Liebe Leserinnen, liebe Leser, die Börsen haben ihren kräftigen Rücksetzer von Anfang August weitgehend verdaut und steuern auf neue Rekordstände zu. Mit mehr als 150% Kursplus seit dem Jahresstart und einer Marktkapitalisierung von inzwischen über 3 Bio. US-Dollar ist Nvidia der unangefochtene Star am diesjährigen Börsenhimmel. Der KI-Vorreiter ist das Maß der Dinge und die Augen der Anleger waren auf die Zahlen zum 2. Quartal gerichtet, die Nvidia am Mittwochabend nach Börsenschluss vorlegte. Viel sollte davon abhängen. Im Vorfeld gab es teilweise schon skurrile Auswüchse. So fragten mich Anleger, ob ich denn für die Zahlenvorlage „aufbleibe“, um das Ereignis live mitzuerleben. Nein, natürlich nicht, es ging ja nicht um den Super Bowl. Andere nannten die Zahlenvorlage das „wichtigste Börsenereignis aller Zeiten“. So ein Quatsch. Es waren nicht mal die wichtigsten Quartalszahlen aller Zeiten. Aber bei der Elektrisierung der Anleger fühlte ich mich an 2015 zurückerinnert, als die Börsen ebenfalls stark dastanden und Apple mit seinem großen Erfolg bei den iPhones den Takt vorgab. Und man machte sich Sorgen, dass nach dem Tod von Steve Jobs und ersten Absatzschwächen die zweite Apple-Erfolgsstory gegen die Wand fahren würde. Und die Zahlen waren wirklich nicht prall, der Kurs gab deutlich nach. Für viele Anleger war das ein Drama, das beinahe einer Katastrophe gleichkam. Aber nicht für alle. Star-Investor Warren Buffett nutzte die Chance und kaufte Anfang 2016 erstmals Apple-Aktien, als sie gerade im Ausverkauf zu haben waren. Und als es eine zweite Börsenschwächephase in 2018 gab, stockte er seinen Bestand massiv auf, so dass er zeitweilig mehr als 5% an dem heute ebenfalls mehr als 3 Bio. US-Dollar schweren Unternehmen hielt. Aber zurück zu Nvidia. Denn es ging nicht nur um den KI-Chip-King, sondern auch um die Frage, ob die KI-Euphorie schon den Gipfel überschritten hat. Denn bisher investieren die BigTechs enorme Milliarden-Beträge in KI-Ressourcen und -Rechenzentren, können überwiegend aber noch kein tragfähiges KI-Geschäftsmodell vorweisen. Außer Microsoft, die KI einfach zum integralen Bestandteil ihrer weltweit führenden Softwarelösungen Windows und Office macht (+ Meta Platforms, die auch schon große Erfolge beim besseren Werbe-Targeting seiner User melden können). Die meisten anderen Unternehmen haben nicht hunderte Millionen an Bestandskunden, sondern müssen für ihre KI-Modelle erstmal Interessenten gewinnen. Und das fällt nicht unbedingt leicht, denn die Konkurrenz ist groß und die Kunden haben weitgehend keine Ahnung von der Materie und halten sich daher im Zweifelsfall lieber erstmal zurück. Passend dazu gab es kürzlich eine Studie, wonach das Interesse des deutschen Mittelstands an KI bereits nachlässt. Angesicht der akuten Wirtschaftsschwäche liegen die Prioritäten eben woanders. Wenn nun aber die BigTechs und die tausenden von kleinen Unternehmen, die sich im KI-Sektor tummeln, keine profitablen KI-Geschäftsmodelle etablieren können, dann wird die momentan sehr hohe Nachfrage nach Hochleistungs-KI-Chips kräftig einbrechen. Das ist der Endgegner des KI-Hypes. Und die Nvidia-Zahlen zeigten nun das Aufeinandertreffen... Nvidia übertrifft alle Erwartungen Und Nvidia hat überzeugt, auf allen Ebenen. Der Umsatz lag mit 30 Mrd. US-Dollar 15% über dem Vorquartal und 122% über dem Vorjahreswert. Den größten Anteil steuerten die Umsätze mit Datenzentren bei: deren 26,3 Mrd. US-Dollar lagen 16% über dem Vorquartal und 154% über dem Vorjahreswert. Die Datacenter-Umsätze haben erstmals im 