eigentlich hat der Wahlkampf schon begonnen, sollte man meinen. Aber die CDU verfällt ausgerechnet jetzt in eine Art Beißhemmung gegenüber der gescheiterten und unbeliebten Restregierung von Olaf Scholz. Statt sie wegen der katastrophalen Lage des Landes immer wieder öffentlich zur Verantwortung zu ziehen, gönnt die CDU-Opposition ihr das potentielle Wohlfühlthema Deutschlandticket. Der Tag der Zustimmung dazu war ein guter Wahlkampftag für Scholz und Rot-Grün. Womöglich denkt manch einer in der Union bereits an die Koalitionsverhandlungen nach der Wahl mit Sozialdemokraten oder Grünen. Der gerade geschasste Ex-Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner weiß, was es bedeutet, mit den beiden zu koalieren. Im Interiew mit meinem Kollegen Volker Resing sagt er: „Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün wäre Ampel light“. Er will lieber in einer künftigen Regierung von Friedrich Merz für die Erhaltung der Marktwirtschaft kämpfen. Einer, der das verhindern will, ist der noch amtierende Wirtschaftsminister Robert Habeck. In einem satirischen Meme wurde er als „Schwachkopf“ bezeichnet. Das ist frech und kritisch – aber ist es wirklich ein Grund für eine Strafanzeige mit folgender Hausdurchsuchung? Der Wirtschaftsminister begreift diese Kritik als Majestätsbeleidigung und zeigt den Verbreiter des Memes an. Und die Justiz lässt sich von ihm in Marsch setzen. Ein überempfindlicher Minister und eine übereifrige Justiz – das ist im Rechtsstaat und in der Demokratie eine toxische Mischung, findet der Staatsrechtler Volker Boehme-Neßler. Schauen wir in zwei andere, für Deutschland als Verbündete besonders wichtige Länder, zunächst Frankreich. In einem seit sechs Wochen laufenden Prozess gegen die Präsidentschaftskandidatin des Rassemblement National, Marine Le Pen, hat die Staatsanwaltschaft nun in einem ganztägigen Plädoyer harte Strafen gefordert. Besonders brisant ist eine geforderte Sanktion: der Entzug des Wahlrechts, berichtet aus Paris Stefan Brändle. In den USA steht Donald Trump als Präsident fest. Mit seinem Erdrutschsieg haben die Republikaner das Weiße Haus zurückerobert und obendrein beide Kammern des Kongresses gewonnen. Und er sorgt mit jeder neuen Personalentscheidung für Erschütterung im Washingtoner Establishment. Aber war das furiose Comeback wirklich ein Triumph des bürgerlich-konservativen Amerikas? Cicero-Autor Ulrich Berls, der sich derzeit in den USA aufhält, bezweifelt das. Der Berliner Landesarchäologe Matthias Wemhoff warnt vor Geschichtsvergessenheit. Der Historiker verteidigt im Podcast-Gespräch mit Volker Resing das Kreuz auf dem Stadtschloss und beklagt die „sozialistische Stadtplanung“, unter der Berlin noch immer leide. Ihr Ferdinand Knauß, Redakteur |