an der Bild-Zeitung haben sich schon immer die Geister geschieden, und wenn es anders wäre, würden die Kollegen dort einen schlechten Job machen. Denn Boulevard ist eben etwas anderes als klassischer Politikjournalismus, da geht es härter zur Sache, emotionaler, lauter – und ganz bestimmt auch nicht immer fair. Schon seit einigen Wochen erreichen die Bild-Schlagzeilen mit Blick auf die deutsche Corona-Politik allerdings eine Lautstärke, die von vielen Menschen als krasse Stimmungsmache empfunden wird: „Hilfe, der Regel-Horror geht weiter!“ lautete die heutige Schlagzeile. Und gestern: „Kanzlerin, wir wollen Einigkeit und Recht und Freiheit!“ Man kann das aber auch ganz anders sehen. Nämlich so, dass Bild sich als eines der wenigen deutschen Medien traut, auf den beängstigenden und anhaltenden Verlust individueller Freiheiten während der Pandemie-Bekämpfung aufmerksam zu machen. Und zwar in angemessener Lautstärke, während anderswo nur noch unterwürfiges Duckmäusertum herrscht. Gebührt der Bild-Zeitung also Respekt als vehemente Verteidigerin liberaler Werte? Oder stachelt sie in gefährlicher Weise die Bevölkerung gegen einen notwendigen Gesundheitsschutz auf. Wir bringen dazu ein Pro & Contra: Den Auftakt macht heute meine Kollegin Antje Hildebrandt, indem sie Bild „brandgefährliche Methoden“ vorwirft. Morgen kommt dann die Gegenposition von Daniel Gräber, der die Arbeit unserer Boulevard-Kollegen als authentische Stimme des Volkes lobt. Aber natürlich haben wir auch eine eigene Meinung zur Corona-Politik. In diesem Fall ist es mein Kollege Moritz Gathmann, der die gestern getroffenen Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz kommentiert. Die Regierenden, findet Gathmann, würden sich noch immer blind an die Inzidenzwerte klammern. Und wenn sie nun gleichzeitig auch noch Impf-Unwillige bestrafen, „stiften sie Unfrieden in der Gesellschaft“. Dem Thema Pandemie widmet sich auch ein sehr lesenswertes Interview, das meine Kollegin Uta Weisse mit dem Virologen Klaus Stöhr geführt hat. Stöhr spricht sich nämlich dafür aus, sich „in vernünftigen Schritten der Normalität der Ausbreitung von Atemwegsinfektionen bei Kindern“ anzunähern: „Einfach laufen lassen, das klingt, als ob man alles ohne Sorgen und ohne Berücksichtigung der Auswirkungen geschehen lassen würde. Aber ich habe das verglichen mit der Influenza und anderen Atemwegserkrankungen, wo die gegenwärtige, offensichtlich als verhältnismäßig angesehene und anerkannte Reaktion darin besteht, gar nichts zu unternehmen.“ Ich wünsche Ihnen einen schönen Feierabend voller ungewisser Gewissheiten. Ihr Alexander Marguier, Chefredakteur |