Liebe Frau Do, heute vor 244 Jahren haben sich die USA gegründet. Kein runder Geburtstag, kein Jubiläum, aber doch ein Anlass für unsere Redaktion, sich in diesen Zeiten transatlantischer Spannungen und vor der anstehenden Präsidentschaftswahl in zahlreichen Artikeln mit einem Sehnsuchtsort zu beschäftigen. In meinem Leitartikel gehe ich darauf ein, wie sehr Amerika unsere Nachkriegsgeschichte, unsere Gesellschaft, Kultur, Wirtschaft und Politik geprägt hat – und was davon bleibt. Der Text ist mir wichtig. Vor bald 40 Jahren bin ich als Schüler für ein Jahr nach St. Louis im Bundesstaat Missouri gegangen. Später habe ich auf einer Farm in Vermont, in einem Baumarkt in Kalifornien und für eine kleine Zeitung in Connecticut gearbeitet, das Land immer wieder kreuz und quer bereist und als Journalist sowohl Gerhard Schröder als auch Angela Merkel ins Weiße Haus begleitet. Ich liebe Amerika, trotz alledem und als überzeugter Europäer. Auch deswegen macht mich die gebündelte Anstrengung unserer Redaktion nicht nur unfassbar stolz, sondern berührt mich persönlich. Und, ganz ehrlich: Am besten wirkt sie in der Zeitung oder im E-Paper. Wenn Sie kein Abonnement haben, hier entlang. Oder vielleicht kommen Sie an einem Kiosk vorbei – die heutige Ausgabe ist wirklich besonders. Aber für den Fall der Fälle empfehle ich Ihnen hier – der Newsletter heißt schließlich „Stimme des Westens“ – einige der stärksten Artikel fürs Wochenende: Immer deutlicher wird, dass die amerikanische Gesellschaft bis heute unter ihrer Ursünde leidet: der Sklaverei. Seit 1865 ist sie in den USA offiziell verboten. Dennoch folgte auf das Ende des Bürgerkriegs ein Jahrhundert systematischer Entrechtung der Schwarzen – staatlich betrieben und gerichtlich gedeckt. Frank Vollmer, promovierter Historiker, beschreibt, wie das „Land der Freien“ seine eigenen Ideale verriet. Natürlich gibt es auch die schwarzen Erfolgsbiografien, belegt von TV-Stars wie Oprah Winfrey oder erfolgreichen Unternehmern wie Tim Scott, der heute Senator ist. Eine selbstbewusste schwarze Mittelschicht ist entstanden. Und war nicht mit Barack Obama sogar ein Schwarzer Präsident geworden? Das alles, so schreibt Washington-Korrespondent Frank Herrmann, verstellt aber den Blick darauf, dass sich gleichzeitig das schwarze Ghetto verfestigt. Die Statistiken zeigen eindeutig, dass Afroamerikaner strukturell benachteiligt werden. Aber nicht nur schwarze Amerikaner zweifeln in diesen Tagen an ihrem Land. Die Corona-Krise, die ja auch eine ökonomische ist, hat vielen Menschen schmerzhaft vor Augen geführt, welches Ausmaß das soziale Gefälle in den USA angenommen hat. Inzwischen steht in der Nation, die den Kapitalismus in die Welt getragen hat, der Kapitalismus selbst infrage. Unsere Wirtschaftschefin Antje Höning beschreibt ein Land der Ungleichen, in dem es alles andere als fair zugeht. Manch einer mag angesichts solcher Zustände Zuversicht im Glauben finden – immer noch bezeichnen sich mehr als drei Viertel der Amerikaner als religiös. Allerdings, so analysiert unsere Kulturredakteurin Dorothee Krings, ist Religion in den USA ein umkämpfter Markt, auf dem sich die Kirchen und Glaubensgemeinschaften als Dienstleister verstehen und um Anhänger konkurrieren. Zugleich haben sie eine gewaltige Macht, denn der Einfluss religiöser Denkmuster auf Entscheidungen in den USA kann kaum überschätzt werden. Selbst auch im Heiligtum der amerikanischen Demokratie, dem Wahllokal, geht es nicht immer ganz mit rechten Dingen zu. Echter Wahlbetrug ist in den USA so selten wie bei uns in Deutschland, aber dafür wird schon im Vorfeld der Urnengänge gerne getrickst, was das Zeug hält. Julian Heißler, ebenfalls Washington-Korrespondent, beschreibt, wie die Parteien sich durch taktische Zuschneidung der Wahlkreise sichere Mehrheiten verschaffen und wie unbescholtene Bürger unter bürokratischen Vorwänden aus den Wählerverzeichnissen gestrichen werden. Ich hätte noch eine ganze Reihe spannender Nicht-Amerika-Themen in petto, aber belasse es bei dreien: Einige Bundesländer, darunter auch NRW, setzen die gerade erst in Kraft getretenen Strafen für Raser wegen eines Formfehlers wieder aus. Und bei der Sanierung des Warenhauskonzerns Galeria Kaufhof Karstadt gibt es Hoffnung, die Schließung einzelner Standort zu verhindern, auch in Düsseldorf. Nicht versäumen sollten Sie auch das große Stück von Bertram Müller über das globale Geschäft des Kunstraubs, das uns unter anderem nach Los Angeles führt – womit wir wieder in Amerika wären. Have a nice day! Herzlich Ihr Moritz Döbler Mail an die Chefredaktion senden P.S.: Wenn Ihnen dieser Newsletter gefällt, empfehlen Sie die "Stimme des Westens" weiter! |