland gedeckt. Rein rechnerisch reichen die Rohölreserven in Deutschland selbst bei einem Lieferstopp zwar für 200 Tage, heißt es in dem Papier, die Anlage in Schwedt sei jedoch besonders auf die Eigenschaften des russischen Öls eingestellt. Für einen Ersatz müsste das Gut von anderswo in „geeigneten Qualitäten“ geliefert werden. So wäre es nötig, Lieferungen über die Häfen in Rostock und gegebenenfalls Danzig sowie aus dem Westen per Lkw und Zug zu organisieren. Das würde eine Zeit dauern – allerdings arbeite die Bundesregierung „aktuell mit Hochdruck daran, diese Voraussetzungen zu schaffen“. In vielen Punkten bleibt die Senatsanalyse jedoch allgemein, denn: „Eine genaue Aufschlüsselung der Lieferquellen für in Berlin verbrauchte Energieträger existiert nicht, da eine landesspezifische Erhebung angesichts der überregional organisierten Märkte nicht möglich ist.“ Heute will sich der Senat trotz der fehlenden Daten mit dem Thema befassen. Die EU-Außenminister haben der Berliner Landesregierung am Montagabend noch etwas Zeit verschafft: Es sei nur eine „allgemeine Diskussion“ über ein Energie-Embargo geführt worden, teilte der Außenbeauftragte Josep Borrell mit. Das scheint ohnehin ein Zeichen dieser Zeit: Je länger der Krieg andauert, desto allgemeiner werden die Debatten darüber. | |||||
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Erst Schweigen, dann Bedauern: Vor dem Rücktritt von Bundesfamilienministerin Anne Spiegel war es gespenstisch ruhig gewesen bei den Grünen. Kaum jemand hatte sie nach ihrem sehr persönlichen, irritierenden Video-Statement (in voller Länge hier) öffentlich gestützt. Spiegel soll schon am Sonntag das Vertrauen der Parteiführung entzogen worden sein. Als sie dann am Montag um 14.40 Uhr zurücktrat, las sich das so: „Ich habe mich heute aufgrund des politischen Drucks entschieden, das Amt der Bundesfamilienministerin zur Verfügung zu stellen.“ Kurz zuvor ließ Bundeskanzler Scholz (SPD) noch ausrichten, er arbeite „vertrauensvoll“ mit Spiegel zusammen und sei von ihrem Statement „bewegt“. Was ihm von einigen als fehlendes Gespür ausgelegt wird, war wohl eher politische Abgebrühtheit: Die Grünen mussten Spiegels Abgang allein regeln. Der Bundeskanzler würde in die nur Verlierer produzierende Verquickung von öffentlicher und privater Person nicht eingreifen. Die Grünen-Spitze hatte ihre Entscheidung zu diesem Zeitpunkt schon gefällt: Spiegel muss gehen. | |||||
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Berliner Weise: Besonders aus Berlin kam – allerdings auch erst nach dem Rücktritt – breite Unterstützung für die Partei-Linke Spiegel. Fraktionschef Werner Graf bezeichnete den erzwungenen Rücktritt als „Fehler“. Bettina Jarasch schrieb, Spiegel werde „weiter gebraucht“. Deutlicher wurde Ex-Fraktionschefin Antje Kapek. Sie sagte dem Checkpoint am Abend: „Was für ein scheiß Krisenmanagement meiner Partei.“ Schon vor dem Rücktritt hatte sich Kapek im Checkpoint-Podcast „Berliner & Pfannkuchen“ für einen Verbleib Spiegels ausgesprochen. Kapek machte einen eigenen Urlaub aus dem vergangenen Jahr öffentlich, der für Diskussionen sorgen dürfte. Kapek erzählte meinen Kolleginnen Ann-Kathrin Hipp und Anke Myrrhe: „Ich stand letztes Jahr in den Sommerferien vor einer ganz ähnlichen Entscheidung wie Anne Spiegel. Auch ich hatte ein Kind, dem es nach fünf Monaten Lockdown extrem schlecht ging, und obwohl Michael Müller damals darum bat, dass kein Berliner in den Urlaub fährt, um die Pandemie im Griff zu behalten, haben wir uns trotzdem dafür entschieden“, sagte sie. Und weiter: „Es war eine Entscheidung für meine Familie, auch wenn es politisch unklug war.“ Wegen Journalisten-Anfragen (auch durch den Tagesspiegel) sei sie nach drei Tagen wieder abgereist. Heimlicher Urlaub einer Spitzenpolitikerin? Dazu interessiert uns Ihre Meinung: Schreiben Sie gern an checkpoint@tagesspiegel.de. | |||||
