seit dem russischen Überfall auf die Ukraine steht Altkanzler Gerhard Schröder in der Kritik, weil er sich bis heute nicht glaubwürdig von seinem Freund im Kreml distanziert hat. Doch nach Schröders Rückzug als Aufsichtsratschef des russischen Energiekonzerns Rosneft im Mai und der jüngsten Entscheidung der Schiedskommission des Hannoveraner SPD-Unterbezirks Oststadt-Zoo, Schröder in erster Instanz nicht aus der Partei auszuschließen, scheinen die kritischen Töne in Richtung „Gas-Gerd“ (Bild) leiser zu werden – und Schröder neues Selbstbewusstsein getankt zu haben. Denn der Altkanzler hat nun entschieden, vor dem Berliner Verwaltungsgericht gegen den Deutschen Bundestag zu klagen. Schröder will seine im Mai entzogenen Sonderrechte und sein Altkanzler-Büro zurück. Von der Schamlosigkeit des Vorgangs einmal abgesehen: Er könnte mit seiner Klage durchaus Erfolg haben. Zu fragen wäre allerdings, warum ehemalige Bundeskanzler überhaupt einen teuren Mitarbeiterstab brauchen. Hugo Müller-Vogg hat sich Gedanken gemacht. Während der Altkanzler angreift, muss sich der Jetztkanzler verteidigen: Am 19. August wird Olaf Scholz ein zweites Mal vor dem Cum-Ex-Ausschuss in Hamburg erwartet. Die Ausgangslage ist bizarr: Für die Vorbereitung der Zeugenvernehmung ist ein ehemaliger Scholz-Mitarbeiter aus dem Finanzministerium verantwortlich. Er wurde während Scholz’ Amtszeit für die Aufklärungsarbeit nach Hamburg abgeordnet und ist ein alter Bekannter von Wolfgang Schmidt, Scholz’ Kanzleramtsminister. Dieser Mitarbeiter war – ebenfalls während Scholz’ Amtszeit – an einer Gesetzesänderung beteiligt, die still und heimlich die Transparenz in der Cum-Ex-Aufklärung einschränkt. Klingt kompliziert, ist es auch. Wie gut, dass mein Kollege Ulrich Thiele tief drin ist im Thema. Seinen Artikel lesen Sie hier. Apropos Angriff und Verteidigung: Die amerikanische Stadt Chicago versinkt in Gewalt, beobachtet Cicero-Autor Gregor Baszak, der in der Millionenmetropole im Mittleren Westen lebt und am English Department der dortigen University of Illinois tätig ist. Doch eine neue Form von Bandenkriminalität und soziale Probleme sind nicht die einzigen Ursachen dafür. Es geht auch um eine gezielte Delegitimation der Polizei. Die traurige Bilanz dieser Entwicklung: Voriges Jahr wurden allein in Chicago 836 Menschen ermordet, die meisten seit 1994. Hier lesen Sie Baszaks Artikel. Dieser Newsletter war schon fast fertig, dann klingelte mein Telefon. Kurz vor Redaktionsschluss wurde bekannt, dass Rolf Eden, der letzte deutsche Playboy alter Schule, im Alter von 92 Jahren verstorben ist. Daher noch ein Blick ins Cicero-Archiv: Der damalige Cicero-Reporter Constantin Magnis traf Eden vor elf Jahren zu einem bemerkenswerten Gespräch über Affen im Club, Frauen im Bett, den Sinn eines sorgenfreien Lebens – und über das Leben nach dem Tod. Wir dokumentieren das Interview aus gegebenem Anlass. Abschließend freue ich mich, auf unseren neuen Podcast hinzuweisen: Kriegs- und Krisenzeiten waren schon immer der ideale Nährboden für politische Mythen. Der Cicero Podcast Wissenschaft geht daher der Frage nach, wie politische Mythen in die Welt kommen und welche Sehnsüchte sie stillen sollen. Im Gespräch mit dem Historiker und Theologen Benjamin Hasselhorn bringen Michael Sommer und Axel Meyer diesmal Licht ins Dunkel des kollektiven Unbewussten und erklären, wie man der Macht der großen Erzählungen entkommen kann. Das Gespräch finden Sie hier und auf den gängigen Audio-Plattformen. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende. Ihr Ben Krischke, Redakteur |