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Liebe Leserinnen, liebe Leser, Olaf Scholz hat in Prag eine bemerkenswerte Europa-Rede gehalten. Diesmal überraschte der Kanzler – und das gleich mehrfach. Fünf Jahre nach der Einladung von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron an Deutschland, gemeinsam verkrustete europäische Strukturen aufzubrechen und Reformen anzustoßen, war es die erste Antwort eines deutschen Regierungschefs auf die Offerte aus Paris. Angela Merkel hatte zuvor jahrelang laut geschwiegen. Typisch Scholz fällt seine Vorstellung von einem zukunftsfähigen Europa pragmatischer aus als die von Pathos getragene Vision Macrons. Und dennoch: Auch Scholz denkt ambitioniert. Scholz plädierte für die Aufnahme der Westbalkanstaaten, der Ukraine, von Moldau und auch von Georgien in die EU. Er zeigte sich offen für Reformen der EU-Verträge, forderte eine Abkehr vom Einstimmigkeitsprinzip und weniger EU-Kommissare, mehr Unabhängigkeit von Rohstoffimporten, eine Vorreiterrolle Europas in Schlüsseltechnologien, eine gemeinsame europäische Verteidigungspolitik sowie eine Reform der Migrations- und Finanzpolitik – und das alles schnell. „Wann, wenn nicht jetzt?“, zitierte der Kanzler tschechische Demonstranten während der Revolution von 1989. Zwar blieb auch Scholz in vielem vage. Doch ein erster Schritt ist gemacht. Mitte September wird Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit ihrer Rede zur Lage der EU nachlegen. Im vorliegenden Newsletter beschäftigen wir uns zudem mit einer neuen EU-Pflegestrategie, dem Verbot von Zwangsarbeitsprodukten sowie Cybersicherheit. Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre. Bleiben Sie uns gewogen. Ihr Dr. Jörg Köpke |
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Deutschlands Antwort auf die Europa-Rede von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron: Bundeskanzler Olaf Scholz zeichnete Ende August an der Prager Karls-Universität seine Vision eines künftigen Europas. Die Reaktionen in Paris fielen durchweg positiv aus. |
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Aktuelle EU-Vorhaben im Fokus des cep |
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Google: Urteil im Fall Google Android Das Europäische Gericht wird am 14. September sein Urteil in der Rechtssache T-604/18 Google Android verkünden. Die Kommission hat Google im Jahr 2018 ein Bußgeld in Höhe von mehr als 4 Milliarden Euro auferlegt, weil Google angeblich seine marktbeherrschende Stellung missbraucht. Unter anderem warf sie Google vor, den Play Store mit den Apps Google Suche und Google Chrome zu koppeln und damit die dominante Stellung auf dem Markt für Android-App-Stores ausgenutzt zu haben. Über Googles Klage gegen diesen Beschluss entscheidet nunmehr das Europäische Gericht. Gegen dessen Urteil ist ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel zum Europäischen Gerichtshof möglich. |
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Menschenrechte: Verbot von Zwangsarbeit-Produkten Die Kommission will am 13. September ihren Vorschlag für eine Verordnung zum Verbot von Produkten vorlegen, die durch Zwangsarbeit hergestellt, abgebaut oder geerntet werden. Das Verbot soll sich sowohl auf importierte als auch in der EU hergestellte Produkte erstrecken und mit einem „robusten, risikobasierten Durchsetzungsrahmen“ kombiniert werden. |
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Medienfreiheit: Schutz von Unabhängigkeit und Pluralismus Die Kommission will am 13. September ihren Vorschlag für einen Europäischen Rechtsakt für Medienfreiheit vorlegen, der ursprünglich bereits für den 27. Juni angekündigt war. Der Rechtsakt soll die Transparenz und Unabhängigkeit im Mediensektor befördern, indem die Eigentumsverhältnisse an Medienunternehmen transparenter und Transaktionen auf dem Medienmarkt besser kontrolliert werden. Zudem soll er die gesellschaftliche Funktion der Medien stärken, indem er Medieninnovation und Medienpluralismus fördert. Außerdem soll er sich mit der gerechten Zuweisung staatlicher Mittel befassen, zum Beispiel bei staatlicher Werbung. Notfallinstrument: Bessere Vorbereitung und Reaktion auf Krisen Die Kommission will am 13. September ihren Vorschlag für ein Notfallinstrument für den Binnenmarkt vorlegen. Dieses soll gewährleisten, dass die EU besser auf Ereignisse wie die COVID-19-Pandemie oder den Ukraine-Krieg vorbereitet ist. Voraussichtlich besteht das Notfallinstrument aus zwei Säulen. Säule 1 soll den Schwerpunkt auf Krisenvorbereitung legen und unter anderem das Monitoring von Lieferketten für kritische Güter und Vorgaben für die Lagerhaltung von bestimmten Rohstoffen enthalten. Säule 