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Hop oder top: Heute will die „Deutsche Wohnen und Co. Enteignen“ darüber entscheiden, ob sie sich – wie vom Senat angeboten – mit drei Experten an der Enteignungskommission beteiligt oder in die Frontal-Opposition geht. Gestern Abend hat die Initiative deshalb die Erwartungen an die Kommission diskutiert (hier zum Nachsehen). Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) nutzte den Abend für ein Plädoyer gegen den Kapitalismus: „Meine Position ist, dass man Fan des Grundgesetzes sein und trotzdem den Kapitalismus doof finden kann. Und deswegen regt dieses Unterfangen so viele Leute auf, weil es am Grundgerüst des Kapitalismus rüttelt.“ Gleichzeitig versprach die Linke-Politikerin: „Die Linke wird nicht müde, dafür einzustehen, dass es zur Vergesellschaftung kommt.“ Den schwersten Stand hatte Ülker Radziwill, Staatssekretärin für Mieterschutz von der SPD. „Ich bitte Sie, davon wegzukommen, dass die SPD der große Bremsklotz ist in dieser Debatte“, sagte Radziwill auf dem Podium. Dafür wurde sie ausgelacht. Allerdings sagte Radziwill auch einige Sätze, die zumindest Regierungschefin Franziska Giffey so wohl nicht über die Lippen gekommen wären: „Die Lösung des Mietenproblems liegt uns allen am Herz. In der SPD sind nicht wenige für Enteignung, auch wir streiten um die Vergesellschaftungsfrage, nur weniger öffentlich.“ Radziwill gab auch zu, dass Giffeys Wohnungsbündnis nicht problemfrei ablaufe. Sie sagte: „Es sind keine einfachen Verhandlungen mit dem Wohnungsbündnis, aber der Druck des Volksentscheids gibt in den Gesprächen Rückendeckung.“ Ein Start ganz neuer Allianzen? Die Enteignungsinitiative hat es heute selbst in der Hand – mitreden oder bunte Plakate basteln. | |||||
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Wirkliche Unterstützung von der selbsternannten Fortschrittskoalition ist übrigens nicht zu erwarten bei der Bekämpfung des Berliner Mietenwachstums. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) blockiert die Umsetzung einer Bundesratsinitiative, die Bußgelder bei Mietwucher zu erhöhen – so sollte auf Wunsch der CSU die Mietpreisbremse verschärft werden. Bauministerin Clara Geywitz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) stimmten Buschmanns Einspruch zu. Was der FDP-Minister von der Mietpreisbremse hält, ist spätestens seit 2019 klar: „Die Mietpreisbremse ist verfassungsrechtlich nicht verboten, deshalb aber noch lange nicht klug. Sie schadet den Mietern. (…) Nur neuer Wohnraum wird den Mietenanstieg aufhalten.“ Und morgen kommt der Weihnachtsmann. | |||||
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Nochmal zum Thema (Wasser-)Energie: „Vielleicht hätte ich das doch von zu Hause aus machen sollen“, murmelte die Vertreterin des Brandenburger Landesumweltamtes gestern in ihrem Büro während einer Online-Konferenz, nachdem erst ihre Präsentation und dann auch sie selbst aus der Leitung geflogen waren. Thema war der „Brandenburger Wasserhaushalt in der Klimakrise“. Die dort vom Umweltamt proklamierten Grundwasserreserven sind nach Einschätzung von Fachleuten keineswegs so üppig wie behauptet, die Datenbasis fraglich, die Realität längst staubtrocken. Ein Wasserwirtschaftler sagte anschließend dem Tagesspiegel: „Bisher werden nur die Probleme gezeigt, aber keine Lösungen.“ Dagegen sei Berlin bei seinen Aktivitäten zum Wassermanagement deutschlandweit spitze. Nur hängt die Stadt schon wegen ihrer Lage auch am Brandenburger Tropf(en). Wenn nichts mehr nachkommt, ähnelt unser Wasserkreislauf irgendwann dem auf der ISS. | |||||
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