Darum fiel der US-Arbeitsmarktbericht so schwach aus Die große Wende kommt am Anleihemarkt wieder in Gang
Darum fiel der US-Arbeitsmarktbericht so schwach aus von Sven WeisenhausIch möchte heute auf den US-Arbeitsmarktbericht für den Monat April zurückkommen, der deutlich unter den Markterwartungen zurückgeblieben war und damit auch die US-Notenbank überrascht hatte (siehe „Arbeitsmarktdaten meilenweit unter den Erwartungen“). Das gab einigen Marktexperten Rätsel auf. Und natürlich ist es interessant, was die wahrscheinlichen Gründe für dieses geringe Stellenwachstum sind. Für Sie als Börsianer stellt sich nämlich die entscheidende Frage: War es nur ein einmaliger Ausrutscher oder hat die US-Wirtschaft womöglich mittelfristig Probleme, welche der Arbeitsmarktbericht uns nun offenbart? Staatliche Hilfen höher als ein mögliches Gehalt Die Antwort auf diese Frage ist recht simpel: Offenbar sah sich ein großer Teil der Arbeitnehmer einfach nicht genötigt, sich einen neuen Job zu suchen oder in ihren alten Job zurückzukehren. Denn dank der großzügigen Sonderleistungen der US-Regierung fielen laut der US-Handelskammer für etwa ein Viertel der Arbeitslosen die staatlichen Hilfen höher aus als das Gehalt, welches zuvor verdient wurde und bei einem erneutem Arbeitsantritt gezahlt worden wäre. Zahl der offenen Stellen auf Rekordhoch Für diese Erklärung spricht auch eine Meldung des U.S. Bureau of Labor Statistics vom Dienstag vergangener Woche. Demnach erreichte die Zahl der offenen Stellen Ende März ein Rekordhoch von 8,1 Millionen, nach 7,5 Millionen offenen Stellen im Vormonat. Das ist der höchste Wert seit Beginn dieser Datenerhebungen im Dezember 2000, obwohl noch rund 10 Millionen US-Amerikaner offiziell als arbeitslos gelten. (Quelle: U.S. Bureau of Labor Statistics) Die Arbeitgeber haben also offensichtlich Probleme, vorhandene Stellen zu besetzen. Und dies bestätigt auch eine Umfrage der National Federation of Independent Business (NFIB), der landesweit größten Lobbygruppe für Kleinunternehmen. Demnach gaben 44 % der kleinen Unternehmen an, dass im April offene Stellen nicht besetzt waren. Und dieser Mangel an Arbeitskräften bremse sogar die Wirtschaft. Die US-Handelskammer forderte die Regierung daher auf, die vorübergehende Erhöhung des Arbeitslosengeldes um 300 US-Dollar zu beenden, das planmäßig erst im September ausläuft. Inzwischen wird berichtet, dass einige Bundesstaaten den Druck auf Arbeitslose erhöhen. Montana und South Carolina sollen sogar beschlossen haben, die Auszahlung der zusätzlichen Bundesleistungen einzustellen. In Zukunft dürften die Arbeitsmarktberichte daher deutlich besser ausfallen. Weniger Entlassungen Darauf deuten auch bereits die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe hin, die am vergangenen Donnerstag veröffentlicht wurden. Sie fielen mit 473.000 auf den niedrigsten Wert seit Beginn der Pandemie. Das US-Handelsministerium machte allerdings auch die Angst vor einer Infektion mit dem Corona-Virus für den schwachen Arbeitsmarktbericht verantwortlich. Außerdem konnten laut dem Ministerium viele Eltern nicht arbeiten, weil sie sich aufgrund von geschlossenen Schulen und Kindergärten um ihre Kinder kümmern mussten. Diese Probleme dürften aber mit der fortschreitenden Impfkampagne gelöst werden, so dass auch dies für einen deutlich stärkeren Arbeitsmarkt im Mai spricht. Lohn-Preis-Spirale scheint in Gang zu kommen Das entscheidende Problem dabei ist, dass Wirtschaftswissenschaftlern zufolge auch höhere Löhne die Menschen zurück in die Arbeit bringen werden. Und das dürfte eine Lohn-Preis-Spirale in Gang bringen, also die Inflation weiter antreiben. Dazu passt wiederum auch die Meldung vom vergangenen Donnerstag, dass die US-Erzeugerpreise im April so stark gestiegen sind wie noch nie seit Beginn der aktuellen Zeitreihe 2010. Im Vergleich zum Vorjahresmonat liegt das Plus bei 6,2 %, teilte das Arbeitsministerium mit. Im