| Guten Morgen, der Wahlkampf 2021 könnte unerwartet spannend werden – die Frage ist nur, welcher Wahlkampf. Und das kommt so: Dr. Franziska Giffey, die ohne Zwischenlandung auf der Landesebene von der Bezirks- in die Bundespolitik durchgestartet ist, darf ihren Doktortitel behalten. Das Präsidium der FU lässt sie mit einer Rüge davonkommen, weil sie in ihrer Dissertation die „Standards wissenschaftlichen Arbeitens nicht durchgehend beachtet hat“. Dieser ausnahmsweise mal vermiedene Totalschaden eröffnet der SPD ganz neue Möglichkeiten. Eine Option ist Giffeys Spitzenkandidatur fürs Rote Rathaus in zwei Jahren. Michael Müller kann sich dann ohne allzu großen Gesichtsverlust in den Bundestag verabschieden und hätte mit Giffey eine Nachfolgerin, die – wie niemand sonst in der SPD – nicht nur die bekanntlich recht überschaubar gewordene SPD-Stammwählerschaft mobilisieren, sondern auch links und vor allem rechts davon abräumen könnte: Es dürfte eine Menge Leute geben, die sich unter Freiheit etwas anderes vorstellen als die allumfassende Berliner Verwahrlosung und die es auch in Ordnung fänden, wenn hin und wieder mal eine Regel durchgesetzt würde – und die mit der Berliner Dregger-Wegner-Wansner-CDU trotz alledem wenig anfangen können. Für diese Variante müsste Giffey allerdings unfallfrei die Abgründe des Berliner SPD-Landesverbandes überwinden. Bei dem weiß man ja nie, ob er sich hinter einer Spitzenkandidatin ohne allzu strengen Stallgeruch scharen mag oder doch den prinzipientreuen Untergang vorzieht. Dem könnte Giffey mit der zweiten Variante entkommen, die sich gut vernetzte Koalitionäre ausmalen: Ums Rote Rathaus hätte sich Giffey selbst mit aberkanntem Titel bewerben können, lautet ihre Version. Nun aber kann sie sich den tief gespaltenen und teilweise radikal linken Berliner SPD-Verband ersparen – und auf der Bundesebene bleiben. Als Kanzlerkandidatin. Wenn irgendwer das Zeug habe, die SPD aus dem Jammertal zu führen, dann Giffey: Ost-Biografie, Regierungserfolge (die Gruselgeschichten von kollabierten Behörden kamen nie aus Neukölln), Ehrgeiz, Charisma und diese Kombination aus Empathie und Konsequenz, mit der einst Heinz Buschkowsky berühmt wurde. Der Vollständigkeit halber sei noch das „Modell Willy Brandt“ als dritte denkbare Variante erwähnt: 2021 ein klarer Sieg für die SPD in Berlin und später die Kanzlerkandidatur. Mag sein, dass diese These steil ist, aber angesichts der aktuellen Konkurrenz sowohl im Land als auch im Bund scheint sie auf den zweiten Blick schon weniger abwegig als auf den ersten. | |