Liebe Frau Do, in Afghanistan hat sich binnen weniger Wochen gezeigt, wie falsch der Westen lag. Vor knapp 20 Jahren marschierten die USA gemeinsam mit der sogenannten Nordallianz ein, um die damalige Taliban-Regierung zu stürzen und Al-Kaida nach dem Terroranschlag vom 11. September 2001 zu schwächen. Bald war die Nato dabei und damit auch die Bundeswehr, vom Bundestag auf Antrag von Rot-Grün mandatiert. Über all die Jahre haben die westlichen Truppen und Regierungen den Menschen in Afghanistan vermittelt, dass sich alles zum Guten wendet, auch wenn es lange dauert. Es war, wie sich jetzt zeigt, eine mörderische Täuschung, aber auch eine Selbsttäuschung. „Es gibt da nichts zu beschönigen“, sagt Außenminister Heiko Maas. Weder die Bundesregierung noch ihre westlichen Partner einschließlich der Nachrichtendienste hätten die aktuelle Entwicklung so vorhergesehen. „Es gebietet die Ehrlichkeit, das in aller Form so einzugestehen.“ Ist das alles, was die Ehrlichkeit gebietet? Ich komme am Ende nochmal darauf zurück. Heute wichtig: Evakuierung in Afghanistan: In der Nacht landete unter schwierigen Bedingungen ein Transportflugzeug der Bundeswehr auf dem Flughafen in Kabul. Die Maschine setzte Fallschirmjäger ab, nahm auszufliegende Menschen an Bord und startete schnell wieder. Den Stand der Evakuierung und alle aktuellen Informationen finden Sie in unserem Newsblog. Biden verteidigt Abzug: Der US-Präsident Biden hat sich erstmals seit der faktischen Machtübernahme der Taliban zur Lage in Afghanistan geäußert. Er verteidigt seine Abzugsentscheidung, den neuen Regenten in Kabul droht er im Falle eines Angriffs mit einer „starken Reaktion“. Flutwelle in Bayern: Nach der Flutwelle in der Höllentalklamm an der Zugspitze soll die Suche nach zwei Vermissten am Dienstag weitergehen. Die Beiden gelten seit gestern als vermisst, nachdem nach starken Regenfällen eine Flutwelle durch die Schlucht gerauscht war und mehrere Menschen mit sich riss. Sturm in Ostfriesland: In der Nacht gab es zudem einen heftigen Sturm im Norden Deutschlands, der in einer Gemeinde in Ostfriesland eine Schneise der Verwüstung hinterlassen hat. Die Feuerwehr spricht von einem „Tornado-ähnlichen“ Unwetter. Noch mehr aktuelle Nachrichten gibt es zum Hören – von Montag bis Samstag jeden Morgen ab 5 Uhr in unserem „Aufwacher“-Podcast. Meinung am Morgen: Afghanistans Militär: Die Streitkräfte, die der Westen über all die Jahre massiv mit Geld, Waffen und Schulungen unterstützt, ja aufgebaut hatte, sind zusammengebrochen. Auch darin zeigen sich Täuschung und Selbsttäuschung. In seiner Analyse versucht Helmut Michelis zu erklären, wie es so kommen konnte. Afghanistan und Armin Laschet: Wie sich der CDU-Vorsitzende und Kanzlerkandidat in der Frage von Krieg und Frieden schlägt, kommentiert Tim Braune. Sie wollen noch mehr Analysen und Kommentare? Unser Meinungs-Ressort versorgt Sie jeden Tag mit aktuellen Beiträgen. So gesehen: Eingangs habe ich Außenminister Maas zitiert, der von Ehrlichkeit sprach. Ich will ihm nicht absprechen, dass er es ehrlich meint. Aber ich musste schon häufig und eben auch jetzt angesichts der bestürzenden Lage in Afghanistan an das Wort seines Parteifreundes Johannes Rau denken, wie Politik Glaubwürdigkeit erreiche: „Man muss sagen, was man tut, und tun, was man sagt.“ Es ist ein simpler Satz, der es in sich hat. Ja, beides gehört gleichermaßen dazu, und beim zweiten Teil der Aufgabe haben die Bundeswehr und mehrere Bundesregierungen samt all ihrer Verbündeten versagt. Am Ende der „Stimme des Westens“ findet sich stets ein positiver Ausblick; das fällt mir heute schwer. Aber Ehrlichkeit, so schmerzhaft sie sein mag, weist den Weg, da bin ich sicher. Herzlich, Ihr Moritz Döbler Mail an die Chefredaktion senden P.S.: Wenn Ihnen dieser Newsletter gefällt, empfehlen Sie die "Stimme des Westens" weiter! |