| Liebe Leserinnen und Leser, |
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literarische Urteile verwenden oft eine vieldeutige Sprache. Das wurde soeben wieder in den öffentlichen Diskussionen der Klagenfurter Literaturjury deutlich. Seit einiger Zeit und auch dort häuft sich in der Literaturkritik das Urteil, etwas sei oder werde „auserzählt“. Mal ist das lobend, mal kritisch gemeint. Die genaue Bedeutung dieses Begriffs ist also schwebend. Immerhin zeigt er an, dass alles Schreiben eine Ökonomie hat. Von allem kann es ein Zuviel oder ein Zuwenig geben. Viele oder wenige Personen kann eine Erzählung haben, handlungsreich oder handlungsarm kann sie sein, bilderarm oder voller Metaphern. | Jürgen Kaube | Herausgeber. | |
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| Entsprechend kann etwas erzählt werden oder auserzählt werden. Regeln dafür, was besser ist, gibt es nicht. „Auserzählt“ bedeutet dabei Unterschiedliches. Lass mich das bitte auserzählen, heißt in der Alltagssprache: Lass mich bitte zu Ende erzählen. Doch das ist literaturkritisch meistens nicht gemeint. Über einen Roman heißt es vielmehr, jeder Gedanke werde hier auserzählt. Das ist ein Monitum und bewegt sich zwischen „es wird alles, was Anspielung bleiben könnte, leider ausdrücklich gemacht“ und „es bleiben zu wenig Rätsel“. Das Urteil, etwas werde auserzählt, nähert sich dem an, die Erzählung sei aufdringlich. So, wie man gelingende Witze nicht erklären muss und erklärte Witze keine mehr sind, so vertragen es also Erzählungen oft nicht, wenn in ihnen alles oder auch nur sehr viel gesagt wird. Wenn also den Lesern unterstellt wird, man müsse ihnen alles auf den Kopf zusagen, anders merkten sie es nicht. Der Kriminalroman hat aus der entgegengesetzten Haltung eine Gattungsvorschrift gemacht: Nicht alles sagen! *** Die Leseempfehlungen der Woche: Acht Fragen, ein Lösungswort: Das neue Literaturrätsel dreht sich um eine Stadt und ihre Dichter. Für ihn zählen Proust, Kafka und T. S. Eliot: Ein Besuch bei dem britischen Schriftsteller Gabriel Josipovici „Aus gleichem Holz“: Die Comiczeichnerin Marion Fayolle erzählt in ihrem Romandebüt meisterhaft von ihrer eigenen Familie und einer verschwindenden bäuerlichen Welt. *** Dass eine Geschichte auserzählt sei, kann umgangssprachlich aber auch heißen, man könne ihr nichts mehr Neues abgewinnen. Alles sei schon gesagt, ihr Motivvorrat sei erschöpft. Jean Giraudoux spielte 1929 mit diesem Vorwurf, als er in „Amphitryon 38“ die bis dahin achtunddreißigste Version der Komödie des griechischen Feldherrn vorlegte, dessen Frau auf Zeus hereinfallen wollte. Die Geschichte sei auserzählt, kann also heißen: Wie oft wollt ihr das denn noch erzählen? Mithin wird einmal der Vorwurf der Redundanz erhoben, das „Kennen wir schon“. Das andere Mal wird mit demselben Wort „auserzählt“ um Freiräume für die Einbildungskraft der Leser gebeten. Sprecht doch nicht immer alles aus, heißt es, seid diskret, traut uns zu, Zeichen zu verstehen. Beim Klagenfurter Bachmannwettbewerb begründete gerade der Schriftsteller Boris Schumatsky seine Liebe zu den Werken des Komponisten Anton Webern damit, diese seien „nicht auserzählt“. Das war als Lob der Ellipse, des kunstvollen Weglassens, der Kürze und der Andeutung zu verstehen. Zur Kunst gehört es, in Hinweisen sprechen zu können. Weshalb kann der Hinweis, die Andeutung poetischer sein als das Auserzählte? Nicht weil Literatur ihren Genuss in der Lösung von Rätseln hat und deswegen Rätselhaftigkeit kultivieren muss. Sondern weil die Wirklichkeit selbst nicht auserzählt werden kann, weil ihre Mehrdeutigkeit sich nicht durch immer weitere Erläuterungen und Beschreibungen beseitigen lässt. Mit freundlichen Grüßen Ihr Jürgen Kaube
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