● Wald: neue Hiobsbotschaft |
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stellen wir uns zwei Szenen vor. Einerseits: Irgendeine AfD-Knallcharge läuft durch Berlin und bejubelt die 181 Raketen, die der Iran jüngst über Tel Aviv niederregnen ließ. Die Folgen wären mindestens Festnahme und wochenlange Empörung bis hoch ins Kanzleramt. Andererseits: Ein Mob mit vielen Kopftüchern und Palästinensertüchern zieht ähnlich jubelnd durch den Stadtteil Wedding und skandiert „Yallah Yallah Intifada“. Bei diesem ganz aktuellen und sehr realen Fall ging es nicht so sehr um Freiheit fürs palästinensische Volk, sondern um blanken Judenhass. Findet in Berlin seit Monaten regelmäßig statt. Die Reaktion der sog. Zivilgesellschaft? Eher Schulterzucken. „Erst nach langem Zögern löst die Polizei die Party der Terror-Unterstützer auf“, notierte „Bild“. Vielleicht hatten die Beamten einfach Sorge, dass man ihnen selbst Rassismus vorwerfen könnte? Das geht in Deutschland nämlich schnell. Der Grünen-Politiker Cem Özdemir erzählte jüngst in einen Essay für die „FAZ“ von seiner Tochter: Wenn die in Berlin unterwegs sei, komme es „häufiger vor, dass sie oder ihre Freundinnen von Männern mit Migrationshintergrund unangenehm begafft oder sexualisiert werden“. Der Aufschrei aus seiner eigenen Partei war ihm so sicher wie das Tremolo von linken Aktivisten wie Annika Brockschmidt, die Özedmirs Sorge um seine Tochter wegen illegaler Migration als das „sexistischste, rassistischste Klischee schlechthin“ brandmarkte. |
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| Jubelnde Menge in Berlin-Wedding nach dem iranischen Raketenangriff auf Israel (© dpa) |
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Einem Grünen mit türkischen Wurzeln wird übelste Ausländerfeindlichkeit vorgeworfen, wenn er auf missglückte Asylpolitik hinweist? Darauf muss man erst mal kommen. Aber damit sind wir zugleich bei der dritten Variante von Judenhass: dem linken. Das begann an US-Eliteunis und zeigt sich auch in Deutschland längst auf allen Ebenen: In vielen Bundesländern wurde ein enormer Anstieg von Antisemitismus mit Israel-Bezug festgestellt. Jüdische Studenten werden von Kommilitonen attackiert. Die Jüdische Studierendenunion Deutschland (JSUD) schrieb in einem offenen Brief an Außenministerin Annalena Baerbock: „Wir fühlen uns im Stich gelassen.“ Baerbock ist leider eher Teil des Problems als der Lösung: Die Tötung von Hisbollah-Chef Nasrallah nannte sie „in keinster Weise im Interesse der Sicherheit Israels“. Zur Erinnerung: Nasrallah und seine Finanziers im Iran haben sich der totalen Auslöschung Israels verschrieben. Apropos: Am Montag jährt sich das Massaker, dem am 7. Oktober 2023 auf israelischer Seite 1139 Menschen zum Opfer fielen. Was passiert derweil in Berlin? Fürs Wochenende wurden mehrere Demos angemeldet, die u.a. gegen „Ein Jahr Genozid“ protestieren wollen und den blutigen Terror der Hamas als „Widerstand” verharmlosen. So viel Täter-Opfer-Umkehr war selten. So viel offener Judenhass auf deutschem Boden auch schon lange nicht mehr. In Deutschland scheint es drei Arten von Antisemitismus zu geben: islamistischen, linken und rechten. Aber nur Letzterer gilt in manchen Kreisen als No-Go. Wobei ich glaube, dass es einem Juden in Deutschland letztlich ziemlich egal ist, wo der Hass wurzelt, der ihn existenziell bedroht. Oder irre ich mich? Schicken Sie mir gern Ihren Standpunkt: feedback@focus-magazin.de. |
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| Der ukrainische Präsident Selenskyj (links) mit Nato-Generalsekretär Rutte in Kiew (© Imago/Bestimage) |
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Die Lage der Ukraine vorm Nato-Gipfel |
