Der Aktienmarkt ist derzeit äußerst heterogen
Der Aktienmarkt ist derzeit äußerst heterogen von Sven Weisenhaus Auf 4 Handelstage mit Kursverlusten sind im DAX 3 Handelstage mit Kursgewinnen gefolgt. Und dadurch befindet sich der deutsche Leitindex nun, nach einem erneut nur kurzzeitigen Ausbruch nach unten (grüne Bögen), wieder im Zentrum seiner volatilen Seitwärtstendenz, die schon seit Mitte April anhält. Durch dieses vollkommen trendlose und wirre Kursverhalten, mit vielen Fehlsignalen und plötzlichen Richtungswechseln, ist der DAX derzeit charttechnisch äußerst schwer einzuschätzen. Was ist wichtiger: Gewinn oder kein Verlust? Der Short-Trade, über den ich am Freitag berichtete, wurde auf Einstiegskurs ausgestoppt. Er brachte somit keinen Gewinn, aber auch keinen Verlust. Letzteres ist in der aktuellen Marktphase durchaus ein positives Ergebnis, denn eine wichtige Börsenweisheit lautet: „Hin und Her macht Taschen leer.“ Gemeint sind damit einerseits Transaktionskosten, die bei jedem Kauf und Verkauf anfallen. Und je mehr Trades man in einer Seitwärtsphase macht, desto mehr Kosten fallen an. Hin und Her macht Taschen leer Andererseits ist mit der Börsenregel aber auch gemeint, dass Trader häufig aus einer Position aussteigen, wenn diese nicht (sofort) in die richtige Richtung läuft, um Verluste zu begrenzen. Und da in einer Seitwärtsphase die Richtung häufig wechselt, läuft es entsprechend oft in die falsche Richtung. Beim DAX sind wahrscheinlich viele Trader frische Long-Positionen eingegangen, als der Index auf neue Rekordhochs ausbrach. Und als die Kurse unter die 16.000er Marke zurückfielen und sich die Ausbruchsversuche damit als Bullenfallen entpuppten (rote Bögen), wurden viele Positionen mit Verlust beendet. Vielleicht wurden diese Trades in Erwartung einer anschließenden Korrektur sogar von „long“ auf „short“ gedreht. Und als sich Bärenfallen abzeichneten, weil der DAX wieder nach oben strebte (grüne Bögen), stiegen die Trader auch dieses Mal vorsichtshalber aus und nahmen erneut Verluste hin. Auch so macht ein Hin und Her die Taschen leer. Auch Geduld ist eine Leistung In meinen Stockstreet-Börsenbriefen habe ich daher in den vergangenen Wochen und Monaten defensiv agiert und relativ wenige Trades durchgeführt. Für einen Börsenbriefschreiber ist eine solche Zurückhaltung nicht leicht. Schließlich stehe ich unter dem Druck, den Abonnenten etwas für ihr Geld zu bieten: einerseits viele Tradingideen und andererseits eine möglichst hohe Rendite – möglichst sogar beides. Ich sehe es aber auch als eine Leistung an, in bestimmtem Marktphasen zur Geduld zu raten. Nicht immer muss man in jedem Markt aktiv sein. Und nicht immer geht ein Trade sofort auf, da man nur selten das Hoch bzw. das Tief trifft. An der Börse bieten sich permanent Chancen Gerade Börsenneulingen fällt es schwer, nicht permanent mit Positionen im Markt zu sein. Denn man hat schnell den Eindruck, Chancen zu verpassen. An der Börse bieten sich allerdings ständig Chancen – jeden Tag, jede Stunde, ja sogar minütlich bzw. heutzutage gar sekündlich. Doch in jeder Chance steckt auch ein Risiko. Und nicht bei jeder Chance stimmt das Chance-Risiko-Verhältnis. Da sich ständig neue Möglichkeiten für gewinnbringende Trades bieten, muss man eigentlich keine Sorge haben, eine Chance zu verpassen. Daher kann es gerade beim DAX derzeit ratsam sein, sich einfach aus diesem (charttechnisch derzeit äußerst schwer einzuschätzenden) Markt herauszuhalten und über den Tellerrand zu blicken. Der Aktienmarkt ist derzeit sehr heterogen Leider fällt einem dann womöglich auf, dass der Aktienmarkt derzeit insgesamt sehr schwer einzuschätzen ist, weil er schon seit einer Weile wenig homogen, sondern sehr heterogen ist. In den Medien ist häufig von „dem Aktienmarkt“ die Rede. Dort fallen so Sätze, wie: „Die Anleger am Aktienmarkt machen sich Sorgen um die Entwicklung der Leitzinsen. Die Aktienmärkte zeigten sich daher schwach.