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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Freitag, 15.05.2020 | Frühlingssonne bei 16°C. | ||
+ Finanzsenator Kollatz rechnet mit Neuverschuldung von fünf Milliarden Euro + Erster Berliner Corona-Fall wohl bereits im Januar + Bezirksamt Mitte „seit Jahren“ ohne IT-Sicherheitsbeauftragten + |
von Lorenz Maroldt |
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Guten Morgen, es gibt endlich mal gute Nachrichten: 1) Der vom RKI erstmals veröffentlichte Sieben-Tage-R-Wert lag deutschlandweit gestern bei 0,88, d.h.: Im Durchschnitt steckt jeder Infizierte jetzt weniger als einen weiteren Menschen an. 2) Die Zahl der Covid-19-Patienten in Berliner Kliniken ist rapide gesunken. 3) Aktive Fälle sind in Berlin derzeit nur noch 478 registriert. | |||||
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Apropos Demonstrationen: Während der Zeit der Corona-Krise fanden bis zum 3. Mai insg. 85 angemeldete und genehmigte Versammlungen statt (max. 20 Teilnehmer) und bis gestern weitere 73 (max. 50 Teilnehmer). Alu-Hut ab – das wird man doch wohl noch mal sagen dürfen! Und Innensenator Andreas Geisel stellte gestern eine vollständige Versammlungsfreiheit ab Mitte Juni in Aussicht (bei positiver, also Test-negativer Infektionsentwicklung) – aber nur auf Druck der drei Regierungsfraktionen. | |||||
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Den ersten Corona-Fall gab es in Berlin vermutlich deutlicher früher als bisher bekannt (offiziell: 2. März): Nach Checkpoint-Informationen litt ein Zahnarzt bereits Anfang Januar an fast allen erst später als typisch bezeichneten Covid-19-Symptomen (inkl. Geruchs- und Geschmacksverlust). Er hatte Ende Dezember mit Freunden und Bekannten in einem Berliner Restaurant gefeiert – einige chinesische Teilnehmer der feucht-fröhlichen Runde waren kurz zuvor aus Wuhan angereist. Der Arzt sagte gestern dem Checkpoint, er habe zunächst an eine Grippe gedacht. Erst später sei ihm klargeworden: „Ich war wohl Berlins Patient Null.“ | |||||
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Eine „gewaltige Neuverschuldung“ sieht Matthias Kollatz auf Berlin zukommen – der Finanzsenator rechnet mit fünf Milliarden Euro. Dass es nicht noch schlimmer kommt, verdankt Berlin mal wieder Berlin: „Manche Ausgaben werden sich verzögern“, sagt Kollatz – weil sich Bauprojekte verzögern, weil sich Personaleinstellungen verzögern usw. Tja, ist schon praktisch, wenn stets Verlass ist auf die Unzuverlässigkeit. | |||||
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Bis 12.00 Uhr am Mittwoch hätte die Senatskanzlei die 6. und 7. Corona-Verordnung dem Parlament vorlegen sollen, aber erst um 12.28 Uhr war sie da – und bei den Abgeordneten stieg der Blutdruck: Sie sehen eine Missachtung des Parlaments, der Rechtsausschuss musste für Montag eine Sondersitzung einberufen. Um das Durcheinander zu komplettieren, gab’s die Einladung dazu gestern gleich dreimal: Nach der ersten Fassung kam um 13.24 Uhr eine korrigierte Fassung an, um 13.28 dann eine korrigierte Fassung der korrigierten Fassung. Außerdem gestern im Mailfach der rechtspolitischen Sprecher der Koalition, dafür aber bereits um 9.49 Uhr: eine Erklärung vom Chef der Senatskanzlei zur „erheblichen Verärgerung“ der Parlamentarier. Christian Gaebler erklärt die Sache so: 1) „Aufgrund des Feiertags am Freitag“ konnte der „Anpassungsbedarf“ erst am Montag geklärt werden. 2) Der Ältestenrat habe am Dienstag Verständnis für den Feiertag gezeigt und einer Übermittlung der Verordnung „im Laufe des Mittwochs“ zugestimmt. 3) Nachdem die Fraktionen eine „Deadline“ für Mittwoch 12.00 Uhr festgelegt hatten, habe er die Verordnung auch um 12.00 Uhr im Agh eingereicht, aber: „Die Verteilung innerhalb des Hauses können wir nicht beeinflussen.“ | |||||
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Mit anderen Worten: Schuld ist eigentlich niemand, allenfalls der Feiertag, an dem aber auch niemand schuld ist (außer vielleicht Adolf Hitler). Tja, so geht’s eben zu in der Welthauptstadt der organisierten Unzuständigkeit. Eigentlich braucht Berlin für dieses Phänomen schon lange ein angemessenes Spiel, so etwas wie unser beliebtes Betriebsstörungsbingo. Und trara – schon haben wir eins: Wir nennen es Behördenpingpong. Markus Hesselmann, Leiter der „Leute“-Bezirksnewsletter-Redaktion, hat auch gleich mal dazu einen Twitteraccount eröffnet. Hier sammeln wir also ab sofort solche Klassiker wie den Hinweis der SPD-Mitte zu verzögerten Radspurarbeiten: „Nach Auskunft der zuständigen Stadträtin hängt der Vorgang bei der Verkehrsverwaltung.“ Na wo auch sonst? Auch sehr schön sind Mitteilungen wie diese des Bezirksamts Treptow-Köpenick: „Klarstellung: Das Amt traf keine Entscheidung.“ Na was auch sonst? Und Sie können sich natürlich auch schon denken, wie die Antwort lautet auf die Frage: „Warum schimmelt das Baerwaldbad vor sich hin?“ Richtig, Amtsmikado: Wer sich zuerst bewegt… Sie sind herzlich eingeladen, mitzuspielen – wir freuen uns auf Ihre Einsendungen an checkpoint@tagesspiegel.de. | |||||
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Rolf Hochhuth rief immer wieder mal an, um Attacke-Texte anzubieten oder um ein bisschen zu zündeln, gerne gegen den Senat oder Claus Peymann. Oft ging es um das Berliner Ensemble, und manchmal vergaß er, nach dem Gespräch aufzulegen. Dann konnte ich noch hören, wie er triumphierend zu seiner Frau sagte: „So, jetzt wollen wir doch mal sehen!“ Er hat den „Stellvertreter“ geschrieben (gegen den Papst), „Juristen“ (gegen Filbinger), „Wessis in Weimar“ (gegen Rohwedder) und „McKinsey kommt“ (gegen Ackermann), irrlichterte zwischen linkem Terror und rechten Holocaustleugnern und schien einen Tag nur mit einer gelungenen Provokation zu genießen. Am Mittwoch ist Hochhuth in Berlin gestorben. | |||||
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Und hier noch ein Hinweis in eigener Sache: Nur noch bis Ende dieser Woche läuft unsere Aktion „3 für 3“ – drei Monate Checkpoint im Abo für insgesamt nur drei Euro. Was das pro Tag macht, können Sie am Ende mit Hilfe unserer Rubrik „Mathe mit dem Checkpoint“ leicht selbst ausrechnen. Und was bringt so ein Abo? Ganz einfach: Früher da, mehr drin. Und Sie zeigen damit, dass Ihnen unser Journalismus für die beste Stadt etwas wert ist. Zur Anmeldung fürs Abo geht’s hier – vielen Dank! | |||||
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