● Saskia Esken vs. Friedrich Merz |
● Autosalon vs. Krisenstimmung |
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Liebe Leserin, Lieber Leser, wozu braucht Deutschland einen Bundespräsidenten? Ich frage nicht ohne Grund: Der Amtsinhaber Frank-Walter Steinmeier bricht heute zu einer dreitägigen Dienstreise auf. Es geht nicht in die Mongolei, nach Vietnam oder Namibia, wo er dieses Jahr u.a. schon war. Nein, er fährt nach Nordhorn. Kreisstadt im westlichsten Niedersachsen. Das Projekt nennt sich „Ortszeit“ und findet in wechselnden Städtchen zum 13. Mal statt, seit Steinmeier 2017 gewählt wurde. Drei Tage Präsident zum Anfassen. Das heißt für ihn: neugierig bis betroffen schauen, Hände schütteln, Kerzchen anzünden und Dialog wagen mit der „Zivilgesellschaft“. Das Problem ist: Das Projekt und übrigens auch das Staatsoberhaupt nimmt kaum noch jemand zur Kenntnis. Erst als er dieses Jahr zu einem Besuch in der Türkei einen Berliner Imbissbetreiber samt 60-Kilo-Dönerspieß mit in der Delegation hatte, war ihm Aufmerksamkeit sicher. Na ja, zumindest wochenlange Empörung. Noch lauter als rund um sein Buch, das er kurz davor veröffentlicht hatte: Das Werk mit dem Titel „Wir“ provozierte Deutschlands komplettes Feuilleton zu Hohn bis Hass. Dabei war’s einfach nur langweilig. Ich habe inzwischen den Eindruck, dass Steinmeier nicht einfach in Fettnäpfchen tappt. Er stellt sie selbst auf und tariert sie mit Wasserwaage aus, bevor er Anlauf nimmt. Mir tut das sehr leid. Um das Amt und auch um Steinmeier. Er war ja mal ein mächtiger Sozialdemokrat und Außenminister, dessen frühere Putin-Nähe allerdings wie ein unsichtbares Gewitterwölkchen über seinem schlohweißen Haar grummelt. |
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| Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vor Schloss Bellevue in Berlin (© Reuters) |
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Wenn man etwas Freundliches über ihn sagen möchte, dann vielleicht: Er ist wie sein Land. Wer nicht so nett ist, sagt das Gleiche. Weil ja beide so ein bisschen desolat wirken. Weil beide einer großen Vergangenheit hinterherlaufen. Und weil beide so tun, als könnte man einfach weitermachen wie früher, als russisches Gas billig und China willig war. Steinmeier ähnelt aber auch der Ampel: Beide wirken zerrissen. Beide suchen mit wachsender Verzweiflung nach Erfolgen. Und das vielleicht schlimmste: Beide werden nicht mehr so richtig ernst genommen von ihrem Volk nach diversen Enttäuschungen. Und nun? Die Ampel-Regierung endet in einem Jahr. Die zweite (und letzte) Amtszeit von Steinmeier sogar erst im März 2027. Der Präsident hätte sogar einen Vorteil gegenüber der Regierung: Als demokratisch legitimierter Ersatzkönig könnte er tun, was er wollte. Sogar Gutes. Zündende Reden halten, ein echtes „Wir“ beschwören. Echten Beifall bekommen, indem er aufhört, ihm hinterher zu stolpern. Ich würde es ihm wünschen. Uns auch. Gerade die Sympathie, die Steinmeiers Vorgänger Joachim Gauck entgegenschlägt, zeigt doch, dass es eine große Sehnsucht nach Freigeistern und Klartext-Rednern gibt. Ob man dazu Schloss Bellevue braucht, einen Jahresetat von 47,1 Millionen Euro und rund 240 Beschäftigte – ich weiß es nicht. Was meinen Sie? feedback@focus-magazin.de |
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| Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz, SPD-Chefin Saskia Esken (© dpa, Montage) |
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SPD setzt auf Konfrontation mit Merz |
