| Dicke Luft in großen Kunsthöhen |
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Da steht Martina Hefter, eine Frau, deren Gestik man die Tänzerin anmerkt und die denn doch auf dieser Bühne nicht zu Hause ist. Gerade hat sie für ihren Roman „Hey, guten Morgen, wie geht es Dir?“ (erschienen bei Klett-Cotta) die marktwirksamste deutschsprachige Literaturauszeichnung zugesprochen bekommen, den Deutschen Buchpreis, und nun soll sie danken. Aber sie sei „wirklich wirklich wirklich überwältigt“, und man glaubt es dieser Autorin, obwohl sie plötzlich von einem Preis zum nächsten eilt, denn Hefters Buch hat sich hier gegen extrem starke Romankonkurrenz durchgesetzt: Maren Kames‘ „Hasenprosa“, Clemens Meyers „Die Projektoren“, Ronya Othmanns „Vierundsiebzig“, Markus Thielemanns „Von Norden rollt ein Donner“ und Iris Wolffs „Lichtungen“. | Andreas Platthaus | Verantwortlicher Redakteur für das Ressort „Literatur" und „Literarisches Leben“. | |
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| Andererseits war Martina Hefter Favoritin von Anfang an, weil es nur ein anderes Buch im Rennen um den Buchpreis gab, das ihr in der literarischen Konsequenz gleichkam – wenn auch auf ganz andere Weise: das von Clemens Meyer. Zwischen diesen beiden Romanen musste es sich an diesem Abend entscheiden, und dass die Wahl auf Hefter fiel, bedachte Meyer beim Herausstürzen aus dem Frankfurter Kaisersaal auf den regennassen Römerberg dem Vernehmen nach mit heftigen Flüchen. Nach 2013 ist er zum zweiten Mal auf der Shortlist zum deutschen Buchpreis gewesen. Wieder hat er nicht gewonnen.
Darüber hätte sie schweigen sollen | Damals war es „Im Stein“, auch ein grandioser Solitär, doch „Die Projektoren“ sind ihm noch viel besser geraten. Niemand schreibt so wie Meyer in der deutschsprachigen Literatur, nicht mit demselben bedingungslosen Mut zu Pathos und Genre, aber zum zweiten Mal ist es in seinen Augen nicht honoriert worden. Überraschend ist das leider nicht: In so zahlreich besetzten Jurys wie der zum Deutschen Buchpreis (sieben Mitglieder) wird es immer welche geben, die sich von dieser Literatur überfahren fühlen. Ist Martina Hefters Roman deshalb ein „Kompromisskandidat“? Unsinn, dafür ist er viel zu gut. Aber das böse Wort und den Gedanken daran hat sich die Jury selbst eingebrockt, in Gestalt ihrer Vorsitzenden Natascha Freundel, Kulturredakteurin beim RBB, die sich und die Arbeit ihrer sechs Kollegen beim Gespräch auf der Bühne vor Verkündung der Entscheidung um Kopf und Kragen redete. „Tja, es ist eine Kompromissentscheidung, und wir haben die Entscheidung getroffen“, sagte sie der Moderatorin des Abends, Julia Westlake, und die rettete diesen Unglückssatz nicht mit einer gnädigen Nachfrage, die eine Korrektur erlaubt hätte, sondern ließ ihn stehen. Danach folgte zudem noch ein schier endloses Bemühen seitens Freundels, möglichst viele Bücher der längst vergessenen Longlist zu würdigen, so dass man plötzlich meinen mochte, schon diese stärkste Shortlist seit vielen Jahren wäre ein Halbdutzend Kompromisskandidaten gewesen. Juroren sollten im kleinen Kreis urteilen und auf der großen Bühne schweigen. Alle anderen reden ja eh genug über die Resultate.
Ohne Not noch einmal mächtig verdichtet | Martina Hefter ist die zwanzigste Gewinnerin des Deutschen Buchpreises, alle früheren waren deshalb noch einmal eingeladen worden (wobei die meisten alle kamen). Auch Hefter, wie schon einige frühere Preisträger, begann als Lyrikerin. Die lyrische Schulung kommt der sprachlichen Präzision von Romanen zugute, und dass sie beim öffentlichen Dankesreden nicht notwendig weiterhilft – auch diese Erfahrung haben schon Vorläufer von Martina Hefter gemacht. Der Satz, der bleiben wird von ihren Worten nach der Entscheidung, richtete sich an eine Partei, deren Name bewusst nicht genannt sein sollte. In ihrem Roman, so Hefter, spielten Menschen eine wichtige Rolle, „die nach dem Willen dieser Partei nicht in der Mitte der Gesellschaft stehen sollten – Farbige, Behinderte, Diverse“. Weshalb „wir wachsam und laut sein dürfen“, sage sie ganz leise, aber der Beifall dafür war umso heftiger. Und vor ihr saß im Rollstuhl ihr Ehemann Jan Kuhlbrodt, der das Modell abgegeben hat für den schwerkranken Jupiter des Romans, einen Schriftsteller, der das Gegenstück zur Beweglichkeit seiner Frau Juno abgibt, einer Tänzerin. Kuhlbrodt dankte Martina Hefter als Erstem. Als Letzte kam dann Katharina Körber an die Reihe: „Wo hat man eine Lektorin, mit der man gemeinsam ins Tattoo-Studio geht?“, rief Hefter, nun doch einmal laut, und beide zeigten ihre tätowierten Wildbienen auf den Unterarmen. Da hätte Clemens Meyer mehr zu bieten gehabt, aber dessen „Romangebirge“ (Natascha Freundel, auch das eine verräterische Formulierung) hat Teile der Jury eben verschreckt. Das mag mit der Rede von der „Kompromissentscheidung“ gemeint gewesen sein: dass nicht alle mitwollten nach oben, wo die Luft ganz dünn wird. Dass nach der Veranstaltung dicke Luft herrscht, wäre wohl nie ganz zu vermeiden gewesen – wie gesagt: zu stark war diese Konkurrenz. Aber die Luft wurde ohne Not noch einmal mächtig verdichtet. Dabei spielt doch auch Hefters Roman ganz oben mit: mit seinem nach Olympbewohnern benannten Personal.
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| | | Was macht eine Krankheit aus der Liebe? Martina Hefters neuer Roman „Hey guten Morgen, wie geht es Dir?“ ist ein Triumph des Witzes und der Menschlichkeit. |
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| | | Es gibt es kaum etwas Schwierigeres, als Krankheit und Schmerz in die Sprache zu holen. Die Dichterin Martina Hefter porträtiert das Leben ihrer Schwiegermutter in einem Pflegeheim. |
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