SPD, Grüne und Union einig bei Jobticket
● Steuergesetz im Eiltempo |
● Top-Ökonom rechnet mit Ampel ab |
● Körperwärme ersetzt Batterie |
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Liebe Leserin, lieber Leser, mit „großer Ehrfurcht” und „viel Demut” hat SPD-Chef Lars Klingbeil den „historischen Tag” gestern begangen, sagte er am Rande der Vertrauensfrage ins Phoenix-Mikrofon. Der Begriff ist überstrapaziert. Schließlich war auch der Moment historisch, als zum ersten Mal jemand Ananas auf Pizza gelegt hat. Die Reden gestern besaßen jedenfalls mehr Schärfe als Tiefe, aber das ist nunmal so im Wahlkampf. Denn genau dafür nutzte SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz (und nicht nur er) seine knapp 30 Minuten Redezeit (best of: mehr Mindestlohn, weniger Mehrwertsteuer, stabile Rente, kein Taurus). Zuvor arbeitete er sich wieder mal mit Schuldzuweisungen an Christian Lindner ab („wochenlange Sabotage”), dem er mangelnde „sittliche Reife” attestierte. Der FDP-Chef revanchierte sich prompt mit einer Attacke auf Scholz’ Haushaltspolitik: „Prinz Karneval, der kann am Rosenmontag Kamelle verteilen, um populär zu werden. Aber Deutschland darf so nicht regiert werden.“ |
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| Olaf Scholz sprach sich, mit blauer Stimmkarte, das Vertrauen aus. 394 von 717 Abgeordneten taten das nicht… (© dpa) |
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| … darunter Oppositionsführer und CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz, mit roter Stimmkarte (© dpa) |
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CDU-Chef Friedrich Merz,ebenfalls nicht gerade subtil, warf Scholz vor, eine „der größten Wirtschaftskrisen der Nachkriegsgeschichte“ zu hinterlassen. Und plauderte dann aus dem EU-Nähkästchen: Scholz' Verhalten auf Brüsseler Parkett sei „zum Fremdschämen“. Er sitze auf EU-Gipfeln öfter schweigend dabei, ohne sich einzuschalten: „Sie blamieren Deutschland.” Dieser Teil der Debatte ging später im Fernsehen nahtlos weiter. Im ZDF „heute journal“ sagte der Kanzler auf Plattdeutsch: „Fritze Merz erzählt gern Tünkram“ – also Unsinn. „Ich verbitte mir das“, sagte Merz in derselben Sendung. Scholz „rede ständig über Respekt. Aber in dem Augenblick, wo jemand anderer Meinung ist als er, hört sein Respekt eben auf.“ Zur Erinnerung: Erst am Donnerstag hatten die Kanzlerkandidaten Scholz, Merz und Habeck sich und den Wählern auf Pro7 einen fairen und respektvollen Wahlkampf versprochen. Und SPD-Fraktionschef Mützenich forderte im Bundestag gestern gar „Anstand und Würde“, um im nächsten Atemzug der FDP „Niedertracht“ zu unterstellen. Nun ja. Robert Habeck, laut Merz „das Gesicht der Wirtschaftskrise”, bemühte sich noch um Sachlichkeit: „Alle Unternehmerinnen und Unternehmer gut hingehört: Die Vorschläge der Union sind nicht gegenfinanziert.” Er warnte zudem vor Neuwahl-Naivität: „Alle tun so, als wäre danach alles besser.“ Dabei seien auch künftig schwierige Bündnisse möglich und Kompromisse nötig. Doch der Ton im Plenarsaal war kompromisslos: „Pleiteminister“ (Sahra Wagenknecht über Habeck), „Wer Friedrich Merz wählt, wählt den Krieg.“ (Alice Weidel), „unsympathische Rede“ (Tino Chrupalla über Merz). Zwei Ordnungsrufe später wurde endlich abgestimmt und Scholz das Vertrauen entzogen. Für den Noch-Kanzler war das – wenn man ihm glaubt – übrigens kein Anlass für Verdruss: „Ich werde mit ein paar guten Freunden feiern“, sagte Scholz später im RTL/ntv-Interview. Sind Sie auch in Feierstimmung? Schreiben Sie uns an feedback@focus-magazin.de |
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| CDU-Fraktionsvize Mathias Middelberg (© dpa) |
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Kalte Progression: Union entlastet mit |