2. Quartal 2021 die bis dahin dominierende Gaming-Sparte überholt, doch inzwischen ist ihr Anteil an den Gesamtumsätzen auf 87% angewachsen, hochgeschossen von damals 1,8 Mrd. auf heute 26,3 Mrd. US-Dollar. Ein gigantisches Wachstum! Und extrem profitabel, denn die Bruttomarge liegt bei atemberaubenden 75%. Während der operative Cashflow 14,5 Mrd. US-Dollar erreichte, lag der Nettogewinn bei 16,6 Mrd. US-Dollar und damit mehr als doppelt so hoch wie im Vorjahr. Damit hat Nvidia selbst die optimistischen Erwartungen noch übertroffen. Von Wachstumsschwäche oder Absatzsorgen keine Spur. Dabei gab es durchaus Grund zur Sorge, denn die neuste High-Performance-KI-Chip-Generation namens Blackwell leidet unter Verzögerungen. Kurz vor Auslieferungsstart war ein Konstruktionsfehler aufgefallen, der zunächst behoben werden muss. Die Auslieferungen beginnen daher erst im 4. Quartal. Und es gab Sorgen, dass in der Zwischenzeit die „alten“ KI-Chips nicht mehr so gefragt sein würden. Aber weit gefehlt. Denn die zahlreichen Wettbewerber haben unter ihren Top-Chips kein auch nur ansatzweise konkurrenzfähiges Modell zu Nvidias Chips, so dass die Kunden keine wirklichen Wechseloptionen hatten. Nvidias Finanz-Chefin (CFO) Colette Kress sagte, etwa 45% des Umsatzes mit Rechenzentren stamme von Cloud-Service-Anbietern, während die Hälfte des Umsatzes auf Kunden aus den Bereichen Verbraucher, Internet und Unternehmen entfiel. Und wie wir von den Top-Cloud-Anbietern Amazon (AWS), Microsoft (Azure) und Alphabet wissen, gibt sich das dortige Wachstum ebenfalls keine Blöße. Diese haben allesamt jüngst angekündigt, dass sie ihre Ausgaben für KI-Infrastruktur, insbesondere für Rechenzentren, erhöhen wollen. Nvidias Wachstum ist daher ungebrochen, wenngleich die prozentualen Steigerungsraten rückläufig sind (was der stets höheren Vergleichsbasis geschuldet ist). Nvidias Gründer und CEO Jensen Huang zufolge geht Nvidia davon aus, dass das Geschäft mit Rechenzentren im nächsten Jahr "ganz erheblich" wachsen dürfte, denn Blackwell sei „ein kompletter Game Changer für die Branche“. Nicht nur dank eines erneuten starken Leistungsschubs, sondern auch wegen der hohen Energieeffizienz, die die Betriebskosten im Vergleich zu den bisherigen Chips („Hopper“) deutlich senken wird, wodurch sich die hohen Anschaffungskosten in relativ kurzer Zeit amortisieren werden. Bei der Vorstellung von Blackwell im Frühjahr erklärte Huang, dass die Blackwell-Plattform das "erfolgreichste Produkt" in der Geschichte des Unternehmens werden könnte und Analysten nannten es das "ehrgeizigste Projekt im Silicon Valley". Mögliche Lieferengpässe Nvidia leidet allerdings, wie auch andere Hersteller, unter Lieferengpässen bei einigen Komponenten. Bisher kann das Unternehmen dies jedoch recht gut kompensieren. Für das 4. Quartal erwartet Nvidia "mehrere Milliarden Dollar" aus Blackwell-Verkäufen, sobald die Produktion hochgefahren wird. Für das laufende 3. Quartal sollen Umsätze von etwa 32,5 Mrd. US-Dollar bei einer Bruttomarge von rund 74,4% realisiert werden. Für das Gesamtjahr 2024 sollen die Bruttomargen so um die 70% liegen. Weitere Aktienrückkäufe Nvidia zahlt eine Dividende, die mit 0,01 US-Dollar je Aktie allerdings reichlich magersüchtig daherkommt. Stattdessen kauft Nvidia lieber eigene Aktien zurück und hat hierfür soeben weitere 50 Mrd. US-Dollar bereitgestellt. Keine kleine Summe, aber auch kein wirklicher Klopper angesichts des Börsenwerts von 3 Bio. US-Dollar. Also alles in Topform – nur die Aktie nicht, die verlor satte 7% am Tag nach „dem Tag“. |