Kurt Kister gibt Einblick in deutsche Alltagsmomente
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28. April 2023
Deutscher Alltag
Guten Tag,
der April vor 22 Jahren war ein nicht sehr ereignisreicher Monat. Das World Trade Center stand noch, und Gerhard Schröder bezog das neue Berliner Kanzleramt, das damals als zu groß galt und heute als zu klein angesehen wird. Ein Krislein gab es auch: Die Chinesen hatten ein amerikanisches Spionageflugzeug zur Landung gezwungen, nachdem es mit einem chinesischen Militärjet kollidiert war. Im Laufe des Monats kamen die festgesetzten US-Soldaten wieder frei, der damalige US-Präsident George Dabbeljuh Bush hatte sein Bedauern über den Zwischenfall ausgedrückt. Außerdem wurde im April 2001 die Bundesgartenschau in Potsdam eröffnet.

Und die damalige Berliner SZ-Korrespondentin Susanne Höll, die für CDU und CSU zuständig war, erfand den schönen Begriff „K-Frage“. Am 6. April 2001 tauchte er zum ersten Mal auf – und zwar in der SZ. Höll bekam dafür sogar einen Medienpreis als kreative Wortschöpferin. Wie das Leben so spielt, gibt es den Preis nicht mehr, die Preisträgerin lebt heute im Ruhestand in einem beschaulichen hessischen Dorf.

Die K-Frage aber ist immer noch immer wieder mal offen, also unbeantwortet. Zu Zeiten ihrer Erfindung ging es um Stoiber oder Merkel. Bekanntlich hieß die Antwort damals „Stoiber“, der aber dann sehr knapp gegen Schröder verlor. Nach 2002 lautete die Antwort der Union auf die K-Frage jedes Mal „Merkel“. Bei der SPD waren es verschiedene Herren, deren Namen zwar als Antworten auf die eine K-Frage, die Kandidaten-Frage, taugten, für die Beantwortung der anderen K-Frage, der Kanzler-Frage, aber nicht taugten. Olaf Scholz schließlich wurde nicht nur Kanzler, weil die SPD die K-Frage vorletztes Jahr richtig beantwortet hätte, sondern nicht zuletzt, weil die Union ihre Kandidaten-Frage falsch beantwortet hatte.

Grundsätzlich gehört die K-Frage zu jenen Fragen, von denen Politikerinnen und Politiker immer sagen, sie stellten sich jetzt nicht. Das ist eine eskapistische Phrase, schon allein weil sich keine Frage von selbst stellt, sondern immer von jemandem gestellt wird. Eine Frage existiert, sobald sie gestellt wird. Wenn eine Ministerin oder ein Parteichef sagt, dass sich eine Frage nicht stelle, will sie oder er schlichtweg nicht antworten. Natürlich kann es ebenso gute wie schlechte Gründe dafür geben, dass man eine Frage ausweichend oder nicht oder noch nicht beantwortet. Die Zulässigkeit der Frage aber grundsätzlich zu bestreiten, ist Kommunikationsverweigerung.

Also, die K-Frage. Spätestens Ende 2024 muss sie beantwortet sein, nachgedacht wird heute schon drüber. Bis Ende 2024 ist es aus Sicht einer Libelle, die eine Lebenserwartung von acht Wochen hat, unendlich lange hin. Theo Waigel dagegen, der gerade 84 geworden ist, wird ein Jahr oder so als nicht besonders lang ansehen. Bei den Sozialdemokraten ist die K-Frage diesmal merkelmäßig beantwortet, bevor sie sich selbst die Frage überhaupt stellen: Sollte Olaf Scholz nicht einen schlimmen Fehler begehen, krank werden oder sich als Alien vom Planeten Cumex outen müssen, wird er auch 2025 Spitzenkandidat der SPD werden. Bei den Grünen wird’s eher Habeck als Baerbock werden, weil die eine als Spitzenkandidatin schon mal relativ unerfolgreich war. Die FDP wird zu ihrem eigenen Vorteil wohl nicht wieder den Fehler machen, den sie mit der Ausrufung von Guido Westerwelle zum Kanzlerkandidaten gemacht hatte: überhaupt einen Kanzlerkandidaten aufzustellen. Selbstbewusstsein ist ja okay, Hybris aber nicht.

Bleibt die Union. Fest steht, dass Armin Laschet nicht mehr antreten wird. Markus Söder hat gesagt, er werde auch nicht mehr seinen Hut in den Ring werfen. Mal sehen, wie das sein wird, wenn er im Oktober die bayerische Landtagswahl einigermaßen gut oder vielleicht sogar sehr gut über die Runden gebracht hat. Dann bliebe er weitere fünf Jahre Ministerpräsident, hätte aber im Keller, anders als sein Vorgänger Horst Seehofer, nicht einmal eine Modelleisenbahn, die er aufregender finden könnte als Kabinettsitzungen in München. Allerdings ist Söder im Vergleich zu seinen potenziellen Kandidatenkonkurrenten Henrik Wüst und Daniel Günther schon ein älterer Herr, der allmählich auf die sechzig zugeht.

Älterer Herr? Ganz richtig, da gibt es ja noch den Babyboomer Friedrich Merz, der im Wahljahr 69 wird. Einerseits vertritt er rein altersmäßig die Mehrheit in Deutschland. Andererseits gibt es selbst viele Angehörige der beiden 50-plus-Generationen, die nicht das Gefühl haben, dass sie wirklich von dem privatfliegenden, überlegen-griesgrämigen Fritz repräsentiert werden. Bei Frauen löst Merz außerdem noch weniger Begeisterung aus als bei Männern. Und eine mögliche Konkurrenz zwischen dem dann 69-jährigen Merz und dem 67-jährigen Scholz ist mäßig attraktiv und überhaupt nicht cool. Altersdiskriminierung? Nein, aber trotzdem zählen gerade bei Spitzenkandidaten und -innen subjektive Eindrücke und Gefühle in der Wählerschaft sehr.

Wirklich älterer Herr? Joe Biden wird dieses Jahr 81. Er will, hat er diese Woche möglicherweise definitiv gesagt, für eine zweite Amtszeit kandidieren. Ich möchte ja nichts sagen, aber Mitte 60 ist eigentlich ein sehr gutes Alter, um noch rechtzeitig mit dem aufzuhören, von dem man früher vielleicht mal dachte, es ginge nicht ohne einen. Es geht ohne einen. Wenn man das aber erst feststellt, wenn es die anderen längst gemerkt haben, macht das besonders unglücklich.
Kurt Kister
Redakteur
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