Sicherheit ist planbar – aber nur, wenn man die Risiken kennt. Der russische Angriff auf die Ukraine, wirtschaftliche Abhängigkeiten und strategische Versäumnisse haben gezeigt, wie verwundbar Europa ist. Warum Deutschland eine nationale Risikoanalyse braucht und außenpolitisches Handeln im Epochenbruch neu gedacht werden muss, lesen Sie in dieser Ausgabe. Wir freuen uns, Patrick Keller als neuen Leiter unseres Zentrums für Sicherheit und Verteidigung zu begrüßen. Inmitten dieser außenpolitischen Umbrüche wird die DGAP 70 – und wird mehr denn je gebraucht: als Ideengeberin und Plattform für strategische Debatten in Deutschland. Dieses Jubiläum verstehen wir nicht als Rückblick, sondern als Auftrag. Lesen Sie mehr über unsere Jubiläumsaktivitäten auf unserer 70-Jahre-Website. Wir freuen uns, wenn Sie unsere Arbeit unterstützen und wünschen gute Lektüre! Deutschland braucht eine Nationale Risikoanalyse Die systematische Ermittlung der Bedrohungen für unser Land ist die Voraussetzung jeder neuen Sicherheitsstrategie von Thomas Kleine-Brockhoff, Otto Wolff-Direktor der DGAP Worum es geht: Deutschland erlebt einen Epochenwechsel. Wie bei der Wiedervereinigung steht das Land heute an der Schwelle zwischen alter und neuer Ordnung – mit dem Unterschied, dass die Lage diesmal ungleich düsterer ist. Eine stark vernachlässigte Verteidigungspolitik sowie eine verfestigte Rohstoff- und Exportabhängigkeit haben Deutschland auf gefährliche Weise verletzlich gemacht. Auf die neuerliche Zeitenwende ist es denkbar schlecht vorbereitet. Diesen Herausforderungen soll sich künftig der Nationale Sicherheitsrat im Bundeskanzleramt widmen, der laut Koalitionsvertrag unter anderem die Aufgabe hat, „strategische Vorausschau zu leisten“ und eine „gemeinsame Lagebewertung vorzunehmen“. Was auf dem Spiel steht: Auf dem Spiel steht Deutschlands außenpolitische Gestaltungsfähigkeit. Zwar wurde Deutschlands erste Nationale Sicherheitsstrategie, in der vergangenen Legislaturperiode vorgestellt, als Schritt in Richtung Strategiebildung verstanden. Allerdings versäumten es die Autoren des Dokuments, für das Land Prioritäten auf Basis einer fundierten Risikoanalyse zu etablieren. Das gilt es nun, nachzuholen. Was Deutschland braucht, ist die systematische Ermittlung von Risiken und Bedrohungen. Nur mit so einem einheitlichen und umfassenden Lagebild können politische Priorisierungen identifiziert und auf deren Basis öffentliche Mittel bereitgestellt werden. Der Nationale Sicherheitsrat dürfte künftig der Ort sein, an dem die Fäden für eine solche Nationale Risikoanalyse zusammenlaufen. Was zu tun ist: Viele Länder, auch Nachbarn Deutschlands, setzen Instrumente zur strategischen Vorausschau bereits intensiv ein. Die Vereinigten Staaten nutzen dafür die regelmäßig erscheinenden „Global Trends“ des National Intelligence Council; in Großbritannien erstellt und beurteilt der Nationale Sicherheitsrat Lagebilder; und Finnland betreibt systematische Zukunftsforschung und verzahnt dabei erfolgreich Exekutive und Legislative, Wissenschaft und Gesellschaft miteinander. Für das Design einer deutschen Risikoanalyse könnte die europäische „Strategie für eine krisenfeste Union“ aus dem Frühjahr 2025 dienen. Dieses Dokument benennt und analysiert nicht nur Bedrohungen und Gefahren. Es empfiehlt auch einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz, der Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft an diesem Prozess beteiligt. Fest steht: In einer Welt zunehmender Unordnung gilt es, die eigene Außen- und Sicherheitspolitik neu zu durchdenken – weg von reaktiver Krisenverwaltung und hin zu strategischer Zukunftsgestaltung. Lesen Sie mehr zum Thema im Beitrag „Sicherheitspolitik mit Strategie: Deutschland braucht eine Nationale Risikoanalyse“ von Thomas Kleine-Brockhoff, Daniela Schwarzer und Stefan Mair. |