alle reden vom „Globalen Süden“. Beim jüngsten Gipfel der Brics-Staaten in Südafrika Ende August wollten die anwesenden Staatschefs die „Agenda des Globalen Südens voranbringen“. Wenige Tage später beim G-20-Gipfel in Delhi versprach der Gastgeber, Indiens Premierminister Narendra Modi, die „Stimme des Globalen Südens“ zu sein. Und bei der UN-Vollversammlung in der Woche darauf sprach auch alle Welt vom Globalen Süden, dessen Wünsche und Interessen heute wichtiger denn je seien. Dabei gelingt eine Definition, was der „Globale Süden“ genau sein soll, nicht widerspruchsfrei. Trotzdem ist der Begriff hilfreich, weil er auf wichtige Bruchlinien im Verständnis internationaler Politik hinweist: Jenseits des Westens wächst etwas zusammen, schreiben die Politikwissenschaftler Johannes Plagemann und Henrik Maihack in ihrem Beitrag „Der Anti-Westen“. In einem Land des Globalen Südens, nämlich in Argentinien, hat gerade ein Radikal-Libertärer die Präsidentschaftswahl gewonnen. Der designierte Präsident Javier Milei rückt an die Spitze eines Landes, das unter einer hohen Inflation ächzt und in dem viele Menschen Angst um ihre Zukunft haben. Vor allem viele junge Leute haben für ihn gestimmt. Sie hoffen auf radikale Reformen, schreibt Südamerika-Expertin Allison Fedirka. Radikale Reformen verspricht auch die Ampel-Regierung, allerdings solche, die die Wirtschaft eher kaputtmachen als voranbringen und die obendrein viel Geld kosten. Der Reformeifer wurde jetzt ein wenig gebremst: Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass Corona-Gelder nicht einfach für Klimaprojekte ausgegeben werden dürfen. Darüber wurde am Sonntagabend auch bei Anne Will diskutiert. CSU-Politiker Dobrindt warf der Ampel Betrug vor. Er sprach von einer „Kernschmelze des Koalitionsvertrages“, wie Ben Krischke berichtet, der sich die Sendung angesehen hat. Und was sagt die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts? Sie sieht neue Staatsschulden und Ausgaben für „Soziales“ als unverzichtbare Bedingungen ihrer Politik. Sonst kämen die Krise und die „rechten Parteien“. Mein Kollege Ferdinand Knauß über Ricarda Langs doppelten Offenbarungseid. Ebenfalls Reformen nötig hat die Evangelische Kirche. Mit dem Rücktritt der Ratsvorsitzenden Annette Kurschus ist die Missbrauchskrise auch im Herzen der EKD angekommen. Es muss der Beginn eines grundlegenden Neuanfangs sein, auch was den gesamtgesellschaftlichen Umgang mit sexualisierter Gewalt angeht, schreibt Cicero-Redakteur Volker Resing, der meint, dass man den Fall als Chance begreifen müsse. Zum Schluss eine Buchempfehlung: Tuvia Tenenbom hat mit „Gott spricht Jiddisch“ nicht nur eine Reportage über die Welt der ultraorthodoxen Juden geschrieben, sondern auch ein einsichtsvolles Buch über den Zustand des Westens. Nico Hoppe über „Widersprüche aus nächster Nähe“. Ihr Ingo Way, Chef vom Dienst Cicero Online |