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Der Bundestagswahlkampf geht in die erste Runde: Der SPD-Parteivorstand beschloss am Wochenende das Papier „Für Deutschlands Zukunft“. Viele Positionen darin sind eher Botschaften an den Hauptgegner – den Unions-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz: Die SPD will für den Fall, dass sie es 2025 wieder in die Regierung schafft, u.a. den Mindestlohn auf 15 Euro erhöhen und 95 Prozent der Steuerzahler entlasten – gegenfinanziert durch höhere Spitzensteuern. Merz' Antwort kam umgehend: Die Pläne würden sich gegen die „Leistungsträger unserer Gesellschaft“ richten: „Das sind häufig mittelständische Unternehmer, das sind die Handwerksbetriebe.” SPD-Chefin Saskia Esken reagierte am Montag prompt: Merz vergesse, „dass 99 Prozent der Bürger die eigentlichen Leistungsträger sind“. Das sei „nur mit dem Blick aus dem Privatjet zu erklären“. Damit zeigte sie zugleich, dass ihre Partei künftig wohl mehr auf persönliche Attacken setzen will. |
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| Reiner Holznagel, Chef des Steuerzahlerbundes (© dpa) |
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Ampel-Pläne: „Steuererhöhung durch die Hintertür” |
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Vielen Beschäftigten drohen zum Jahreswechsel spürbare Mehrbelastungen durch steigende Sozialbeiträge. Das zeigen Berechnungen des Bundes der Steuerzahler für FOCUS. Demnach hat ein Single mit einem Monatsgehalt von 5500 Euro künftig netto insgesamt 238 Euro weniger als bislang. Bei Familien mit einem Alleinverdiener und zwei Kindern liegt das Minus bei gleichem Gehalt mit 235 Euro ähnlich hoch. Dabei hatte Kanzler Olaf Scholz Entlastungen versprochen: „Wir müssen etwas tun für all diejenigen, die Steuern zahlen“, sagte er Mitte Juli. Dass es jetzt aber zu neuen Härten kommt, liegt vor allem an der geplanten Anhebung der Beitragsbemessungsgrenzen in Renten- und Krankenversicherung. Zugleich dürften die Beiträge für Kranken- und Pflegeversicherung steigen. Viele Menschen stünden im kommenden Jahr „vor einer Steuererhöhung durch die Hintertür“, so der Präsident des Steuerzahlerbundes, Reiner Holznagel. |
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| Schlange am Flughafen Frankfurt (© dpa) |
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Airlines beklagen hohe deutsche Gebühren |
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Die deutsche Luftverkehrswirtschaft schlägt Alarm: Für viele Airlines lohne es sich „betriebswirtschaftlich nicht mehr, nach Deutschland zu fliegen“, warnt Joachim Lang, Chef des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), gegenüber FOCUS. Seit 2020 hätten sich die staatlichen Standortkosten wie Luftverkehrssteuer, Sicherheitsgebühr und Flugsicherung in Deutschland „fast verdoppelt“. Auch der Chef des Flughafenverbandes ADV, Ralph Beisel, sieht die Entwicklung mit Sorge: Der Standort sei „nicht mehr wettbewerbsfähig“. Nach einer ADV-Analyse können die Gebühren an deutschen Flughäfen weit mehr als doppelt so hoch liegen wie im Rest Europas. Besonders eklatant seien die Preisunterschiede bei Verbindungen in die USA. Das schreckt viele Airlines ab. Erst unlängst kündigte der irische Billig-Flieger Ryanair an, sein Angebot auszudünnen. Auch die Lufthansa-Tochter Eurowings macht Ernst. Alleine in Hamburg sollen im kommenden Jahr 1000 Flüge wegfallen. Lufthansa-Chef Carsten Spohr beklagt die „extrem gestiegenen staatliche Kosten“. |
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| Die Wirtschaftsnobel-Preisträger (v.li.): Daron Acemoglu, Simon Johnson und James A. Robinson (© Nobel Prize Outreach) |
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Wirtschaftsnobelpreis geht an US-Trio |
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Daron Acemoglu, Simon Johnson und James A. Robinson erhalten in diesem Jahr den Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Ökonomie, auch als Wirtschaftsnobelpreis bekannt. „Die diesjährigen Preisträger haben unser Verständnis der globalen Ungleichheit erheblich verbessert“, sagte Jakob Svensson vom Nobelkomitee. Die Verringerung der Einkommensunterschiede unter den Ländern sei „eine der größten Herausforderungen unserer Zeit“. In seiner Arbeit hat sich das Ökonomen-Trio aus den USA unter anderem mit der Frage beschäftigt, welche Rolle unterschiedliche Freiheitsrechte oder der Schutz von Eigentumsrechten für den Wohlstand von Ländern im Laufe der Jahrhunderte spielen. Demnach wachsen Gesellschaften langsamer, in denen der Rechtsstaat wenig ausgeprägt oder individuelle Freiheit eingeschränkt sei. Der Nobelpreis im Fach Wirtschaftswissenschaften wird erst seit 1969 verliehen und ist mit 1,1 Millionen Kronen (rund eine Million Euro) dotiert. Er wird von der schwedischen Notenbank gestiftet. |