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Zwei vor dem Ampel-Aus geplante Gesetzesvorhaben kommen doch noch in die Spur. SPD und Grüne hatten sich mit der FDP bereits am Freitag überraschend auf ein abgespecktes „Steuerfortentwicklungsgesetz“ geeinigt. Damit soll die Einkommensteuer an die Inflation angepasst werden, um eine schleichende Steuererhöhung zu verhindern. Auch die Union werde „einem entsprechenden Gesetzentwurf zum Abbau der kalten Progression zustimmen“, sagte CDU-Fraktionsvize Mathias Middelberg gestern dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“.Der Entwurf soll am Freitag Bundestag und Bundesrat passieren. Vorgesehen ist dabei auch, den steuerfreien Grundfreibetrag 2025 um 312 Euro auf 12.096 Euro anzuheben sowie um weitere 252 Euro auf 12.348 Euro 2026. Das Kindergeld soll 2025 zudem um fünf Euro auf 255 Euro sowie 2026 um vier Euro steigen. Auch das Deutschlandticket im Nahverkehr ist 2025 finanziell abgesichert. Darauf einigten sich die Grünen, SPD und Union, berichtet die Deutsche Presse-Agentur. Derzeit kostet das Ticket 49 Euro im Monat, ab Januar 58 Euro. Die langfristige Zukunft bleibt aufgrund des umstrittenen Nutzens des Deutschlandtickets offen. |
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| Die Schuldenuhr des Bunds der Steuerzahler in Berlin(© dpa) |
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Schuldenbremse: Das wollen CDU, Grüne und SPD |
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Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse sorgte für Dauerstreit in der Ampelkoalition. Sie könnte auch die nächste Regierung herausfordern. FOCUS Briefing gibt anhand der schon veröffentlichten Progamm-Entwürfe einen Überblick. SPD: Die Sozialdemokraten wollen die Schuldenbremse reformieren. Investitionen in „Erneuerung und Sicherheit“ sollen nicht mehr darunter fallen. Ferner will die SPD die Kreditobergrenze anpassen. Aktuell erlaubt sie eine Neuverschuldung von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) pro Jahr. Grüne: Auch sie wollen einen flexibleren Rahmen, wenn es um Investitionen geht, die öffentliches Vermögen schaffen – sanierte Schulgebäude zum Beispiel. CDU/CSU: Die Union will an der Schuldenbremse festhalten und auch in Krisenzeiten mit dem verfügbaren Geld auskommen. Um dies zu erreichen plant die Union, unnötige Ausgaben zu streichen. Die Schuldenbremse ließe sich nur mit Zweidrittelmehrheit im Bundestag ändern. Für den Volkswirt Jens Südekum von der Universität Düsseldorf führt daran kein Weg vorbei, „um finanzielle Spielräume für zukunftsorientierte Ausgaben zu schaffen.” Anders sieht es der Ökonom Stefan Kolev: „Die Schuldenbremse bleibt unverändert richtig.“ Dem Wirtschaftswissenschaftler Giacomo Corneo von der FU Berlin geht sie nicht weit genug. Um Überschuldung zu vermeiden, schlägt er vor, statt der Schuldenbremse einen Fiskalrat einzurichten, der unabhängig von der Regierung einen finanziellen Rahmen setzt. |
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| IfW-Konjunkturchef Stefan Kooths (© dpa) |
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Top-Ökonom kritisiert Energiepolitik: „Auf Dauer sehr, sehr teuer“ |
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Der Konjunkturchef des „Kiel Institut für Weltwirtschaft“ (IfW), Stefan Kooths, wirft der scheidenden Bundesregierung schwere Versäumnisse in der Energiepolitik vor. „Wenn wir in Deutschland – anders als in anderen Ländern – perspektivisch nur auf Erneuerbare setzen und keine konventionellen Energiequellen behalten, wird die Produktion gerade in energieintensiven Bereichen sehr, sehr teuer“, sagte Kooths dem FOCUS. Auch staatliche Hilfen zum Ausgleich der steigenden Energiekosten, etwa über das umstrittene Energiekostendämpfungsprogramm (EKDP), hält Kooths für ungeeignet. Solche Hilfen wälzten „die Kosten nur auf andere ab“. Erst letzte Woche war der deutsche Strompreis im Tagesverlauf auf 936 Euro pro Megawattstunde geklettert. Das war gut zwölf Mal so viel wie üblich. Einige energieintensive Betriebe wie Gießereien mussten daraufhin ihre Produktion einstellen. Auslöser war die sogenannte Dunkelflaute, bei der Photovoltaikanlagen und Windräder wegen Wolken und mangels Wind kaum Strom produzieren. Mit Blick auf die Neuwahlen sprach sich der IfW-Konjunkturchef für weniger staatliche Eingriffe aus. Gefragt sei stattdessen „eine verlässliche Politik“. Unternehmen und private Haushalte müssten wieder abschätzen können, wie sich die Rahmenbedingungen entwickeln. Dann könne auch „der lähmende Attentismus“ durchbrochen werden, also eine untätige, abwartende Haltung. „Das würde mehr helfen als jede Einzelmaßnahme für sich.“ |