2 soll die Reaktion auf akute Krisen zum Gegenstand haben und Maßnahmen wie die gemeinsame Beschaffung von Gütern oder Ausfuhrkontrollen umfassen. Haftung I: Überarbeitung der Produkthaftungsrichtlinie Die Kommission will am 28. September ihren Vorschlag für die Überarbeitung der Produkthaftungsrichtlinie [85/374/EWG] vorlegen. Die Produkthaftungsrichtlinie regelt, unter welchen Umständen Hersteller für fehlerhafte Produkte haften. Die Überarbeitung soll die Richtlinie an die Digitalisierung anpassen. So ist etwa nach geltendem Recht unklar, ob Güter wie Computer-Software oder Daten Produkte im Sinne der Produkthaftungsrichtlinie sind. Darüber hinaus gelten Importeure nach der Produkthaftungsrichtlinie als Hersteller. Wenn ein Verbraucher beispielsweise online aus einem Drittstaat ein Produkt bestellt, ergibt sich eine Haftungslücke. Diese Probleme soll die Richtlinienüberarbeitung lösen. Haftung II: Richtlinie zur Haftung für künstliche Intelligenz Die Kommission will am 28. September ihren Vorschlag für eine Richtlinie zur Haftung für künstliche Intelligenz (KI) vorlegen. Die Richtlinie soll sich unter anderem dem Problem widmen, dass Haftungsvoraussetzungen oft nur sehr schwer nachzuweisen sind, wenn KI-Systeme verwendet werden, bei denen nicht nachvollziehbar ist, wie sie zu ihren Ergebnissen kommen. |
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Pflege: Umfassende EU-Pflegestrategie erwartet Europas Bevölkerung wird immer älter. Auch deshalb geraten die europäischen Pflegesysteme in den kommenden Jahren dramatisch unter Druck und stehen vor großen gesellschafts- und finanzpolitischen Herausforderungen. Die Pflegepolitik ist von hoher volkswirtschaftlicher Bedeutung und wird sich bis tief in den Alltag vieler Menschen hinein auswirken. Vor diesem Hintergrund will die EU ihre Pflegepolitik nun erneuern. Hierfür wird die Kommission am 7. September eine umfassende EU-Pflegestrategie verkünden. Dabei steckt die EU in einem Dilemma, denn Pflege ist im Grundsatz Sache der Mitgliedstaaten, die Kommission muss also die Kompetenzen der Mitgliedstaaten berücksichtigen und trotzdem Maßnahmen vorschlagen, die die Pflegesysteme substanziell stärken. Das cep hat sich bereits in einem cepInput mit der sogenannten informellen Pflege (durch Verwandte, Freunde oder Nachbarn in häuslicher Umgebung) auseinandergesetzt und Impulse für die künftige EU-Pflegepolitik herausgearbeitet. |
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Cybersicherheit: Rechtsakt zur Cyberabwehrfähigkeit Die Kommission will am 13. September 2022 einen Rechtsakt zur Cyberabwehrfähigkeit (Cyber Resilience Act) vorlegen. Laut Kommission birgt die zunehmende Vernetzung von Geräten zahlreiche Cyberrisiken, insbesondere durch Entwicklungen wie dem sogenannten Internet der Dinge. Sie will daher EU-weite Cybersicherheitsstandards für vernetzte Geräte etablieren. Die neuen Vorgaben könnten insbesondere für Endgeräte wie Sensoren und Kameras, Smartcards, mobile Geräte und Router gelten, aber auch für Software. Mit dem Cyber Resilience Act will die Kommission darauf reagieren, dass Anbieter oft keine angemessenen Vorkehrungen zur Cybersicherheit treffen, wenn sie ein vernetztes Produkt auf den Markt bringen, da dies Kosten verursacht und die Anreize, die Cyberresilienz des Produkts über dessen gesamten Lebenszyklus zu gewährleisten, oft gering sind. |
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Die Kommission, der Rat und das Europäische Parlament verhandeln regelmäßig im sogenannten Trilog über EU-Gesetzesvorhaben, um eine gemeinsame Position zu finden. Für den behandelten Zeitraum liegen keine relevanten Einigungen vor. |
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Die EU-Kommission bittet Betroffene und Interessierte in der Zivilgesellschaft regelmäßig um Stellungnahmen. Wir haben für Sie die wichtigsten Konsultationen zusammengestellt: |
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Zollunion: Neuer EU-Zollkodex Die EU-Kommission will den EU-Zollkodex überarbeiten. Ziel der Reform ist es, ein geschlossenes Vorgehen der nationalen Zollbehörden zu bewirken, um den Binnenmarkt vor illegalen Waren zu schützen und rechtmäßigen Handel zu erleichtern. In ihrer Konsultation fragt die Kommission u.a. danach, was die wichtigsten Errungenschaften, Herausforderungen und Enttäuschungen der Zollunion sind, aber auch, welche Prioritäten die Konsultationsteilnehmer für eine mögliche Reform der Zollunion sehen. Die Einreichungsfrist für Stellungnahmen endet am 14. September 2022. Zur Konsultation |
