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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Dienstag, 03.03.2020 | Regnerisch und windig bei 7°C. | ||
+ Schulen wegen Covid-19 geschlossen + Schulplatzdefizit betrifft 30.000 Berliner Kinder und Jugendliche + Staatsanwaltschaft prüft Vorgehen von Senatorin Breitenbach im Fall Giffey + |
von Anke Myrrhe |
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Guten Morgen, „Where is Paradise?“ lautete das Motto des Berlin Travel Festival. „Abenteuerlustige, Entdecker*innen und Marken von heute“ sollten Besucher am Wochenende in der Arena „auf einer spannenden Mischung aus Reisemesse, Networking-Events, Workshops, Master Classes und Entertainment“ erleben können. Die Messe wurde gestern abgesagt, weil auf die spannende Mischung aus Viren und Menschenmassen derzeit zurecht niemand mehr Lust hat. Im Falle der Reisemesse war es allerdings mehr als nur eine Vorsichtsmaßnahme: Der erste bekannte Coronavirus-Infizierte Berlins arbeitet in der Tourismusbranche, er hatte mit dem Festivalteam Kontakt – und das befindet sich nun komplett in häuslicher Quarantäne. „Als Schutzmaßnahme wurde das Team vom Gesundheitsamt aufgefordert, sich umgehend nach Hause zu begeben. Wir mussten mit sofortiger Wirkung unsere Arbeit einstellen.“ Wo ist jetzt das Paradies? Wann stellt die Stadt ihre Arbeit ein? Wer trifft noch den richtigen Ton zwischen Angstmache und gebotener Vorsicht? Lässt die Panik links liegen neben dem leeren Supermarktregal, ignoriert den Twittertrend „Toilettenpapier“, erklärt den Kindern ganz in Ruhe, dass das mit der Desinfektion nur so eine Phase ist. Bis wann eigentlich? Den Kindern, die jetzt nicht mehr zur Schule dürfen? Um 22.20 Uhr teilte die Gesundheitsverwaltung gestern mit, dass die Emanuel-Lasker-Oberschule in Friedrichshain ab heute bis auf weiteres geschlossen bleibt. Am Abend wurden zwei weitere Coronavirus-Fälle gemeldet, ein Mann aus Marzahn-Hellersdorf und eine Frau aus Mitte wurden positiv getestet. Der Mann war offenbar Lehrer an der Schule und mit zwei Gruppen aus 74 Schüler/innen und sechs Lehrkräften auf Skifahrt in Südtirol. Bis alle Beteiligten getestet sind, bleibt die Schule geschlossen. „Alle Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte sind angehalten, Zuhause zu bleiben.“ Der entscheidende Satz stand am Ende der neuen Infektionsmeldungen: „Beide Fälle stehen nach jetzigem Stand nicht mit dem ersten Fall in Verbindung.“ Und am noch späteren Montagabend erfuhr der Checkpoint: Es gibt bereits einen weiteren Infizierten im Klinikum Neukölln. Das Virus hat Berlin endgültig erreicht. Es wird nicht mehr entscheidend darum gehen, die 60 Kontaktpersonen des ersten Patienten zu finden und zu testen. So oder so wird es in den nächsten Tagen immer mehr Fälle geben, viel zu weit hat sich das Virus über Europa ausgebreitet (am Abend wurden die ersten Infizierten in Brandenburg, Thüringen und Sachsen gemeldet). Es wird darum gehen, wie wir alle damit umgehen. Das richtige Maß zu finden, zwischen Vorsicht und Alltag. Inzwischen ist es wahrscheinlich, dass jeder von uns schon Kontakt mit jemandem hatte, der Kontakt mit jemandem hatte, der… bleiben Sie ruhig! Denken Sie daran, dass das Virus für gesunde Menschen und Kinder nicht gefährlich ist. Es geht darum, die Ausbreitung zu verlangsamen, weil es für ältere und kranke Menschen gefährlich sein kann (nicht muss). Waschen Sie sich regelmäßig die Hände. Popeln Sie in der S-Bahn nicht in der Nase (gilt übrigens immer) und vor allem: Wenn Sie sich krank fühlen, bleiben Sie zu Hause und rufen Sie Ihren Hausarzt oder die Behördennummer: 030 90282828. Auch, weil die Hotline in den vergangenen Tagen dauerbesetzt war oder plötzlich abbricht (eine Leserin berichtet von Klingeltönen zwischen vier und 14 Mal, bevor sie aus der Leitung flog), gibt es ab heute, 8 Uhr, eine zentrale Anlaufstelle für Verdachtsfälle am Virchow-Klinikum, wie Senatorin Kalayci Montag Mittag in einer improvisierten Pressekonferenz ankündigte. Die Charité wiederum bat am Abend auf Twitter darum, nicht einfach hinzufahren, sondern trotzdem zunächst den Hausarzt oder die Hotline anzurufen. Einig waren sich aber alle: Bitte nicht in die Rettungsstelle kommen! Denn was passierten kann, wenn ein Patient unerkannt mit Coronavirus in einer Klinik herumläuft (wie der erste Berliner Infizierte, der ganz andere Symptome aufwies), zeigt sich derzeit: Die Mitarbeiter der Rettungsstelle befinden sich für die nächsten zwei Wochen in Quarantäne, die Notaufnahme blieb den ganzen Tag geschlossen. Und so liegt die Stadt dann wirklich bald lahm. | |||||
