| ePredigt vom 16.08.2020 (Römer 11, 25-32) Liebe Gemeinde, ich begrüße Sie alle ganz herzlich am heutigen 10. Sonntag nach Trinitatis. Den Predigttext für den heutigen Sonntag finden wir im 11. Kapitel des Römerbriefes, die Verse 25-32. Lassen Sie uns diesen Text zunächst gemeinsam lesen: Israels endliche Errettung Ich will euch, liebe Brüder, dieses Geheimnis nicht verhehlen, damit ihr euch nicht selbst für klug haltet: Verstockung ist einem Teil Israels widerfahren, so lange bis die Fülle der Heiden zum Heil gelangt ist; und so wird ganz Israel gerettet werden, wie geschrieben steht (Jesaja 59,20; Jeremia 31,33): " Es wird kommen aus Zion der Erlöser, der abwenden wird alle Gottlosigkeit von Jakob. Und dies ist mein Bund mit ihnen, wenn ich ihre Sünden wegnehmen werde." Im Blick auf das Evangelium sind sie zwar Feinde um euretwillen; aber im Blick auf die Erwählung sind sie Geliebte um der Väter willen. Denn Gottes Gaben und Berufungen können ihn nicht gereuen. Denn wie ihr zuvor Gott ungehorsam gewesen seid, nun aber Barmherzigkeit erlangt habt wegen ihres Ungehorsams, so sind auch jene jetzt ungehorsam geworden wegen der Barmherzigkeit, die euch widerfahren ist, damit auch sie jetzt Barmherzigkeit erlangen. Denn Gott hat alle eingeschlossen in den Ungehorsam, damit er sich aller erbarme. Liebe Gemeinde, heute ist Israelsonntag. Am 10. Sonntag nach Trinitatis begehen wir seit Jahrzehnten diesen Gedenktag. Früher galt dieser Tag als Erinnerung daran, dass sich Israel unbedingt bekehren muss und dieser Tag soll uns daran erinnern, dass wir diesbezüglich mit unseren Missionsbemühungen nicht nachlässig werden. Lassen Sie uns doch einmal gemeinsam darüber nachdenken, was es denn damit auf sich hat. 1. Der untrennbare Glaube Wir kommen in den Himmel und die Juden müssen sich erst noch bekehren um auch dahin zu kommen. Das hört man immer wieder. Lassen Sie uns aber bitte auch daran denken, dass unser Christentum aus dem Judentum erwachsen ist. Ohne Judentum gäbe es uns Christen überhaupt nicht. Wem das noch nicht reicht, dem sei die Kreuzinschrift "INRI" anempfohlen. " Jesus Nazarenus Rex Judeorum" Wenn Jesus also als König der Juden gekreuzigt worden ist, dann war Jesus natürlich auch ein Jude. Und die ersten Gemeinden bestanden ausschließlich aus Juden. Denken wir dann noch an den Apostel Paulus, der ja ein jüdischer Gelehrter war; heute wäre er vermutlich Professor der Theologie. Auch als ein an Jesus gläubiger Mensch blieb er doch nach wie vor auch ein Jude. Also wir und die Juden sind gar nicht so weit voneinander entfernt, wie wir manchmal glauben mögen. Ich glaube die weltweiten Judenverfolgungen zu allen Zeiten seit der Zeit des Alten Testamentes haben einen derart tiefen Keil eingetrieben, dass wir die Gemeinsamkeiten oftmals gar nicht mehr sehen, sondern nur noch das trennende wahrnehmen. 