März hatte der Zuwachs 4,2 % betragen. Beachtet man nun auch noch die Aussage des Chefs der Notenbank von St. Louis, James Bullard, ebenfalls vom vergangenen Donnerstag, wonach sich die US-Konjunktur am Übergang von einer Erholung zur Expansion befindet, dann sollte klar sein, wohin die Reise in Sachen Geldpolitik bald geht. US-Wirtschaft auf der Schwelle von Erholung zu Expansion Nach Einschätzung von Bullard wird die Wirtschaftsleistung der USA Ende Juni neue Bestmarken erklimmen. Kurz vor der Corona-Pandemie hatte das reale Bruttoinlandsprodukt ein Rekordhoch von 19,2 Billionen Dollar erreicht. In den ersten drei Monaten 2021 betrug es auf annualisierter Basis 19 Billionen Dollar. Damit hatten die USA ihre Erholung vom Abschwung der Pandemie schon fast abgeschlossen. Und mit der fortschreitenden Öffnung dürfte die US-amerikanische Wirtschaft ab dem 3. Quartal wieder in die Expansionsphase des Konjunkturzyklus eintreten. Fällt der nächste Arbeitsmarktbericht dann auch noch entsprechend stark aus und zieht die Inflation weiter an, wird es der US-Notenbank immer schwerer fallen, ihr Festhalten an dem aktuellen Volumen der Anleihekäufe zu begründen – mit entsprechenden Konsequenzen für den Anleihe- und den Aktienmarkt.
Die große Wende kommt am Anleihemarkt wieder in Gang von Sven WeisenhausAm Anleihemarkt scheint sich diese Erkenntnis wieder verstärkt durchzusetzen. In den USA konsolidiert die Rendite 10-jähriger Staatsanleihen zwar noch auf hohem Niveau seitwärts, aber nach dem Tief, welches am Tag der Veröffentlichung des US-Arbeitsmarktberichtes markiert wurde (siehe Pfeil im folgenden Chart), scheint es bereits wieder tendenziell aufwärts zu gehen. Und hierzulande hat der Bund-Future sogar schon ein neues Korrekturtief markiert (siehe folgender Chart). Die Renditen haben ihren Aufwärtstrend also bereits fortgesetzt. Die Rendite der 10-jährigen Bundestitel erreichte kürzlich ein 14-Monats-Hoch von -0,142 %. Zuletzt hatte ich den Bund-Future am 2. März analysiert. Damals hatten sich die Kurse von einer dynamischen Abwärtsbewegung ebenso dynamisch erholt. Dies „war für die Aktienmärkte ein deutliches Signal der Entspannung und stark kurstreibend“, hieß es in der damaligen Analyse. Doch ich hatte Zweifel an der Nachhaltigkeit dieser Entwicklung. „Ob sich die Investoren und Anleger durch bloße verbale Interventionen der Notenbanker nachhaltig von ihrer Markteinschätzung und Inflationserwartung abbringen lassen, muss sich noch zeigen“, schrieb ich dazu. Und: „Ich gehe davon aus, dass hier eine große Wende in Gang gesetzt ist.“ Anschließend konsolidierten die Kurse im Bund-Future seitwärts, womit sich Aktieninvestoren wieder einigermaßen sicher fühlten und erneut in Aktien investierten. Doch nun scheint die Abwärtsbewegung bei den Anleihekursen wieder Fahrt aufzunehmen. Und dies könnte die Aktienanleger bald erneut verunsichern. Rekordhoch im DAX eine Bullenfalle? Der DAX hat heute noch ein neues Rekordhoch markiert. Das Niveau konnte aber nicht gehalten werden. Und so setzt sich die Seitwärtstendenz mit ihrem wilden Auf und Ab auf hohem Niveau fort (siehe auch gestrige Analyse von Torsten Ewert). Die US-Indizes hinken etwas hinterher und konnten ihre jüngsten Verluste noch nicht vollständig aufholen. Kommt es nun wieder zu fallenden Kursen, könnte sich ein tieferes Hoch ausbilden. Und zusammen mit der Bärenfalle im DAX wären dann Topbildungen möglich. Gelingt aber eine Fortsetzung der Kurserholungen, wird es bis zu einer größeren Korrektur am Aktienmarkt wohl noch etwas dauern. – In so einer Situation macht es Sinn, sehr genau auf die Aktienmärkte UND die Anleihemärkte zu schauen. Natürlich werde auch ich die weitere Entwicklung beider Märkte genau beobachten, und darüber berichten, hier in der Börse-Intern. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg an der Börse Ihr Sven Weisenhaus www.stockstreet.de
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