die Europawahl war ein Desaster für die Regierungsparteien der Ampel. Die deutlichste Niederlage kassierten dabei die Grünen. Besonders schlimm für die Ökopartei: Selbst die jungen Wähler machten ihr Kreuz lieber woanders, bei der Union und bei der AfD, was das Weltbild der Grünen gehörig auf den Kopf stellte. Auch die grüne Bundesfamilienministerin Lisa Paus ist alles andere als glücklich über das Ergebnis der Europawahl und bietet in einem Gastbeitrag in der FAZ einen neuen Generationenvertrag an. Cicero-Autor Felix Huber gehört zu jener Generation, die sie damit ansprechen möchte – und lehnt höflich ab: Anstatt die Schuld bei den Wählern zu suchen, schreibt er, sollte die grüne Politikerin bei sich selbst anfangen. Nach meiner Überzeugung sind die Ergebnisse der jüngsten Europawahl mehr Kritik an der Ampelregierung als Bekenntnis zur AfD. Und Machtkritik ist für eine Demokratie essenziell. Das sieht auch das Grundgesetz so. Trotzdem hat der oberste Verfassungsschützer Thomas Haldenwang bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2023 Kritik erneut als Delegitimierung des Staates diffamiert. Die Innenministerin gab ihm dabei freie Hand. Volker Boehme-Neßler klärt das Duo gerne auf. Unzufrieden sind viele Wähler damit, dass die etablierten Parteien die Migrationskrise seit Jahren nicht in den Griff bekommen. Interessanterweise sind übrigens ein großer Teil der Asylbewerber in Deutschland Türken. Dass Staatsbürger eines verbündeten Landes politisches Asyl beantragen, schreibt Ferdinand Knauß, belegt: Weder die Zuwanderungs- noch die Außenpolitik Deutschlands ist in sich konsistent und rational nachvollziehbar. Apropos Flüchtlingskrise: Parallel haben heute in Berlin die Ministerpräsidenten mit dem Kanzler und in Potsdam die Innenminister über das Thema Migration beraten. Lässt sich mit den Ergebnissen etwas anfangen? Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) sieht im Interview mit Volker Resing ein „Momentum“ für eine Wende in der deutschen Migrationspolitik. Die Bundesregierung bewegt sich. Doch eine konsequente Zurückweisung an der Grenze fehle noch. Die Karte des Grauens dürfte für die Grünen – aber auch die SPD und die FDP – jene Karte sein, welche die deutschen Gewinner der Europawahl zeigt. Der Westen: fast ausschließlich schwarz. Der Osten: fast ausschließlich blau. Mein Kollege Volker Resing wollte es genauer wissen und hat den CDU-Politiker Danny Freymark aus Berlin-Lichtenberg in den Cicero-Podcast Politik eingeladen. Freymark sagt: „Die Leute wollen das Weiter-so nicht!“ Maram Stern meldete sich auf Cicero Online heute mit einem versöhnlichen Text zu Wort, in dem sich der geschäftsführende Vizepräsident des Jüdischen Weltkongresses mit den Debatten über den Gazakrieg beschäftigt. Anders als das barbarische Pogrom vom 7. Oktober, schreibt Stern, entziehen sich Diskussionen über den Gazakrieg moralischer Eindeutigkeit. Wenn aber unterschiedliche Meinungen zulässig sind, muss auch der Austausch derselben möglich sein. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende. Bleiben Sie optimistisch. Ihr Ben Krischke, Leitung Cicero Digital |