| Guten Morgen, am Roten Rathaus wird gerade die 4. Staffel von „Babylon Berlin“ gedreht, die Nazis bestimmen Leben und Arbeit von Kommissar Gereon Rath auf brutale Weise. Zugleich veröffentlicht der Schauspieler Volker Bruch, der diesen Gereon Rath spielt, ein Video, in dem er sagt: „Ich will wieder mehr Angst haben. Denn ohne Angst habe ich Angst. Deshalb appelliere ich an unsere Regierung: Macht uns mehr Angst.“ Vor dem Verfassungsgericht gehen seit gestern Klagen gegen das neue Infektionsschutzgesetz ein, hinter uns liegt wieder eine Woche erbitterter Diskussionen über die Corona-Maßnahmen. Bei einer Demonstration gegen die Regierung werden Journalisten angegriffen, wie oft in den vergangenen Monaten. Zugleich veröffentlicht der Schauspieler Jan Josef Liefers, vielen vor allem als „Tatort“-Pathologe Karl-Friedrich Boerne bekannt, ein Video, in dem er sagt: „Vielen Dank an alle Medien, die seit einem Jahr unermüdlich, verantwortungsvoll und mit klarer Haltung dafür sorgen, dass der Alarm da bleibt, wo er hingehört, nämlich ganz, ganz oben.“ Und er dankt auch dafür, „dass kein unnötiger, kritischer Disput uns ablenken kann von der Zustimmung zu den sinnvollen und immer angemessenen Maßnahmen unserer Regierung.“ Es muss eine komische, abgeschottete Welt sein, in der Liefers, Bruch und 51 weitere Schauspielerinnen und Schauspieler leben. Eine Welt, in der Ben Becker aus einem Wohnwagen schaut und ernsthaft schimpft: „Es kann doch nicht sein, dass ich hier am Set sitze, und darf nicht mehr aus Porzellantellern essen, sondern aus Plastikschüsseln, die mir zugeteilt werden!“ Auch Beckers Schwester Meret war Teil der Aktion „Alles dicht machen“, die angeblich als ironischer Protest gegen die Corona-Maßnahmen geplant war. Sie zog ihr Video, in dem sie sich über Menschen lustig macht, die Maske tragen und Abstand halten, schnell wieder zurück. Zu viel Gegenwind für das überdimensionierte Blatt, von dem sie Ihren Text abgelesen hatte. Ihr Kollege Dietrich Brüggemann kommentierte das so: „Irgendwie ein bisschen faschistoid, der Mob hier.“ Tja, so ist das eben in der „Corona-Diktatur“. Das Robert-Koch-Institut meldete gestern 81.203 Todesfälle im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion. Die Zahl der Menschen, die sich entsetzt, maßlos enttäuscht und zunehmend wütend die 53 Videos anschauten, ist ungleich höher. Einer von ihnen: Schauspiel-Kollege Ulrich Matthes. In der „3sat“-Sendung Kulturzeit nannte er die Aktion „zynisch“: Die Vorstellung, „eine Corona-Diktatur würde ihnen und vielen anderen Menschen auch den Mund verbieten“, sei „vollkommen absurd“. Dass die Beteiligten „sich jetzt wundern, dass Maaßen, die AfD und Querdenker begeistert sind“, hält Matthes für „komplett naiv und geradezu ballaballa“. Und weiter: „Sie merken, mir kommt allmählich schon die Galle hoch. Wie sollen die Angehörigen von Menschen, die gestorben sind, so ein Video empfinden?“ Um 23.08 Uhr wurde Jan Josef Liefers dann bei „3 nach 9“ zugeschaltet. Moderatorin Judith Rakers fragte: „Wie geht es Ihnen denn jetzt, wenn ich das so fragen darf? Sie wirken ein bisschen so, als ob sie das ganz schön mitgenommen hätte.“ Die Antwort von Liefers: „Ja, es war ein verrückter Tag, danke der Nachfrage. Mir geht’s ganz gut, ich bin nach wie vor gesund. Aber das war natürlich ein turbulenter Tag, so rein zu rasseln in so viele Rechtfertigungssituationen bin ich jetzt auch nicht gewohnt. Aber es ist in Ordnung. Ich stehe dazu, und ich habe auch meine Punkte, aber die kriegen wir jetzt nicht so schnell rüber.“ Ein paar Punkte aber bekam Liefers rüber. Ein „ironischer, Corona-konformer Protest“ sollte es werden – für diejenigen, die sich „nicht wiederfinden“ in den Medien. Die Ausgangsfrage: „Wem kann ich eine Stimme geben, der keine hat?“ Dass die AfD die Aktion mit Freuden aufnahm? „Das tut mir leid.“ Ob er sich geirrt hat? „Mag sein, dass Ironie ein ungeeignetes Mittel ist.“ Und weiter: „Es gibt nicht nur auf der Seite der Trauernden Leid“, „Wir wurden missverstanden“, „Es ging nicht darum, Schwurbler zu munitionieren“. Liefers‘ Fazit: „Bei allen liegen die Nerven blank inzwischen, und ich gebe zu: auch bei mir.“ Es wird immer klarer, welche Verwüstungen Corona anrichtet – gesundheitlich und gesellschaftlich. Wie schön wäre es, wenn Künstler wieder Mist machen könnten, ohne dass es das wichtigste Thema des Tages wird. Und wie viel schöner noch wäre es, wenn Künstler, bevor sie Mist machen, nochmal in Ruhe darüber nachdenken, was sie damit anrichten. | |