Liebe Frau Do, bei „Maybrit Illner“ blieb er ziemlich stumm, aber eigentlich hat er viel zu sagen: Siegfried Russwurm kenne ich noch aus seiner Siemens-Zeit, das letzte Mal habe ich mich bei einem sonntäglichen Empfang vor gut einem Jahr unweit des Wannsees (damals ging das noch, Joschka Fischer schneite auch rein, so war Berlin…) mit ihm unterhalten. Vom BDI war damals noch keine Rede – jetzt ist er dessen neuer Präsident und spricht für die deutsche Industrie, also die Schlüsselbranche, und zwar in klaren, geraden Sätzen. Das zeigt sich in dem Interview, das Antje Höning und ich geführt haben: Der Lockdown müsse so schnell wie möglich aufhören, die Einführung der Frauenquote hätten sich die Männer selbst zuzuschreiben, und die AfD schade Deutschland. Beim Lockdown bröckelt es in NRW ein wenig. Die Schulen öffnen am Montag wieder, aber so richtig gut vorbereitet wurde das mal wieder nicht, wie Kirsten Bialdiga in ihrem Leitartikel schreibt. Die Kritik richtet sich nicht gegen die einzelne Schule oder Lehrkräfte, die oft an ihre Grenzen und darüber hinaus gehen, sondern gilt, mal wieder, der Schulministerin. Eine neue Corona-Schutzverordnung für NRW gibt es jetzt auch, und sie geht weiter als erwartet. Freizeitsport wie Tennis ist jetzt wieder möglich. Ein Ende des Lockdowns ist allerdings nicht in Sicht. Und wie Peter Altmaier zu verstehen ist, bleibt offen. Ich hatte Ihnen berichtet, wie der Bundeswirtschaftsminister über sein „Bild vor Augen“ sprach, bei besserem Wetter „ab Ostern irgendwann auch wieder die Außengastronomie“ zu öffnen. Er habe „die Vision, dass es möglich sein wird, das eine oder andere zu öffnen“. Auf unsere Bitte an das Ministerium, die „Vision“ zu erläutern, hieß es nur, die Äußerung des Ministers stehe für sich. Ziehen Sie also Ihre eigenen Schlüsse. Meiner lautet: Ostern machen allenfalls die Straßenlokale auf, an einen Tisch in einem Restaurant brauchen wir noch lange nicht zu denken und an einen Platz an einer Theke erst recht nicht. Säßen wir heute Abend in einer Bar, wäre die Chance groß, dass irgendwann „Drivers License“ läuft. Das ist aktuell der größte Hit der Welt, schon eine Woche nach Erscheinen erreichte das Lied Platz eins in 48 (!) Ländern. Gesungen wird er von Olivia Rodrigo, die heute ihren 18. Geburtstag feiert. „Wer?“, fragen Sie vielleicht – und hat sich Philipp Holstein auch gefragt und angefangen zu recherchieren. Mit One-Hit-Wonders hat er es nicht so, aber hier steckt für ihn mehr dahinter: unter anderem eine Liebesgeschichte (und ein Triumph). Bei vielen Liebesgeschichten, auch bei jener, spielen Männer eine Rolle, aber sie büßen gelegentlich durch ihr Verhalten Zuneigung ein. Ich bin sicher, dass Ihnen viele Beispiele einfallen. Eines davon ist das breitbeinige Sitzen im öffentlichen Raum, sei es in der U-Bahn oder in der Talkshow, auch „Manspreading“ genannt. „Wenn die Herren Platz nehmen“, heißt eine ebenso elegante wie treffende Analyse von Dorothee Krings. Die Leserinnen dieses Newsletters werden genau wissen, was sie meint. Und die Leser behaupten am besten, dass sie nie so dasitzen (und/oder geloben Besserung). Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr ich die Frühlingssonne, die seit gestern scheint, als Besserung empfinde. Das Leben ist einfach viel schöner so. Und ja, wir sollten uns trotzdem am Wochenende nicht alle an beliebten Plätzen tummeln. Am Montag melde ich mich wieder. Genießen Sie das Licht, die Wärme! Herzlich Ihr Moritz Döbler Mail an die Chefredaktion senden P.S.: Wenn Ihnen dieser Newsletter gefällt, empfehlen Sie die "Stimme des Westens" weiter! |