kennen Sie E. (Edward) M. (Morgan) Forster? Der englische Schriftsteller lebte von 1879 bis 1970, gehörte wie John Maynard Keynes und Roger Fry, zu den „Aposteln Cambridges“, einem Geheimklub, dem die jeweils zwölf intelligentesten Studenten der Universität angehören, und schrieb von 1905 an Romane. Die auch durch ihre Verfilmungen bekanntesten sind „Ein Zimmer mit Aussicht“ und „Wiedersehen in Howards End“, der beste aber „A Passage to India“ (dt. Auf der Suche nach Indien), eine dicht gewebte Darstellung der Auswirkungen britischer Kolonialherrschaft in Indien auf das private Leben der Besatzer und Unterworfenen.
Dieser Tage sind Essays von Forster unter dem Titel „Brauchen wir Kultur?“ erstmals in deutscher Übersetzung herausgekommen. Einer davon stellt die Frage, weshalb wir gerne wissen wollen, von wem ein literarisches Werk geschrieben wurde. Kennen wir doch Epen wie das Nibelungenlied, dessen Ruhm es nicht geschmälert hat, dass uns unbekannt ist, wer es verfasste. Oder nehmen wir die Hypothesen, wer Homer war und wieviele. Selbst bei Shakespeare hält sich das kleine Lager derjenigen, die glauben wollen, er sei ein anderer und sein Name ein Pseudonym.
An die Frage, ob das Wissen um die Person der Autoren nützlich ist, tritt Forster mit der Unterscheidung heran, welche sprachlichen Äußerungen überhaupt nützlich sind. Gedichte, hält er fest, informieren nicht. Man kann einwenden, dass sie über die Möglichkeiten der Sprache und des Sprechens durchaus informieren, aber Forsters Argument ist klar. Niemand würde sich Auskunft über die Biologie der Rosa canina bei Goethes „Heidenröslein“ holen oder sich in Heidelberg mittels Hölderlins gleichnamigem Gedicht zurechtfinden wollen. Romane hingegen, meint Forster, „sind teilweise Straßenschilder“, die auf eine dingliche und soziale Wirklichkeit verweisen. Die Leser finden sich durch Balzac über das Paris seiner Zeit ebenso informiert wie durch Thomas Mann über das Lübeck der seinigen.
Je stärker der Informationsgehalt eines Textes, desto nützlicher ist es zu wissen, wer ihn geschrieben hat. Wenn der im Fahrplan angekündigte Zug nicht kommt, rufen wir die Autoren des Fahrplans zur Verantwortung. Wenn wir hingegen lesen „Der reinen Wolken unverhofftes Blau“, dann suchen wir keine Adresse für unseren voreiligen Einwand gegen blaue Wolken. Ein Text, der keine Informationen vermittelt, sondern – das ist Forsters Gegenbegriff – Stimmungen und Stimmungswelten erzeugt, darf anonym sein. Die Literatur strebe geradezu danach und sage: „Ich bin es, was zählt, und nicht, wer mich erschaffen hat“.
Die Autoren sind einerseits Menschen, die auf dem Land wohnen, telefonieren, einen Hund haben und gern ins Gasthaus gehen. Andererseits besitzen sie für Forster eine Tiefenpersönlichkeit, die dort lebt, wo es gar keine Telefone und Abendessen gibt. Das Werk ist dann eine Entdeckungsreise in diese Tiefen, an der wir teilhaben, wenn auch wir unsere Obernflächenperson beim Lesen vergessen. Dass wir in der Stadt wohnen, Ferien in Kopenhagen machen, Blau als Lieblingsfarbe haben und gern Schach spielen, ist beim Lesen ebenso unwichtig wie die Lebensumstände der großen Autoren.
Forster schreibt, diese Lebensumstände seien nur dann nützlich, wenn wir nicht mehr lesen, sondern das Werk „analysieren“. Solche Analysen – die vielen ungelesen bleibenden Texte „über“ – beschäftigen sich für Forster gerade mit dem, was nicht wesentlich an den Dichtungen ist. Beim Schreiben vergesse man hingegen den eigenen Namen, beim Lesen auch.
So weit E.M. Forster und unser Hinweis auf diesen großartigen Essayisten. Vergessen Sie also sich und die Welt der Informationen beim Lesen beispielsweise seiner Romane.
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