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Böden: Neue EU-Vorgaben Die EU-Kommission will alle Böden innerhalb der EU schützen, nachhaltig nutzen und gegebenenfalls sanieren. Ziel ist es, die Böden bis 2050 in einen gesunden Zustand zu versetzen („Bodengesundheit“). Nachdem die Kommission hierzu im November 2021 eine EU-Bodenstrategie für 2030 [COM(2021) 699] vorgestellt hat, will sie 2023 einen Vorschlag für eine neue Richtlinie zur Bodengesundheit vorlegen. Die Einreichungsfrist für Stellungnahmen endet am 24. Oktober 2022. Zur Konsultation |
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6. - 7. September 2022 Prag Informelles Treffen der Gesundheitsminister. * 9. - 10. September 2022 Prag Informelle Ministertagung „Wirtschaft und Finanzen“.* 12. - 15. September 2022 Straßburg Sitzung des Europäisches Parlaments. Unter anderem wird EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihre dritte Rede zur Lage der Union halten (14. September 2022). 20. September 2022 Brüssel Treffen des Rates für Allgemeine Angelegenheiten.* 29. September 2022 Brüssel Treffen des Rates für Wettbewerbsfähigkeit (Binnenmarkt und Industrie).* 3. Oktober 2022 Luxemburg Treffen der Euro-Gruppe.* 4. Oktober 2022 Luxemburg Treffen des Rates für Wirtschaft und Finanzen (Ecofin).* 6. -7. Oktober 2022 Prag Informelles Treffen des Europäischen Rates.* * Die genaue Agenda stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest. |
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Ausgewählte cepPublikationen |
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cepInput: Pflegestrategie |
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| Europas Bevölkerung altert. Die Pflegesysteme stehen vor immer größeren gesellschafts- und finanzpolitischen Herausforderungen mit massiven Personal- und Finanzierungsengpässen. Die Kommission will daher am 7. September eine neue Pflegestrategie verkünden. Das Centrum für Europäische Politik (cep) hält eine Reform für dringend geboten, die u.a. stärkere Hilfe für pflegende Freunde und Verwandte umfassen sollte. Zum cepInput 12/2022 |
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cepAnalyse: Ökodesign von Produkten |
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| Ob Kühlschränke, Lampen, Fernseher oder Textilien: Die Kommission will für nahezu alle Produkte in der EU sogenannte Ökodesign-Anforderungen festlegen können. Ziel ist es, den Energie- und Ressourcenverbrauch bei der Herstellung, Nutzung und Entsorgung dieser Produkte zu senken. Dadurch soll der Übergang von einer Wegwerf- zu einer Kreislaufwirtschaft forciert werden. Das cep befürchtet bei zu engen und kleinteiligen Vorgaben Zielkonflikte – und letztlich sogar negative Nachhaltigkeitswirkungen. Zur cepAnalyse 10/2022 |
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cepInput: Europas Umgang mit den Rohstoffen der Zukunft |
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| Der Ausbau von Zukunftstechnologien schafft einen enormen Bedarf an unverzichtbaren Rohstoffen. Die Europäische Union steht vor der Herausforderung, die Versorgungslage mit diesen kritischen Materialien zu sichern. Das cep gibt in einem Input Empfehlungen für eine zukünftige EU-Rohstoffpolitik. Zum cepInput 11/2022 |
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cepStudie: Reform des Mautsystems in Deutschland |
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| Die Pläne der vormaligen Bundesregierung für eine Pkw-Maut waren zum Scheitern verurteilt. Um das Straßennetz instand und funktionsfähig zu halten, benötigt Deutschland eine nachhaltige, d.h. sach- und nutzungsgerechte Finanzierung. Eine Studie des ceps mahnt einen Systemwechsel bei der Infrastrukturfinanzierung an und fordert die Einführung einer möglichst flächendeckenden Pkw-Maut. Zur cepStudie 1/2022 |
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Mit dem cepDossier will das cep unterhalb der Ebene einer Studie oder Analyse auf wichtige EU-Regulierungsvorhaben hinweisen. Es berichtet über aktuelle Vorhaben und fasst diese kurz zusammen. Ziel ist es, noch schneller und interessegeleiteter Informationen zu vermitteln, die für Branchen und Stakeholder relevant sein könnten. Für den September-Newsletter ist auf keine speziellen EU-Regulierungsvorhaben hinzuweisen. |
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Liebe Leserinnen, liebe Leser, „Form follows function“ – mit dieser einfachen Formel hat Kanzler Olaf Scholz den neuen Pragmatismus der Bundesregierung zur Reform der Europäischen Union umschrieben. Oder anders formuliert: „Selbst die europäischen Verträge sind nicht in Stein gemeißelt.“ Wir werden sehen – und alle Pläne für Sie gewohnt kritisch-konstruktiv begleiten. Ihr Dr. Jörg Köpke |
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