Liebe Leserinnen, liebe Leser, als unsere Kinder noch kleiner waren, erfreuten sich die Geschichten von Bob, dem Baumeister, bei uns zu Hause großer Beliebtheit. Darin muss Bob, der – ganz dem Titel der Serie folgend – ein erfahrener Baumeister ist und in Bobhausen erfolgreich einen Bauhof betreibt, allerhand Baustellen meistern, Straßen und Häuser bauen und Malheure ausbügeln. Ihm zur Seite stehen dabei seine treuen Helfer Baggi, Buddel und Mixi, die anfangs zwar immer etwas verzagt dreinblicken angesichts der schieren Größe der Aufgabe, sich dann aber stets selbst anfeuern: „Yo, wir schaffen das.“ Irgendwie musste ich noch mal an Bob, den Baumeister, denken, als ich in dieser Woche die neue Bauministerin Verena Hubertz und daneben ihren Parteichef und Finanzminister Lars Klingbeil von der SPD sah, perfekt in Szene gesetzt vor einem Bauzaun. Während dahinter die Baustelle für die Pressekonferenz ruhte, stellten die beiden ihren „Bau-Turbo“ vor, ein Paket vollmundiger Ankündigungen und Vereinfachungen, mit denen das Bauen in Deutschland künftig schneller und billiger werden soll. Es fehlte nur, dass Hubertz und Klingbeil zum Abschluss fröhlich im Chor ein „Yo, wir schaffen das“ anstimmten. Anders als bei Bob, Buddel und Baggi ist die Sache mit dem „Bau-Turbo“ der neuen Koalition jedoch ungleich komplizierter. Das Gesetzespaket, das in weiten Teilen sogar schon von der alten Bauministerin vorbereitet war, aber durch den Ampelbruch nie beschlossen wurde, enthält viele sinnvolle Maßnahmen – aber leider auch eine entscheidende Lücke. Erst wenn diese Lücke geschlossen wird, kann auch der „Bau-Turbo“ seine Wirkung entfalten. |
Die Not auf dem Wohnungsmarkt ist gewaltig: Gerade in den Großstädten und deren Speckgürteln fehlen Wohnungen und Grundstücke, auf denen noch neu gebaut werden könnte. Hubertz’ Vorgängerin im Amt versprach einst, sie wolle dafür sorgen, dass in Deutschland pro Jahr bis zu 400.000 neue Wohnungen entstehen – tatsächlich fiel in ihrer Amtszeit die Zahl fertiggestellter Wohnungen und Einfamilienhäuser von 300.000 auf gut 250.000. Nicht alles an diesem Rückgang geht auf das Konto verfehlter Politik – für den heftigen Zinsanstieg nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine, der den Neubau abwürgte, konnte die Ampel zum Beispiel nichts. Für die komplizierten und immer komplizierteren Bauvorschriften hingegen schon. Oder für die langen Genehmigungsverfahren. Und vor allem für die Tatsache, dass sich an diesen Missständen trotz vieler Klagen und guter Argumente von allen Seiten viele Jahre nichts änderte. Die Folgen sind verheerend: In Städten wie Berlin, München oder Stuttgart kosten familientaugliche Mietwohnungen mit zwei oder drei Schlafzimmern inzwischen so viel wie ein zweiwöchiger Sommerurlaub in der Hochsaison – das allerdings jeden Monat. Und an einen Immobilienkauf ist für viele junge Familien mit legaler Arbeit und ohne Millionen-Erbschaft nicht mehr zu denken. Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum ist das größte wirtschafts- und sozialpolitische Problem dieser Jahre. Bleibt es weiter ungelöst, wird es das Vertrauen in die Lösungsfähigkeit von Politik massiv beschädigen. Wer akut sucht, sich einen detaillierten Überblick über den Wohnungsmarkt vor Ort wünscht oder einfach nur wissen möchte, was die eigene Immobilie heute auf dem Markt erlösen würde, dem sei an dieser Stelle der große Immobilien-Kompass von Capital ans Herz gelegt: In einem neuen Online-Tool lassen sich hier mit detaillierten Preisangaben für jedes Wohnviertel und präzisen Lagekarten für ganz Deutschland straßengenau Kaufpreise und Mieten ermitteln sowie die Umgebung einer Wunschimmobilie erkunden – schauen Sie einfach mal rein! Aber zurück zum „Bau-Turbo“ der schwarz-roten Koalition: Es ist gut, dass die Regierung das Thema aufgreift. Vorgesehen ist zum Beispiel, dass in Wohngebieten Baugenehmigungen innerhalb von zwei Monaten erteilt werden können. Auch soll es einfacher werden, Neubauten und ganze Neubaugebiete in der Nähe von Gewerbegebieten auszuweisen. Schließlich soll es möglich sein, Baustandards zu senken, um den Neubau von günstigen Mietwohnungen wieder attraktiver zu machen. Heute muss die Miete je Quadratmeter bei 18 bis 20 Euro liegen, damit sich für Vermieter ein Neubau lohnt. Dabei ist schon die Hälfte für viele Arbeitnehmer eine Herausforderung. Es sind alles richtige Maßnahmen, auf die angehende Bauherren genauso gewartet haben wie Architekten, Projektentwickler und Bauunternehmen. Aber ist das bereits der Turbo, der den Neubau wieder anwirft? Leider nein. Denn die wichtigsten Player auf dem Immobilienmarkt für den Neubau klammert das Gesetzespaket leider aus: die Städte und Gemeinden, die nicht nur die Baugenehmigungen erteilen, sondern Flächen für Neubauten ausweisen müssen. Und hier liegt seit Jahren – neben den teuren, komplizierten und langwierigen Bauvorschriften – das eigentliche Problem auf dem deutschen Wohnungsmarkt. Die meisten Bürgermeister und Gemeinderäte haben kein großes Interesse, zusätzlichen Wohnraum zu schaffen. Es lohnt sich für sie einfach nicht. Denn Baustellen in bestehenden Wohngebieten bedeuten Lärm und Dreck und meist auch Ärger mit all jenen, die dort schon wohnen. Mehr noch, neuer Wohnraum erfordert meist auch neue Spielplätze, Kindergärten und Schulen, irgendwann auch Sportanlagen und Grünflächen – alles Dinge, mit denen die meisten Städte heute schon überfordert sind, finanziell und personell. Zudem geht es nicht nur um den Aufbau einer lebenswerten Umgebung, sondern auch um deren Unterhalt und Betrieb – und das bedeutet vor allem teures Personal. Hier klafft die Leerstelle im Turbo-Plan von Hubertz und Klingbeil: Ohne den Willen und die Fähigkeit von Kommunen, im großen Stil Neubauten zu unterstützen, wird das große Bauwunder leider ausbleiben. Mindestens so wichtig wie schnellere Genehmigungsverfahren und günstigere Baustandards wären Anreize für Kommunen, tatsächlich Flächen für Neubauten auszuweisen. Passenderweise feilschen Bund und Länder in diesen Wochen ohnehin darum, wer die Einnahmeausfälle aus dem anderen eiligen Großprojekt der Koalition, dem „Investitionsbooster“, tragen soll: der Bund alleine (nach dem Prinzip: „wer bestellt, bezahlt“), oder Bund, Länder und Kommunen gemeinsam? Diese Verhandlungen wären der passende Ort, den „Bau-Turbo“ gleich mitzuverhandeln – schließlich geht es bei beiden Vorhaben darum, Investitionen und damit die Wirtschaft insgesamt anzukurbeln. Ansonsten bleiben von Booster und Turbo leider nur, was sie auch im normalen Leben produzieren: viel heiße Luft. Ich wünsche Ihnen ein schönes und sommerliches Wochenende! |
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