“ Doch aktuell muss man schon deutlich differenzieren, auf welchen Bereich des Marktes eine solche Aussage eigentlich gerade zutrifft. An vielen Tagen der vergangenen Wochen und Monate lag zum Beispiel der Dow Jones im Minus, während der Nasdaq 100 zeitgleich Gewinne erzielen konnte. Und durch die Stärke des Nasdaq 100 – oder auch des DAX – haben viele Anleger den Eindruck gewonnen, es liefe am Aktienmarkt insgesamt sehr gut, auch durch die Art und Weise der Berichterstattung der (Mainstream-)Medien. Doch wie Sie vielleicht aus vorangegangenen Ausgaben des Newsletters „Börse-Intern“ wissen, ist das ganz und gar nicht der Fall. Schein und sein Daher schrieb ich kürzlich einem Leser, es sei beeindruckend zu sehen, wie stark sich einige Aktienindizes charttechnisch präsentieren und wie sorglos die Anleger dadurch aktuell mit den Risiken umzugehen scheinen. Und weiter: „Aber wie ich bereits versucht habe darzulegen, erwecken lediglich einige Aktienindizes diesen Eindruck, wie insbesondere DAX, Nasdaq 100 und S&P 500. Der Dow Jones läuft dagegen schon seit Mitte Dezember nur seitwärts. Hier könnte man also argumentieren, dass die Anleger seit vielen Monaten lediglich abwarten und die Entwicklungen beobachten, sich also angesichts der Risiken nicht stärker in den Aktien des Dow Jones engagieren. Der STOXX Europe 600 folgt derweil den Gewinnschätzungen der Analysten, verhält sich also auch recht rational (siehe Börse-Intern vom vergangenen Donnerstag). Und TecDAX (siehe Börse-Intern vom 30. Juni), MDAX und SDAX (siehe Börse-Intern vom 2. Juni) notieren noch sehr weit von ihren Rekordhochs entfernt. Der DAX ist charttechnisch zwar weit gelaufen, aber fundamental relativ günstig bewertet.“ Eine Konsolidierung ist auch eine Art Korrektur Insofern hängt es bei der Beurteilung der Stärke des Aktienmarktes derzeit davon ab, wohin man genau schaut und aus welchem Blickwinkel (unter anderem charttechnisch oder fundamental). Und das gilt auch für die Frage, wo eine Korrektur fällig bzw. sogar überfällig ist. Außerdem gilt es zu berücksichtigen, dass eine überkaufte Marktlage auch durch Zeitablauf, also in Form einer Seitwärtstendenz abgebaut werden kann. Es müssen nicht zwingend große Gegenbewegungen sein. Die Seitwärtsphase im DAX zum Beispiel, die nun schon seit Mitte April und somit bereits fast ein Vierteljahr lang anhält (siehe Chart oben), könnte also eine große Gegenbewegung / Korrektur / einen stärkeren Rücksetzer ersetzen. Allerdings müsste sie dazu noch eine Weile anhalten, da sie im Verhältnis zum vorangegangenen Kursanstieg bislang noch relativ kurz ausfällt. Wie sieht es bei den anderen Aktienindizes aus? So unterscheiden sich die Aktienindizes Beim TecDAX kann man seit Anfang Februar eine Konsolidierung beobachten, die seit Mitte April in eine Korrektur übergegangen ist. Der MDAX hat Anfang Februar ein Hoch markiert und dann bis zum 21. März scharf zurückgesetzt. Seitdem herrscht eine Seitwärtstendenz. Beim SDAX lässt sich seit dem 18. Januar, spätestens seit dem 7. März eine volatile Seitwärtstendenz beobachten. Der Euro STOXX 50 konsolidiert seit dem 21. April. Der STOXX Europe 600 konsolidiert spätestens seit dem 19. Mai. Der Dow Jones läuft, wie bereits erwähnt, bereits seit Dezember seitwärts. In China laufen die Kurse schon seit Ende Januar abwärts (Hang Seng). Die einzigen (von mir regelmäßig beobachteten und besprochenen) Aktienindizes, bei denen man noch von Aufwärtstrends sprechen kann, sind der Nasdaq 100, der S&P 500 und der japanische Nikkei 225. Kann man vor diesem Hintergrund noch von „DEM“ Aktienmarkt sprechen? Würden sie angesichts dieser unterschiedlichen Kursentwicklungen eine grundsätzliche Kursstärke am Aktienmarkt sehen? Sind die Anleger vielleicht doch längst deutlich vorsichtiger, als es die Aufwärtstrends von nur 3 Aktienindizes suggerieren? Ich fühle mich jedenfalls wohler, wenn ich mich derzeit am (äußerst heterogenen) Aktienmarkt nicht so stark engagiere, nur ausgewählte Trades eingehe und derweil weiterhin auf Rücksetzer beim DAX und Nasdaq 100 (und dadurch auch beim S&P 500 und anderen Aktienindizes) warte. Ich wünsche Ihnen jedenfalls weiterhin viel Erfolg an der Börse Ihr Sven Weisenhaus www.stockstreet.de
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