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Eine Woche vor dem Gipfeltreffen von US-Präsident Joe Biden zur Zukunft der Ukraine auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz bleibt die Lage des Landes angespannt und unübersichtlich. Ein Überblick: Der neue Nato-Generalsekretär Mark Rutte besuchte nur zwei Tage nach Amtsantritt die Ukraine, „um allen Beobachtern klarzumachen“, dass die Nato an der Seite der Ukraine stehe. Die Ukraine hält weiterhin Teile der russischen Oblast Kursk, obwohl Putin den 1. Oktober als Befreiungsdatum befohlen hatte. Russland macht dafür an mehreren ukrainischen Orten im Osten der Ukraine Fortschritte, unter anderem bei Kupjansk, Pokrowsk und Wuhledar. Vor allem eine Einnahme des Ortes Wuhledar könnte taktisch die Lage der Ukraine verschlechtern. Es liegt zwischen Ost- und Südfront. Ukrainische Kampfdrohnen griffen zuletzt den russischen Militärflughafen Borissoglebsk im Gebiet Woronesch an. Der Luftwaffenstützpunkt liegt gut 340 Kilometer von ukrainisch kontrolliertem Gebiet entfernt. Bei einem russischen Bombenangriff auf Charkiw wurden dem ukrainischen Rettungsdienst zufolge mindestens zehn Menschen verletzt worden. |
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| Autos der chinesischen Marke BYD für den Export (© dpa) |
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Kommen heute Strafzölle auf Chinas E-Autos? |
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Die Abstimmung: Am heutigen Freitag wollen die EU-Mitgliedstaaten abstimmen, ob die EU-Kommission Zusatzzölle in Höhe von 35 Prozent auf E-Auto aus China erheben soll. Die Lage: Die Kommission wirft China vor, den Markt durch starke Subventionen zu verzerren. Ende 2023 gab es laut EU bereits 182 Schutzmaßnahmen gegen Preisdumping und Subventionierung – die meisten gegen China. Die Positionen: Frankreich, Italien, Griechenland und Polen etwa stehen hinter den Plänen der Kommission. Nicht so die Exportnation Deutschland. Bundesregierung und deutsche Autoindustrie fürchten einen Handelskrieg. Laut Autoverband VDA wäre der drohende Schaden größer als der mögliche Nutzen. In einer Umfrage des Institut der deutschen Wirtschaft (IW) befürworteten hingegen mehr als 80 Prozent von gut 900 befragten deutschen Firmen die Maßnahme. Die chinesische Regierung wiederum wirft der EU Protektionismus vor und droht mit Gegenmaßnahmen. So gehts weiter: Sollten die Zölle wie erwartet kommen, gelten sie ab November. So oder so sollen die Verhandlungen mit China fortgesetzt werden. „Sinn der Operation ist nicht, jemanden abzustrafen, sondern zu verhandeln und Wettbewerbsgleichheit zu schaffen“, sagte der Europaabgeordnete Bernd Lange (SPD) unserer Brüssel-Korrespondentin Marlene Brey. Der entscheidende Tag sei der 30. Oktober. Bis dahin kann die chinesische Seite Vorschläge unterbreiten. „Es ist klar, dass alle pokern und zwar bis zum Schluss.“ |
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| Unternehmer Martin Herrenknecht (© Sebastian Heck für FOCUS) |
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3 Fragen zu Deutschland an ... |
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... Martin Herrenknecht Wie erleben die klugen Köpfe der Republik den aktuellen Zustand ihrer Heimat? Wir haben mal nachgefragt und präsentieren Ihnen in den nächsten Tagen die Antworten: Wenn Sie an Deutschland denken – worauf sind Sie stolz? Die Heimat. Ich bin hier im Ortenaukreis aufgewachsen. Wunderbare Gegend, tolle Leute. Was nervt Sie aktuell am meisten am Land? Dreierlei: Bürokratie, die Politik der Ampel und Grüne, die sich als Religionsgemeinschaft verstehen. Welche Idee sollte am besten sofort umgesetzt werden? Der Ausbau der Infrastruktur. Ohne Glasfaser, eine pünktliche Bahn, gute Anbindungen bis in den ländlichen Raum und digitale Netze ist heute alles andere nichts. |
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| Knapp ein Drittel der Fläche Deutschlands ist bislang Wald (© dpa) |