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22.400 Unternehmen werden im laufenden Jahr pleite gehen, erwartet der Inkasso-Dienstleister Creditreform. Das wäre gut ein Viertel mehr als noch im Vorjahr – und der höchste Stand seit 2015. Der „wirtschaftspolitische Stillstand und die rückläufige Innovationskraft“ hätten den Standort Deutschland geschwächt, so Creditreform-Chef Patrik-Ludwig Hantzsch. |
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| Noch braucht die Smartwatch einen Akku. Bald könnte die Energie aus der Körperwärme kommen (© Shutterstock) |
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Folie macht Körper zum Kraftwerk |
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In der Debatte um die Energiewende heißt es, man sollte sogenannte Abwärme besser nutzen. Das gilt nicht nur für Abwasser in der Kanalisation: Forscher wollen auch die Körperwärme des Menschen nicht bloß in die Atmosphäre entweichen lassen. Ein Team der Queensland University of Technology stellt in „Science“ nun eine Folie vor, die ihren Träger zu seinem eigenen Kraftwerk macht. Der unmittelbare Nutzen ist klar. Mit smarten Uhren, Ringen, Fitnessbändern und mehr trägt der Mensch zusehends Elektronik direkt am Körper. Und bald sollen spezielle Kleidungsstücke seine Gesundheit überwachen oder sie unterstützen. Das alles benötigt derzeit noch so etwas wie eine Batterie. Die Folie aus Australien hingegen wird zum Beispiel um den Oberarm gebunden und bezieht ihre Energie aus dem Temperaturunterschied zwischen Haut und Außenluft. Man müsste sie nur mit dem jeweiligen Gerät verbinden oder das eine in das andere integrieren. Die Folie besteht aus winzigen Kristallen und der Verbindung Bismuttellurid. Diese hat Halbleitereigenschaften und wird wegen ihrer Wärme- und elektrischen Leitfähigkeit bereits heute in der Chipindustrie verwendet. |
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Gewinner: Große Verantwortung für Michael Ohnmacht, 54. Der Geschäftsführer der EU-Vertretung in Syrien ist gestern nach Damaskus gereist, um dort Kontakte zu den neuen Machthabern zu knüpfen. Keine leichte Aufgabe für den deutschen Spitzendiplomaten, der zuvor auf Posten in Libyen war: Zurzeit stuft die EU die Gruppe Hajat Tahrir al-Scham (HTS), die den Diktator Assad letzte Woche gestürzt hat, als Terrororganisation ein. | |
Verlierer: Eigentlich gilt Keir Starmer, 62, als Europafreund. Acht Jahre nach dem Brexit-Referendum versucht der britische Premierminister, die Zusammenarbeit mit der EU wieder zu stärken, etwa im Bereich des Handels und der Verteidigung. Doch nun verklagt die EU-Kommission sein Land: Großbritannien gewähre EU-Bürgern mit Wohnsitz dort nicht die vereinbarten Rechte. | |
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… können wir leider noch immer nicht das Rätsel lüften, was oder wer hinter den unbekannten Flugobjekten im US-Bundesstaat New Jersey steckt, deren nächtliche Gruppenflüge seit Mitte November wilde Spekulationen auslösen. | | Dieser Drohnen-Schwarm am Himmel von New Jersey löst in den USA seit Wochen Unruhe aus (© dpa) | Kundschafter eines iranischen Mutterschiffs? Putins Spionage-Drohnen? Nein, sagen FBI und Weißes Haus, keine Gefahr für die nationale Sicherheit. Da die Behörden aber keine bessere Erklärung liefern, suchen sich Millionen Amerikaner eine eigene: #ProjectBlueBeam, zum Beispiel, wonach globale Eliten übernatürliche Ereignisse und Alien-Invasionen inszenieren, um eine totalitäre Weltregierung aufzubauen. Ich tippe ja eher auf Alf plus Verwandtschaft vom Planeten Melmac. Sie sollten sich allerdings vorsehen: Donald Trump fordert bereits den Ufo-Abschuss. Herzliche Grüße | | Tanit Koch |
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