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Borns Bissige Bemerkungen
Die Tourismuskolumne seit 2001
Archiv auf http://karl-born.de
Ausgabe vom 27. Februar 2020
ISSN (email-Ausgabe âBorns bissige Bemerkungenâ): 1611-3977
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Ich sehe jetzt schon die Headline âITB hinter Mundschutzâ vor mir. Wohlmeinende setzen vielleicht noch ein Fragezeichen dahinter. Journalisten erzählen mir, wie sie derzeit noch von Verbands- und groÃen Touristikplayern mit allgemeinen Floskeln abgespeist werden.
Spätestens jetzt, nach dem sensationellen Sinneswandel unseres Gesundheitsministers innerhalb von 48 Stunden, hilft Abwiegeln nicht. Immer wenn Herr Spahn sich positiv äuÃert, aber versehen mit dem Wörtchen âderzeitâ, weià man, das vorhergesagte hilft uns nicht weiter.
Jetzt gilt es festzuhalten, der Coronavirus ist nicht nur in Deutschland, sondern spätestens seit Teneriffa, auch in der Touristik angekommen. Beide, Touristik und Flugbranche, sitzen wieder im gleichen Leidensboot. Es wird höchste Zeit, dass die Branche die aktive Hoheit über die Kommunikation zum Thema Coronavirus übernimmt.
Wiederum gilt âEmotionen kann man nicht mit Fakten bekämpfen, sondern wiederum nur mit Emotionenâ. Hinweise auf die heftigste Grippewelle in Deutschland 2017/18 mit 25.100 Toten (lt. Robert-Koch-Institut) und trotzdem keine Absage der ITB sind jetzt in der Diskussion leider wenig hilfreich. Diese Todeszahl gilt zwar als ziemlich genau, aber es wurde damals nicht erfasst (mangels Interesse), wie viele der Opfer sich auf einer Messe angesteckt haben. Ebenso wenig hilfreich ist der Verweis auf 74.000 Tote in einem Jahr durch Alkohol (bzw. in Verbindung mit Tabak). Wobei ein Zusammenhang von ITB und Alkohol noch als unerforscht gilt.
Die WHO hat für das Jahr 2016 eine Zahl von weltweit 3 Mio. Tote durch Alkohol genannt, ohne einen internationalen Notstand auszurufen. Noch habe ich deshalb keinen Polizist vor einem Alkohol- oder Tabakladen gesehen.
Zurück zur ITB. Jetzt haben wir die Situation, dass Spahn offiziell darauf hinweist, dass wir am Beginn einer Epedemie stehen und Seehofer ihn auf der Pressekonferenz etwas süffisant ergänzt, âBeginn bedeutet, dass noch mehr kommen wirdâ.
Man muss sich gar nicht den Worst Case eines extremen Ausbruchs auf der Messe primär vorstellen, es genügt, wenn der erste Corona Verdacht während der Messe auftritt (die Bestätigung der Infektion wird erst später festgestellt werden können). Zuständig für die erste Entscheidung wird die Amtsärztin des Berliner Bezirks Charlottenburg-Wilmerdorf sein. Ihr Spielraum hinsichtlich Stilllegung der Messe oder Teile der Messe dürfte angesichts des bisherigen üblichen Verfahrens in Deutschland sehr gering sein. Da kommt mir gerade in den Sinn, wie sich damals Hartmut Mehdorn darüber aufgeregt hat, dass die Entscheidung über die Genehmigung der Brandanlage des BER bei âeinem Landrat im Spreewald liegeâ.
Wie auch immer die Entscheidung zur ITB ausfällt, die Branche muss ganz schnell insbesondere hinsichtlich des weiteren Buchungsverlaufs einen Masterplan Kommunikation vorlegen. Wie kann es sein, dass eine Branche die hinsichtlich Management in Krisensituationen Hervorragendes leistet, im Vorfeld bzw. Aufkommen von Problemen so lange kommunikativ den Kopf in den Sand steckt und kritische Fragen einfach negiert.
Auch ich habe da so meine Erfahrungen: Im Oktober 2002 hatte ich mir eine Menge Branchenärger eingehandelt, weil ich im Focus ein Interview gab, mit Ausblick auf die Zukunft, unter dem Titel: âUrlaub in Hotels hinter Stacheldrahtâ. Es hat nicht lange gedauert, dann waren die beschriebenen SicherheitsmaÃnahmen für Urlaubsflüge und -hotels Standard. Der Fatalismus der Urlauber hat das leichter weggesteckt, als die Kommunikationsabteilungen der Reisebranche.
Im Mai letzten Jahres habe ich hier an dieser Stelle geschrieben âFlugbranche bitte laut meldenâ und um dann im August hier an dieser Stelle feststellen zu müssen âFlugbranche als Staatsfeind #1â.
Danach ist die Branche so langsam kommunikativ erwacht und in die Kommunikationsoffensive gegangen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten allerdings andere schon die Kommunikationshoheit übernommen.
Coronavirus ist nicht das Ende des Tourismus, also bringt âfür das morgenâ zu arbeiten und bei potenziellen Kunden Vertrauen zu erwerben mehr, als âfür das heuteâ nur Placebo zu verteilen. Dazu wird auch zählen, das Thema Sicherungsschein endlich positiv kurzfristig zu erledigen und keine âSpielchenâ zu treiben.
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Prof. Karl Born
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