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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Dienstag, 14.12.2021 | Grau in grau bei Höchsttemperaturen von 7°C. | ||
+ Pfarrerin der Gethsemanekirche wehrt sich gegen Vereinnahmung der DDR-Revolution durch Coronaleugner + Berliner Maler Jens Jensen ist gestorben + Pankows Geheimnissen auf der Spur in einem Interview mit einem Hobbyhistoriker + |
von Robert Ide |
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Guten Morgen, und, wie überbrücken Sie die Zeit bis Weihnachten? Auf jeden Fall nicht auf der Elsenbrücke. Der wichtigste Zubringer vom Friedrichshain in den Berliner Südosten schnitt sich zum Wochenstart selbst von der Welt ab, weil auf der maroden Spreequerung an der Stralauer Allee die Tragfähigkeitssensoren anschlugen. Was das heißt? Die Brücke reißt – genauer: die verspannten Stahlseile der westlichen Brückenhälfte. Zwischen dem letzten Pfeiler und dem Friedrichshainer Ufer habe sich das Bauwerk in der Nacht um 8,2 Millimeter durchgebogen, teilte die Verkehrsverwaltung zur plötzlichen Sperrung mit. Diese wird nun anhalten, obwohl die Behelfsbrücke nebenan wohl erst im neuen Jahr fertig ist. Zum Glück kann Berlin auch anderswo übers Wasser gehen. Dass unsere Stadt mit 960 Brücken sogar Venedig deutlich überspannt, wissen inzwischen sogar Zugezogene. Falls Sie also über das eigene Ufer treten wollen, schlendern Sie virtuell über Berlins schönste Brücken (Rundgang mit Bildergalerie hier). Nach Treptow allerdings geht es erstmal nur stauweise über die Oberbaumbrücke. Im Autoradio läuft dann Berlins neuer Weihnachts-Klassiker: Still und starr ruht die Spree – und die Stralauer Allee. | |||||
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Gebannt blickt Deutschland weiterhin auf die sich weiter überschlagenden Corona-Nachrichten. Während es auch in Europa erste Tote zu beklagen gibt, die der ansteckenderen Virusvariante Omikron erlegen sind (alle Infos hier), protestierten am Montagabend auch in Berlin selbsternannte Coronaleugner gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie (Infos hier). So gab es Blaulicht-Alarm an der Gethsemanekirche in Prenzlauer Berg (Foto hier), einst ein wichtiger Ort der friedlichen Revolution in der DDR. Anlass war offenbar eine "nicht genehmigte Versammlung" gegen die Corona-Maßnahmen. Die Polizei forderte per Lautsprecher dazu auf, einen Versammlungsleiter zu benennen, Maske zu tragen und Abstand zu halten. Nachdem dies nicht geschah, wurden mehrere Platzverweise erteilt. Als die Protestler später am Abend zurückkamen, rückte die Polizei erneut an und räumte den Platz vor der Kirche, in der sich einst die DDR-Opposition friedlich versammelt hatte. Anwohnerinnen und Anwohner lieferten sich Wortgefechte mit Coronaleugnern, die meinten, sich bei ihrem Eintreten für Eigensinn auf die Solidarität der friedlichen Revolution berufen zu können. Almut Bellmann, Pfarrerin der Gemeinde, distanzierte sich auf Nachfrage scharf von den Protesten. „Wir beten jeden Tag in unserer Kirche für zu Unrecht Inhaftierte“, sagte Bellmann am Checkpoint-Telefon. „Viele unserer Gemeindemitglieder haben eine Diktatur noch erlebt, in unserem Land heute herrscht keine.“ In der Gemeinde gibt es seit Jahren Fürbitten für politische Häftlinge, unter anderem auch für den in den Türkei verhafteten Menschenrechtler Peter Steudtner, der selbst in der Gemeinde aktiv ist. Zuletzt sei eine Andacht von Coronaleugnern gestört worden, erzählt Bellmann, „da wurden Menschen bespuckt und ihnen wurde die Maske runtergerissen“. Deshalb habe sie sich auch an die Polizei gewandt – sie sei sehr froh, dass diese jetzt Präsenz zeige. „Und wir werden uns auch als Gemeinde überlegen, wie wir uns öffentlich distanzieren können.“ Kiezhausen bleibt stabil. | |||||
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In den Schulen und Kitas hangeln sich die Kinder in die Quarantäne-Ferien, während am Mittwoch endlich offiziell die Impfungen von Kindern beginnen (Alle Infos hier). Die Halb-Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko), Kinder impfen lassen zu dürfen, kam aber für viele Arztpraxen offenbar zu spät (via @Dr.Pappa). Sie verpassten frühere Bestellfristen für den Impfstoff und legen nun erst ab Januar los. Immerhin im Naturkundemuseum gibt es bis zum Wochenende eine Impfaktion für Kinder – mit freiem Eintritt zu den Sauriern (Infos hier). Damit das Leben irgendwann wieder gut weitergeht. | |||||
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Plötzlich gestorben ist ein nicht nur in Berlin verehrter Maler: Jens Jensen. Zunächst als Jazztrompeter ins gerade eingemauerte West-Berlin gekommen, widmete er sich dem Malen und Zeichnen – und wie in seinen Songs liebte er auf der Leinwand die Improvisation mit vielen Zwischentönen. Nun ist Jensen am 26. November zu Hause verstorben, wie seine Schwester Elke Schroeder jetzt dem Checkpoint mitteilte. „Viele Freunde auf der ganzen Welt werden ihn vermissen“, schreibt seine Familie in einer Traueranzeige. „Er hatte Ausstellungen in mehr als 50 Ländern und wird uns als liebevoller Mensch in Erinnerung bleiben“, berichtet sein Schwager Jürgen Schroeder am Telefon. Noch in diesem Frühjahr hatte Jensen, der auch lange an der Hochschule der Künste gelehrt hatte, seine fröhlich-bunten Bilder in der Galerie Born an der Potsdamer Straße ausgestellt (zu sehen hier). Mit ihm verliert Berlin eine schöne Farbe. | |||||
