Liebe Frau Do, in unserer Weihnachtsausgabe haben wir uns – der christlichen Kultur verpflichtet, aber auch der Aktualität entsprechend – einem Phänomen gewidmet, das dieses Jahr irgendwie zu kurz gekommen ist: der Stille. Ich erinnere mich nicht, dass der öffentliche Diskurs, die politische Debatte, die Kommunikation in den sozialen Netzwerken und die Gespräche auf den Straßen je von einer so erregten Tonalität geprägt waren wie in diesem Jahr. Die Welt ist in Unordnung, weil Lautsprecher wie US-Präsident Donald Trump, Russlands Staatschef Wladimir Putin oder der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ihren Egozentrik-Trip zum Maßstab einer nationalistischen Weltpolitik gemacht haben. Nie war das politische Klima in den USA, immerhin die wichtigste Weltmacht im Westen und trotz allem der engste Partner Europas, so „gespalten, wütend und böse“, wie es der frühere US-Präsident Barack Obama neulich treffend formuliert hat. Frank Herrmann blickt auf ein Jahr mit Donald Trump zurück, das mitunter fassungslos machte. Aber auch in Europa herrscht Aufruhr, rechtsnationale Parteien, die Brüssel für den Inbegriff des Bösen halten, gewinnen überall hinzu, die Überzeugungs-Europäer haben es schwer. Wie weit weg scheint das, was 1990 in der „Charta von Paris“ 32 europäische Länder sowie USA und Kanada unterzeichnet hatten. Das Ende der Ost-West-Spaltung, es werde ein „neues Zeitalter der Demokratie, des Friedens und der Einheit" anbrechen, hieß es damals. Was ist davon geblieben? Bei den Europawahlen im Mai 2019 wird man es sehen. Warum wir die Stille nach diesem Jahr dringend brauchen, analysiert Lothar Schröder. Optimistisch stimmt, was im Verborgenen in diesem Land passiert. Wo das Scheinwerferlicht meist nicht mehr hinkommt. Die Rede ist von den Hunderttausenden, die sich im Alltag für andere Menschen engagieren und dafür kein Geld und wenig Aufmerksamkeit bekommen. Diejenigen, die helfen, wo kein Staat mehr hilft. Die da sind, wenn kein anderer da ist. Die ehrenamtlich Tätigen sind gerade jetzt an den Weihnachtstagen wieder in den Gemeinden zu erleben, sie sind der Kitt der Gesellschaft, selbst wenn die Repräsentanten der Erregungsdemokratie so aufgeregt daherkommen. Unsere Redaktion hat stellvertretend für alle fünf dieser stillen Helden bei ihrem Wirken beobachtet. Unser Schwerpunktthema „Stille“ blickt natürlich auch auf das Musikstück zurück, das vor 200 Jahren, an Heiligabend 1818, im österreichischen Oberndorf bei Salzburg zum ersten Mal aufgeführt wurde: „Stille Nacht“. Ein Gedicht, nur sechs Strophen, vertont von Franz Xaver Gruber in D-Dur, 6/8-Takt. Zutaten für einen Hit, der an diesem 24. Dezember wieder von Millionen Menschen in den Kirchen und Wohnzimmern gesungen wird. Lothar Schröder erklärt den Erfolg eines Musikstücks, das irgendwie auch eine Friedensbotschaft ist. Dass Journalisten keine Geschichten erfinden, sondern die Realität beschreiben sollten, kann man vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse bei einem wichtigen Hamburger Nachrichtenmagazin nicht oft genug betonen. Auch für die Rheinische Post gilt der Leitsatz: Schreiben, was ist. Aber an Weihnachten machen wir eine Ausnahme und lassen unseren fantasievollen Kulturredakteur Wolfram Goertz eine besinnliche Geschichte erfinden. Dieses Mal führt sie uns in das niederrheinische Dorf Güldern, in dem drei Tage vor dem Fest der Kirchengemeinde der Weihrauch ausgeht. Einer der eher stillen Vertreter in der Politik ist Paul Ziemiak. Der neue CDU-Generalsekretär führt zwar den „Kampfverband“ der Partei, die Junge Union. Er ist als deren Vorsitzender aber nie der Lautsprecher gewesen, der öffentlich poltert und Ansprüche anmeldet. Manch einer findet gar, dass der gebürtige Pole, wohnhaft in Iserlohn, zu angepasst sei. Für die neue CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer soll Ziemiak nun die junge Generation und den konservativen Flügel der Partei einfangen, der Friedrich Merz nachtrauert. Ziemiak selbst hat im zweiten Wahlgang Merz gewählt, will sich jetzt aber „in die Pflicht nehmen“ lassen, wie er im Interview erklärt. Herzlichst Ihr Michael Bröcker Mail an die Chefredaktion senden P.S.: Wenn Ihnen dieser Newsletter gefällt, empfehlen Sie die "Stimme des Westens" weiter! |