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Der deutsche Wald macht schlapp |
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Bisher war der Wald ein CO2-Speicher par excellence. Jedes Jahr zog er Millionen von Tonnen Treibhausgase aus der Luft. Ab 2030 aber wird wahrscheinlich gar nichts mehr gebunden. Im Gegenteil: Er gibt CO2 wieder ab. So fällt jedenfalls die Bilanz der 4. Bundeswaldinventur aus, die nächste Woche veröffentlicht wird. FOCUS Briefing hat schon die ersten (schlechten) Ergebnisse, die eine Prognose des Öko-Instituts in Freiburg bestätigen: Der deutsche Wald macht schlapp. Insbesondere die Fichte stirbt im großen Maßstab. Das sind keine guten Nachrichten für den Wald, für die Umwelt und für die Bundesregierung. So wird sie ihr gesetzlich festgelegtes Klimaziel der CO2-Neutralität bis 2045 nicht erreichen. Dabei hatte sie erst Ende 2022 ein 900 Millionen Euro schweres Förderprogramm für den Wald vorgestellt. |
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Gewinnerin: Seit mehr als 30 Jahren kämpft Joan Carling, 61, schon für die Rechte indigener Völker auf den Philippinen und darüber hinaus. Morddrohungen, unrechtmäßige Verhaftungen und Terrorismusvorwürfe konnten die Menschenrechtlerin nicht stoppen. Dafür wurde sie nun mit dem Right Livelihood Award ausgezeichnet, besser bekannt als Alternativer Nobelpreis. Herzlichen Glückwunsch! | |
Verliererin: Zehn Jahre lang saß Bettina Orlopp im Vorstand der Commerzbank. Sie sei eben eine „treue Seele”, sagte die promovierte Betriebswirtin und frühere McKinsey-Beraterin. Orlopp, 54, wurde Finanz-Chefin, dann Stellvertreterin von CEO Manfred Knof. Seit Anfang des Monats ist sie endlich ganz oben – und doch nur Boss auf Abruf. UniCredit-Chef Andrea Orcel bereitet die Übernahme der Frankfurter vor. Da müssen die mit eingekauften Führungskräfte oft als erstes gehen. Wir drücken trotzdem die Daumen! | |
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... möchte ich mich sehr herzlich bedanken bei den Leserinnen und Lesern unserer ersten FOCUS Briefings in dieser Woche. Hunderte von überwiegend begeisterten Mails haben uns erreicht. Ein paar Kostproben möchte ich hier mit Ihnen teilen: „Ich habe soeben das erste Briefing gelesen und bin begeistert. Aufmachung und Inhalt überzeugend. Kurz, klar und interessant.“ Heinrich R. „Gefällt mir sehr! Und Ihre Einschätzung zu Jordanien teile ich voll – bin selbst vor einigen Jahren dort gewesen.“ Ulrike S. „Der Schreibstil ist erfrischend, die Perspektive nachvollziehbar und scheint mir auch nicht ideologisch festgefahren. Das passt gut zu meinem morgendlichen Kaffee!“ Klaus-Peter R. „Trifft den Nagel auf den Kopf!“ Bettina M. | „Wunderbar, dass Sie einen Perspektivwechsel vorschlagen. Die allgemeine Berichterstattung wiederholt allzu oft gebetsmühlenartig die gleichen Floskeln und verharrt in einspuriger Denkweise. Da ist so eine andere Sichtweise sehr hilfreich, um sich eine breitgefächerte Meinung bilden zu können.“ Ingeborg S. „Dieses neue Briefing ist zwar grundsätzlich gut und informativ, aber für mich ist es zu umfangreich. Ich lese nicht gern so viel Text auf dem Bildschirm.“ Reiner P. „Kurz und bündig, innovativ, informativ, auf das Wesentliche beschränkt, mit einer Prise Humor & Satire, das gefällt!“ Roland G. „Jefällt mir ausjesprochen juut, Ihre lockere Schreibweise und die frische Art der Darstellung. Davon würde ich gern mehr lesen.“ Dieter A. Wird gemacht, lieber Herr A.! Am Montag geht’s weiter. Dann unter der Ägide meiner Kollegin Tanit Koch, mit der ich mich künftig wochenweise abwechseln werde. Auf weitere Post von Ihnen freuen wir uns beide. Ein schönes Wochenende wünsche ich Ihnen! Herzliche Grüße | | Thomas Tuma |
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