Liebe/r Leser/in, ich gehe mal davon aus, dass Sie, wie ich auch als Kind, Ihren Wunschzettel an den Weihnachtsmann mit der Hand geschrieben haben. Dass diese schöne Tradition heute anders funktioniert, damit habe ich mich spätestens seit dem ersten Advent dieses Jahres abgefunden. Mein Sohn antwortete auf meine Frage, was er sich denn zu Weihnachten wünsche, ohne zu zögern: „Steht alles auf einer Liste bei Amazon.“ Ich dazu: „Ich bin aber nicht bei Amazon!“ Er: „Dann melde dich doch an.“ Ich: „Keine Lust, dass die wissen, wer ich bin, was ich mag, was ich mir leiste oder nur anschaue.“ Mein Sohn daraufhin völlig fassungslos: „Warst du nicht mal beim Black Friday auf Amazon?“ Ich: „Julius, ich weiß ehrlicherweise gar nicht, was es mit diesem Black Friday auf sich hat …“ Er: „Bei Amazon gibt es da riesengroße Fernseher, die kosten nur noch die Hälfte!“ Dann erzählte er mir noch begeistert von einem Super-Shoppingtag namens Cyber Monday – und ich fühlte mich komplett hinterm Mond, ernüchtert, entzaubert; auch wenn ich jetzt als Digi-Doof dastehe. Es wäre zu einfach, Amazon nur als digitales Kaufhaus zu begreifen. Wie die Firma, die Jeff Bezos 1994 in Seattle gegründet hat, mittlerweile unser Leben und auch die Geschicke unserer Welt bestimmt, lesen Sie in der Titelgeschichte unserer Autorin Corinna Baier im aktuellen FOCUS – wie Bezos in nur 25 Jahren zum reichsten Mann der Welt aufstieg, wie er sich die Zukunft der Menschheit im Weltall vorstellt oder wie er durch seine vielfältigen Geschäftsbereiche versucht, die Kontrolle über das Leben seiner Kunden zu gewinnen. Die Sprachassistentin Alexa zum Beispiel ist mittlerweile in vielen Haushaltsgeräten, Autos, smarten Lautsprechern oder Kopfhörern integriert, hört Gespräche mit und weiß, ermächtigt durch künstliche Intelligenz, bereits vor uns, was wir wollen (oder auch nicht wollen). Wollen wir das? Amazon, Facebook, Google – das undurchsichtige Geschäft mit den Daten der Bürger rückt immer mehr in den Fokus der Politik. Die Europäische Kommission, deren neue Führung unter Präsidentin Ursula von der Leyen am Sonntag ihre Arbeit aufgenommen hat, untersucht nun, wie und welche Daten Google von seinen Nutzern sammelt und wie diese für Geschäfte benutzt werden. Ein Vorstoß, der überfällig war. Am Donnerstag dieser Woche war Friedrich Merz zu Gast in unserer Redaktion, wenige Tage nach der Entscheidung der SPD für ihre neue Parteispitze. Wir sprachen mit Friedrich Merz über die Konsequenzen für die große Koalition und seine Rolle bei einem möglichen Regierungswechsel. Das Interview mit dem CDU-Hoffnungsträger lesen Sie in der nächsten Ausgabe. |