2. Verhältnis Juden zu Christen In seinem Römerbrief widmet sich Paulus sehr intensiv diesem Verhältnis der Christen zu den Juden. Paulus leidet sehr darunter, dass Juden und Christen äußerlich offensichtlich sehr verschiedene Wege gehen. Christen sagen ja gern, dass sie die einzige Wahrheit haben und dass das Heil von den Juden auf die Christen übergegangen ist. Damit, liebe Gemeinde, machen wir es uns nun doch etwas zu einfach. Wenn wir uns das Alte Testament betrachten, dann beginnen ja schon mit Mose und den Propheten die Hinweise auf unseren Herrn. Das ganze Alte Testament ist eine gewaltige Prophetie hinweisend auf unser aller Heil. Wenn die Juden explizit von diesem Heil ausgenommen wären, wozu hat Gott dann durch seine Propheten zu den Juden geredet? Das wäre ja so, als wenn Gott gesagt hätte: "Ich zeige euch mal den Himmel, wo ihr sowieso nicht hinkommt." In dem Römerbrief verwendet Paulus weiterhin auch sehr trefflich das Ölbaumgleichnis. Nicht wir als neu eingepfropfte Zweige tragen die Wurzel, sondern die Wurzel trägt uns als neue Zweige. 3. Das Geheimnis Gottes Liebe Gemeinde, viele Dinge der Bibel werden wir niemals so ganz verstehen und diese Geheimnisse Gottes werden sich uns wahrscheinlich erst dann offenbaren, wenn wir im Himmel angekommen sind. Wie können wir aber hier auf Erden mit der Situation Juden und Christen am besten umgehen? Nun, gehen wir einmal davon aus, dass Paulus recht hat, wenn er sagt, dass Gott allen Menschen gegenüber gnädig ist ohne Ansehen der Person. Gottes Gnade wird immer größer sein als das "Nein" Israels zu Jesus. Und Gottes Gnade wird auch immer größer sein als unsere Untreue ihm gegenüber. Wenn wir es so wollen, dann ist jede Untreue unsererseits auch ein indirektes "Nein" zu Gott. Denn wenn ich jemandem untreu werde, dann wende ich mich ja schließlich von ihm ab und möchte nichts mehr mit ihm zu tun haben. Gott sei Dank, dass Gott gnädiger ist, als wir es uns vorstellen können. Gott hat seine erste Liebe, also Israel verlassen und sich seiner zweiten Liebe also uns zugewandt. Das kann man aber auch nicht so im Raum stehen lassen, weil dies brandgefährlich wäre, wenn es so ist. Wenn Gott seine erste Liebe verlässt um meinetwillen, wer gibt mir denn die Garantie, dass Gott mich nicht auch verlässt und sich einer neuen Liebe zuwendet? Ich glaube, wer für die großen Fragen immer gleich einfache Antworten parat hat, sollte diese ab und wann auf den Prüfstand stellen. Was bleibt uns denn nun zu tun? Ich denke, wir sollten einander alle, Juden, Christen und auch Menschen, die nicht glauben respektvoll begegnen. Wir sollen unser Heil nicht verbergen, nein, wir sollen natürlich erzählen, was uns aus dem Glauben heraus in unserem Leben antreibt und wir sollten Gott Raum für sein wirken lassen, ohne ihm immer gleich vorgreifen zu wollen. Lassen Sie uns behutsam unser Werk tun und den Rest in Gottes gnädige Hände legen. Lassen Sie uns also als Juden und als Christen gemeinsam in den ersten Vers des Liedes "Nun danket alle Gott.." (EG 321) von Martin Rinckart einstimmen, der da lautet, wie folgt: Nun danket alle Gott mit Herzen, Mund und Händen, der große Dinge tut an uns und allen Enden, der uns von Mutterleib und Kindesbeinen an unzählig viel zu gut bis hierher hat getan. Der Herr segne Dich und behüte Dich Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über Dir und sei Dir gnädig Der Herr hebe sein Angesicht über Dich und gebe Dir seinen Frieden Amen. Liebe Gemeinde, ich wünsche Ihnen allen noch einen gesegneten Sonntag in der Gegenwart des allmächtigen und gnädigen Gottes. Möge dieser Gott der Juden UND Christen Sie auch die kommende Woche auf all Ihren Wegen begleiten. Es grüßt Sie alle ganz herzlich Ihr Ulrich Naber |
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