Liebe Frau Do, der Kapitalismus hat ein Imageproblem. Nur jeder achte Deutsche glaubt, dass ihm dieses System nützt. Dabei ist unser Land reicher und gleicher als je zuvor in der Geschichte. Und Marktkräfte sind es vor allem, die Lösungen für Zukunftsfragen wie die Klimakrise bereitstellen werden. So argumentiert jedenfalls die Leiterin unseres Wirtschaftsressorts, Antje Höning, in ihrer lesenswerten Analyse. Nun war Kapitalismus in der Geschichte stets auch ein Kampfbegriff, der Ausbeutung und Unterdrückung anprangerte. Dass die soziale Marktwirtschaft eine Ausprägung des Kapitalismus ist, gerät in Vergessenheit. Mich macht das nachdenklich, weil hier die Grundfesten unserer Gesellschaft wackeln. Dass erratische Politik dabei nicht hilft, liegt auf der Hand. Der kleine Ort Morschenich ist ein Sinnbild dafür. Eben noch sollte er dem Tagebau weichen, jetzt wird er dank des geplanten Kohleausstiegs wohl verschont. Allerdings sind die meisten Bewohner schon umgesiedelt worden. Jörg Isringhaus hat sich dort umgesehen, mit den Menschen gesprochen und eine spannende Reportage aufgeschrieben. Ich schreibe in meinem heutigen Kommentar ebenfalls über den Kohleausstieg, aber aus einer anderen Perspektive: Die Regierenden tun sich zunehmend schwer, mit geradem Rücken das Gemeinwohl über Partikularinteressen zu stellen und ihre Vorhaben durch den nächsten Shitstorm zu retten. Ein Imageproblem hat nicht nur der Kapitalismus, sondern auch der deutsche Tennissport. Jedenfalls laufen den Vereinen die Mitglieder davon. Der Boom, den einst Boris Becker und Steffi Graf auslösten, scheint vorbei zu sein. Warum das so ist, hat unser Sportchef Gianni Costa aufgeschrieben. Von einem Leser der „Stimme des Westens“ bin ich angesprochen worden, dass es hier mit den scheidenden Royals Harry und Meghan jetzt auch mal gut sein müsse. Ich denke, damit war nicht die Forderung verbunden, dass ich heute zum Abschluss mit dem schwersten Thema der deutschen Geschichte kommen soll. Trotzdem, es muss sein. In der kommenden Woche jährt sich die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau zum 75. Mal. In Essen haben gestern Bundeskanzlerin Angela Merkel und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet eine Ausstellung mit berührenden Porträtfotos von Holocaust-Überlebenden eröffnet, über die Sie hier alles erfahren können. Eines der Bilder des Star-Fotografen Martin Schoeller haben wir auch auf die heutige Titelseite der Rheinischen Post genommen. Ich sehe es als Mahnung, die zugleich auch Zeugnis des menschlichen Überlebenswillens ist. Schon jetzt will ich Sie auf unseren Schwerpunkt am Samstag hinweisen: Holocaust-Überlebende aus NRW haben uns ihre persönliche Geschichte erzählt. Mir ist das ein persönliches Anliegen, denn es gibt nur noch wenige Zeitzeugen, und wir dürfen nicht vergessen. Die Erinnerung wachzuhalten, macht uns stark, nicht schwach. Starten Sie gut in den Tag! Herzliche Grüße Ihr Moritz Döbler Mail an die Chefredaktion senden P.S.: Wenn Ihnen dieser Newsletter gefällt, empfehlen Sie die "Stimme des Westens" weiter! |