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Wenn Sie sich gesund fühlen, können Sie die besondere Situation natürlich auch nutzen, um mal ungestört ins Berghain zu gehen, bei Mustafa einen Gemüsekebab zu essen oder ihr Fahrzeug bei der KfZ-Zulassungsstelle anzumelden. Die Leere macht sich vielerorts breit, viele Menschen bleiben lieber zu Hause bei ihren Hamster(käufe)n. Kann ja auch ganz gemütlich sein. Und es gibt sogar Berliner, die kräftig vom Virus profitieren: Olfert Landt produziert mit seinem Team den Schnelltest, der das Virus erkennt. Seine kleine Firma TIB Molbiol beliefert aus Tempelhof schon jetzt 60 Länder, drei Millionen Tests seit Jahresbeginn. „Ich hatte mich schon gewundert, warum noch niemand angerufen hat“, sagt der Chef am Telefon. Mein Kollege Kevin P. Hoffmann ist gleich mal hingefahren. Olfert sagt: „In Schulen, Kitas und Kirchengemeinden, wo in der Regel immer dieselben Personen zusammentreffen, ist das Ansteckungsrisiko gering.“ Wo Menschen zufällig aufeinandertreffen allerdings, ist es etwas ganz anderes (also vielleicht doch lieber nicht ins Berghain). | |||||
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Aus diesem Grund ist es wohl auch nur noch eine Frage der Zeit, bis der Halbmarathon (Termin 5. April) abgesagt wird. Die Checkpoint-Laufgruppe trainiert natürlich trotzdem weiter (Weltuntergang ist keine Ausrede!), nächster Termin: Samstag, 11 Uhr, Treptower Park, Parkplatz Figurentheater. Und auch der Streik hunderter Taxifahrer heute (12 bis 15 Uhr in der City West) ist Kreiseln zufolge nicht betroffen (siehe Verkehr), liegt sicher am Faradayschen Käfig. | |||||
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Menschenansammlungen zu vermeiden ist in Berlin zugegebenermaßen nicht ganz einfach, vor allem in den Schulen ist es bekanntlich voller, als gesund ist. Etwa 30.000 Kinder und Jugendliche in Grund- und Sekundarschulen lernen in Klassen mit mehr als 26 Kindern – die Anzahl, die Bildungsfachleute für vertretbar halten. Das Schulplatzdefizit wird derzeit dauerhaft mit Überbelegung kompensiert. Und die Situation wird sich noch verschlimmern, denn Schulsenatorin Scheeres hat bereits angekündigt, die fehlenden 9500 Schulplätze bis 2022 zum Großteil mit „Belegungen, die über die gewünschten pädagogischen Standards hinausgehen“, zu kompensieren. Die grünen Koalitionspartner fordern deswegen eine verbindliche Obergrenze. Zum Verständnis: Damit ist nicht die Amtszeit der Schulsenatorin gemeint. Vornehmen kann man sich ja viel, doch das mit der Umsetzung ist in dieser Stadt bekanntlich so eine Sache. Im vergangenen März hatte Scheeres angekündigt, insgesamt 257 Millionen Euro in die Digitalisierung der Schulen investieren zu wollen, von den für 2019 vorgesehenen 38 Millionen Euro ist aber gerade mal eine gute Million ausgegeben worden. „In einem ersten Schritt werden bereits 2019 alle Berufsschulen angeschlossen“, hieß es in einer Pressemitteilung. Ein Jahr später hat die FDP-Politikerin Maren Jasper-Winter nun mal nachgefragt, Antwort der Bildungsverwaltung: „Zum Zeitpunkt der Anfrage wurden noch keine Mittel aus dem 'DigitalPakt Schule' für die beruflichen Schulen bereitgestellt.“ Geklappt hat es mit der geplanten Glasfaseranbindung übrigens in fünf von 44 Schulen, eine davon (das Oberstufenzentrum Lotis) liegt zufälligerweise im Wahlbezirk des Regierenden Bürgermeisters. | |||||
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Der sucht neuerdings künstliche Intelligenz. Weil Computer vermutlich die bessere Politik… ach, nein, gesucht wird eine Referentin für Digitalisierung und Künstliche Intelligenz im Bereich Wissenschaft. SEHR wichtig sind laut Ausschreibung „Kenntnisse der Vorschriften im Bereich der öffentlichen IT und digitalen Verwaltung einschließlich aktueller E-Government-Vorhaben und Digitalisierungsstrategien auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene“; „Kenntnisse über Aufbau- und Ablauforganisation der Berliner Verwaltung“; „vertiefte Kenntnisse aus dem Digitalisierungsbereich“; „vertiefte Kenntnisse über die Struktur politisch-administrativer Entscheidungsprozesse und die Fähigkeit zur Einordnung der politischen sowie IT- und digitalisierungsbezogenen Positionierungen des Landes“. Und Politikwissenschaft sollten Sie auch studiert haben. Bewerbungen bis zum 13.3. bitte an den Regierenden Bürgermeister, Name: Müller (noch), Senatskanzlei, Kennzahl 12/20. Im Bereich Presse hat sich die Intelligenz vorübergehend verdoppelt, gestern hatte die neue Senatssprecherin Melanie Reinsch ihren ersten Arbeitstag. Im März hat sie die noch amtierende Supersprecherin Claudia Sünder an ihrer Seite, dann ist sie auf sich allein gestellt. Zum Einstieg gab’s Bio-Glückskekse mit Botschaft, Sünder zog: „Ihre Argumente überzeugen heute alle Skeptiker“ (besser spät als nie), Reinsch: „Dein Sinn für Humor ist Dein bester Begleiter, verliere ihn nicht.“ Ganz in unserem Sinne – wir wünschen viel Erfolg! | |||||
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