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46.218 registrierte Angriffe auf Polizisten gab es im Jahr 2023. Das geht aus dem neuen Lagebild des Bundeskriminalamts (BKA) hervor. Mit einem Anstieg von acht Prozent im Vergleich zum Vorjahr markiert das einen neuen Höchstwert. |
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| Eine Illustration der Nasa zeigt die Sonde „Europa Clipper“ (© dpa) |
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Jupiter-Sonde erfolgreich gestartet |
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Lange war der Mars Hoffnung Nummer 1 in punkto Leben auf Planeten unseres Sonnensystems. Nun widmet sich die US-Raumfahrtbehörde Nasa der Region des Jupiter. Mit dem Start einer Rakete des Raumfahrtunternehmens SpaceX von Elon Musk begann gestern Abend die Mission der Sonde „Europa Clipper“. Sie soll bei Vorbeiflügen den Jupitermond Europa absuchen. Der Trabant des Gasplaneten ist von einer Eiskruste umgeben. Unter ihr vermuten Wissenschaftler einen Ozean, der mehr Wasser enthalten könnte als alle Meere der Erde zusammen. Geht alles planmäßig, wird „Europa Clipper“ nach rund 2,9 Milliarden Kilometern im Jahr 2030 die Umlaufbahn des Jupiter erreichen. Es ist die größte Raumsonde, die die Nasa je für eine Planetenmission gebaut hat. Sie hat neun wissenschaftliche Instrumente an Bord, an deren Konstruktion auch deutsche Experten beteiligt waren. Die Sonde soll nicht nur Fotos machen, sondern auch Staubpartikel von dem Mond sammeln. |
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Gewinnerin: Die Autorin und Performerin Martina Hefter, 59, hat gestern Abend den Deutschen Buchpreis bekommen für ihren Roman „Hey guten Morgen, wie geht es dir?“, der von einer, ja, Performerin handelt. Tagsüber pflegt sie den schwerkranken Mann, nachts chattet sie mit Liebesbetrügern. Die Jury lobt die „ganz eigene Anziehungskraft“ des Buches. Herzlichen Glückwunsch an die Autorin und ihren Verlag Klett-Cotta! | |
Verliererin: US-Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris schwächelt auf der Zielgeraden: In einigen der wichtigen „Swing States“, die oft die Wahl entscheiden, ist ihr kleiner Vorsprung aus dem Sommer arg erodiert. In ihrem Team wächst laut US-Medien die Angst. Auch um Harris als Cover-Star der US-„Vogue“ gibt es Ärger: Das Netz empört sich, dass der 60-Jährigen da offenbar alle Fältchen wegretuschiert wurden. Die Wahl ist am 5. November. | |
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… startet in Paris gerade der Autosalon in unruhigen Zeiten: Carlos Tavares, Chef von Stellantis (Fiat, Renault, Opel etc.) wird der Vertrag nicht verlängert wegen schlechter Zahlen. Billige Elektroautos drängen aus China nach Europa. Die Brüsseler Kommission hat Strafzölle beschlossen. Vor allem die stark in der Volksrepublik engagierte deutsche Autoindustrie fürchtet Gegenmaßnahmen und leidet zu Hause eh schon unter Absatzproblemen ihrer Stromer. | | Autosalon Paris (© dpa) | Trotzdem will der Autosalon klotzen: mit Paris-Rückkehrern (z.B. VW, BMW, Tesla), 50 Prozent mehr Ausstellungsfläche und als Stargast Staatspräsident Emmanuel Macron. Salon-Hype und Katerstimmung sind kein Widerspruch: Gerade schlechte Zeiten brauchen gute Werbung. Der Salon ist bis 20. Oktober geöffnet. Mit oder ohne Stromer – starten Sie gut in den Dienstag!
Herzlichst | | Thomas Tuma |
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