wir waren nicht die erste Redaktion, der das als „Verschlusssache“ geheim gehaltene Gutachten des Bundesamts für Verfassungsschutz vorlag, demzufolge mit Zustimmung der Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) die AfD als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft wurde. Aber wir waren die ersten, die das Gutachten am Dienstag veröffentlichten. Der Inhalt, der nun jedem offen steht, bestätigt eine Vermutung: Es gibt keine relevanten geheimdienstlichen Quellen, die es zu schützen gälte, also auch keinen triftigen Grund für das Amt und das Innenministerium, es geheim zu halten. Mathias Brodkorb, ehemaliger Landesminister in Mecklenburg-Vorpommern, sieht sich in der These seines vielbeachteten Buches zum Thema – „Der Verfassungsschutz als Erfüllungsgehilfe der Politik“ – bestätigt. Schon eine kursorische Lektüre der über 1000 Seiten zeige, dass die vom Verfassungsschutz zusammengetragenen „Beweise“ für den vermeintlich gesichert rechtsextreme Gesinnung der Partei in erheblichem Umfang fragwürdig seien. Die Autoren des Gutachten halten es offenbar für rechtsextrem, den bayrischen Landesminister Hubert Aiwanger zu verteidigen, und für antisemitisch, (den Nicht-Juden) Bill Gates anzugreifen. Auch der Verfassungsrechtler Volker Boehme-Neßler den Inhalt des Gutachtens für so dünn, dass er das harte Verdikt „gesichert rechtsextrem“ nicht begründen kann. Bei diesem Manöver geht es nicht um den Schutz der Verfassung, so folgert Boehme-Neßler, sondern um den skrupellosen Missbrauch des Geheimdienstes zu politischen Zwecken durch die ehemalige Innenministerin Nancy Faeser. Unser neuer Kolumnist, der frühere Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki von der FDP, erinnert daran, dass viele Linke und Grüne nach dem NSU-Skandal noch für die Abschaffung des Verfassungsschutzes plädierten. Jetzt, da er sich um die AfD kümmert, sieht das anders aus. Dabei sei die Grenzüberschreitung ein systemimmanentes Phänomen dieser Behörde. Ein anderes wichtiges Thema der deutschen Politik bleibt natürlich die Bedrohung durch Russland. Deutschlands Politiker, mit dem neuen Bundeskanzler Friedrich Merz in seiner Regierungserklärung vorneweg, geben sich verteidigungswillig, und die Deutschen stimmen ihnen zu. Ich halte das durchaus für richtig und angemessen. Aber bedenklich ist, dass laut Umfragen die meisten Deutschen die Frage, ob sie das Land selbst verteidigen würden, verneinen. Das sollen offenbar lieber andere tun. Eine derart politisch unreife Gesellschaft kann nicht wirklich wehrhaft sein, fürchte ich, auch wenn sie noch so viel Schuldengeld für Waffen ausgibt. Mein Kollege Clemens Traub hat ein Urgestein der deutschen Politik zum Interview getroffen. Der SPD-Politiker und frühere Erste Bürgermeitser von Hamburg Klaus von Dohanyi, mittlerweile 96 Jahre alt, sprach mit ihm über europäische Illusionen, die missverstandene Freundschaft zu den USA und darüber, worin sich seine Politikergeneration von Annalena Baerbock fundamental unterschied. Die Bezeichnung „Putin-Versteher“ will er nicht als Beshcimpfung verstehen. Ihr Ferdinand Knauß, Redakteur |