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Wie viel Zeit haben wir zu verlieren? Am Wahlabend, der in Berlin so chaotisch ablief wie sonst nirgendwo im Land, verlor die Hauptstadt vor lauter Warterei auf die richtigen Wahlzettel fast ihren demokratischen Verstand. Allein in Friedrichshain-Kreuzberg waren viele Wahllokale mehr als eine Stunde geschlossen – hier die Auswahl der schlimmsten Stimmbezirke: 204 (123 Minuten), 401 (100 Minuten), 412 (100 Minuten), 402 (94 Minuten), 601 (90 Minuten). „Einer Demokratie unwürdig“ findet das nicht nur der örtliche CDU-Chef Timur Husein. Dass dieser Skandal wirklich Folgen hat, darauf wartet die Stadt allerdings bis heute. | |||||
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Falls Sie heute und morgen und auch noch übermorgen was wirklich Sinnvolles machen wollen, engagieren Sie sich einfach im Ehrenamt. Mehr als eine Million Berlinerinnen und Berliner hilft freiwillig in Sport-, Kultur- und Umweltvereinen, in Hilfs-, Eltern- oder Kiezinitiativen. Einer von ihnen ist der Hobbyhistoriker Christian Bormann, der mit seiner „Pankower Chronik“ (online hier) die Geschichte von Berlins größtem Bezirk erforscht und dafür nun mit anderen den Pankower Ehrenamtspreis erhalten hat. Am Montag erreichten wir ihn an seinem 41. Geburtstag für ein kurzes Checkpoint-Interview. Herr Bormann, was fasziniert sie so an Berlins Geschichte? Ich bin schon als kleiner Junge in Pankower Keller geklettert und habe in Hinterhof-Ruinen nach verlorenen Schätzen gesucht. Auch zu DDR-Zeiten wurde ja Geschichte hinter neuen Fassaden versteckt. Mich hat immer das Verborgene interessiert – und die Geschichten dahinter. Jetzt suchen Sie zum Beispiel nach Berliner Bären an Häuserwänden. Durch Sanierungen verschwinden Wandbilder aus dem Stadtbild, auch vom Berliner Wappentier. Am Pankower Rathaus habe ich vier Bären entdeckt – die Figuren an der Fassade wurden immer für Füchse gehalten. Überhaupt das Rathaus: Nach dem Krieg war hier die sowjetische Kommandantur untergebracht. Im Keller gab es geheime Gefängniszellen, in denen etwa frühere Kommandanten der Konzentrationslager gefangen gehalten wurden. Jeder Berliner Ort kann etwas über unsere Geschichte erzählen. Sie haben bei einem Spaziergang auch einen letzten Überrest der Berliner Mauer entdeckt. Was ist daraus geworden? Das Mauerstück zwischen Pankow und Reinickendorf steht jetzt auf der Denkmalliste, verfällt aber zusehends. Am Bahnhof Schönholz soll ja ein Parkplatz für ICEs entstehen, diesem Plan steht die alte Mauer wohl im Weg. Vielleicht will sich deshalb keiner so richtig kümmern, sie zu erhalten. Sie dokumentieren Pankows Geschichte im Internet. Was ist Ihr neuestes Projekt? Gerade graben wir in Blankenburg auf dem Hof einer Grundschule alte Schätze aus. Ich habe dort bäuerliche Geräte von etwa 1700 gefunden und auch Reste einer Keramikbrennerei. Danach stand hier eine Schule, wir haben 120 Jahre alte Tabakpfeifen geborgen, die sicherlich Lehrern gehörten – und auch Stahlhelme von den Kämpfen um Berlin im Zweiten Weltkrieg. Wir bereiten diese Epochen kindgerecht im Internet auf, damit heutige Schülerinnen und Schüler daraus lernen können. Hauptberuflich arbeiten Sie als Verkäufer von Wanduhren. Was gefällt ihnen immer noch an Pankow? Ich habe nie woanders gelebt, weil hier viel Geschichte zu Hause ist und sich ständig alles verändert. Die Mischung aus Alt und Neu, auch aus Arm und Reich, aus ländlichem Vorort und Alleen zum Alexanderplatz – all das macht Pankow so interessant. Ganz unterschiedliche Leute kommen hier miteinander aus. Was aber Pankow bei aller Veränderung nicht vergessen sollte: Es war immer eine grüne Lunge Berlins. Nur von Beton kann keiner leben. | |||||
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Und dann noch zum Wichtigsten: der Liebe. Bei Jugendlichen dauern die ersten Beziehungen durchschnittlich achteinhalb Monate, wie Studien zeigen. „Als sich meine Mutter Tinder runtergeladen hat, habe ich meins gelöscht“, erzählt die 17-jährige Mia im Tagesspiegel-Report über das Liebesleben von Berliner Jugendlichen (nachzulesen hier). Manchmal aber braucht die erste Liebe viele Jahrzehnte und eine Distanz von 12.000 Kilometern, um sich doch noch zu erfüllen. So wie bei Michael aus Berlin, der 35 Jahre nach einem verpassten Kuss in Südamerika mit seiner dortigen Jugendliebe zusammenkam. Helena Piontek hat es für unsere neue Liebeskolumne aufgeschrieben (nachzulesen hier). Jugendliebe - zum Glück keine Frage des Alters. | |||||
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