wer dieser Tage durch Amerika reist, spürt die Nervosität an jeder Ecke.
Ob in New York City oder in der Provinz, bald geht der Irrsinn wieder los. Gerade noch sind Osterferien, und das Land gönnt sich eine kurze Pause, die Familien kommen zusammen, aber der Wahlkampf kündigt sich schon an. Es heißt, dies werde der härteste in der Geschichte der amerikanischen Präsidentschaftswahlen, und womöglich der folgenreichste.
Sandra Kegel
Verantwortliche Redakteurin für das Feuilleton.
Denn auch wenn im Moment niemand weiß, wie das Kopf-an-Kopf-Rennen der beiden alten Männer ausgeht, sagen die Prognosen heute, dass in sechs von sieben Swing-Staaten Donald Trump die Nase vorn hat. Da kann er noch so einen Unsinn verzapfen. Bis im November gewählt wird, liegen in den Vereinigten Staaten die Nerven blank. Der Alltag in seiner reizlosen Normalität erscheint vielen Amerikanern daher geradezu wie ein Geschenk. Nicht wenige lesen sogar bewusst keine Nachrichten mehr, weil sie es so leid sind. Dafür gibt es auch einen Begriff, news avoidance, Nachrichten-Vermeidung. Was allem Anschein nach hingegen nicht gemieden wird, sind Bücher. Die Buchhandlungen sind rappelvoll.
Im „Strand Bookstore“ im East Village südlich des Union Square stapeln sich auf den Etagen und im verwinkelten Kellergeschoss die Bücher und die Besucher. Mehr als zwei Millionen Titel lagern hier auf 38 Kilometern Regalfläche. Dass New Yorks berühmteste Buchhandlung mit den roten Markisen noch vor kurzem ums Überleben kämpfte, scheint passé. Überall stöbern die Besucher, während das moderne Antiquariat im Erdgeschoss vor allem von Studenten der nahegelegenen NYU frequentiert wird. Am Bücherregal einer junge Frau über die Schulter geschaut, die im Buch der „Washington Post“-Kolumnistin Alexandra Petri blättert. Deren satirische Essaysammlung „Nothing is wrong and here is why“ über die Trump-Jahre ist irre lustig und dabei sehr böse.
„Autumn Leaves“ heißt das bekannteste Antiquariat in Ithaca, der kleinen Stadt mit der berühmten Universität Cornell. Die Regale hier zeigen stolz den Kanon der Protestliteratur von John Steinbecks „The Grapes of Wrath“ und Thomas Paines „The American Crisis“ bis zu Sheryll Cashins „White Space, Black Hood“, „Conversations with Angela Davis“ oder „History of Thatcher‘s Britain in 21 Mixtapes“.
Fragt man hier Becky Joffrey, die in Cornell im Bereich Künstliche Intelligenz und Technologie arbeitet, nach einer Empfehlung, gerät man indes in eine andere Welt: Sie liest Kara Swishers soeben erschienenes „Burn Book“. Swisher, Journalistin und Host des Podcasts „Pivot“, schreibt über die Tech-Titanen von Gates bis Bezos, die sie alle persönlich kennt, und darüber, inwiefern deren Erfindungen die Welt verschlimmbessert haben. All jenen aber, die nicht wissen, wie es weitergehen soll in einer Welt voller Problembären, legt Joffrey einen Klassiker der amerikanischen Wirtschaftsratgeber ans Herz: „Dealing with difficult people. Fast, effective strategies for handling problem people“. Dafür müssen wir gar nicht die amerikanische Präsidentenwahl abwarten. Anschauungsmaterial gibt es bei uns zuhauf und auch ganz in der Nähe.
Vor zwei Jahren bekam der ukrainische Schriftsteller Serhij Zhadan den Friedenspreis des deutschen Buchhandels. Dass er jetzt freiwillig zur Verteidigung seines Landes beiträgt, ist nur konsequent. Und beschämend für den Westen. Von Andreas Platthaus
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