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Die Forschung sagt: Es gibt auch positive Kipppunkte. Bei Veggie-Kost stimmt immerhin der Trend, und Nachhaltigkeit gewinnt für Marken auch als Umsatzfaktor an Bedeutung. |
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| | Die Pariser Klimaziele sind nur mit einer Ernährungsumstellung hin zu pflanzenbasierter Kost erreichbar, meint Lukas Fesenfeld von der ETH Zürich. (© Pexels) |
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Wenn in diesen Tagen von Kipppunkten die Rede ist, geht es meist um apokalyptische Szenarien: unerträgliche Temperaturen, schmelzende Gletscher und Regionen, die dem steigenden Meeresspiegel zum Opfer fallen. Dass auch positive Kipppunkte existieren könnten, jenseits derer sich die Nachhaltigkeit von Systemen abrupt verbessert, ist ein ungewohnter Gedanke. Doch es gibt sie, ausgelöst durch Anreize, technischen Fortschritt und positives Feedback, das soziale Normen verändert. Viele kleine Maßnahmen erzeugen eine Dynamik, durch die Transformation innerhalb vergleichsweise kurzer Zeit gelingt – ein Beispiel ist der Siegeszug des E-Autos. Einer der Experten auf diesem Gebiet, der Schweizer Politökonom Lukas Fesenfeld von der ETH Zürich, fordert gezielte Strategien, um das Entstehen solcher Kipppunkte zu ermöglichen – und dabei kommt es nicht zuletzt auf kluges Marketing an. |
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| Fesenfeld hat vor allem dazu geforscht, was erforderlich ist, um Menschen von pflanzenbasierten Lebensmitteln zu überzeugen, denn: „Die Pariser Klimaziele sind nur erreichbar, wenn wir unsere Ernährung umstellen“, sagte er im Rahmen der „KlimaLectures“ der Jungen Akademie, einem Netzwerk von Nachwuchs-Wissenschaftler*innen. Als Vorbild sieht er Dänemark, das gerade den weltweit ersten Aktionsplan zur Förderung einer pflanzenbasierten Ernährung vorgestellt hat. Die Produktion pflanzlicher Lebensmittel wird entlang der Wertschöpfungskette gefördert, Landwirt*innen erhalten Zuschüsse, wenn sie umstellen. Doch Vorsicht: „Die Kommunikation sollte sich auf die Vorzüge pflanzlicher Ernährung fokussieren und nicht auf ein Verbot von Fleisch“, mahnt Fesenfeld. Sonst droht, erlauben wir uns hinzuzufügen, ein Desaster wie beim Heizungsgesetz. Ein Glück, dass vegetarisches und veganes Essen der Gesundheit dient, um die sich viele Menschen mehr kümmern als um den Klimawandel. |
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Vielleicht ist Deutschland hier ja deshalb auf einem guten Weg. Nach dem soeben vorgestellten Ernährungsreport des Bundeslandwirtschaftsministeriums isst nur noch jeder fünfte Deutsche täglich Fleisch, 2015 war es noch jeder Dritte. Knapp die Hälfte der Befragten schränkt den Fleischkonsum bewusst ein, mehr als 50 Prozent haben schon mindestens einmal Veggie-Fleischersatz gekauft. „Für Hersteller und Handel ist eine pflanzenbetonte Ernährung längst zu einem Milliardenmarkt geworden“, stellt Minister Cem Özdemir fest. Und dieses Potenzial ist beileibe nicht ausgeschöpft, wie die Erfahrung der Lebensmittel-Marke Veganz zeigt, die vorgestern einen Online-Shop eröffnete. Auch dabei kam es zu einer Art Kipppunkt: Innerhalb von 24 Stunden waren sämtliche Wurst- und Käsealternativen ausverkauft. Per Email leistete Veganz Abbitte bei seinen Kund*innen: „Das haben wir nicht erwartet.“ Nun, es gibt schlimmere Anlässe, sich zu entschuldigen. |
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| Noch keine Kehre, aber immerhin einen ermutigenden Trend gibt es beim „Nachhaltigkeitsumsatz“ – dem Umsatzanteil, der vom Nachhaltigkeitsimage einer Marke bestimmt wird. Einer Studie der Münchner Marketingagentur Biesalski und des Green Network zufolge liegt dieser Anteil im Durchschnitt bereits bei rund zehn Prozent; die Dimension ist somit fast genauso wichtig wie Preis, Sympathie oder Attraktivität. Bei einer vergleichbaren Studie von 2016 waren es erst fünf Prozent. Schaut man sich das Ranking der 30 untersuchten Top-Marken genauer an, kommt man allerdings ins Grübeln: Ganz oben mit 17,3 Prozent steht Tesla, ein Unternehmen, das als Arbeitgeber keinen guten Ruf hat, während die Ökostrom nutzende Deutsche Bahn mit 5,2 Prozent einen der hinteren Plätze belegt. Die Autor*innen der Studie haben dafür eine interessante Erklärung: Die subjektive Kundenperspektive sei von anderen Faktoren geprägt als die von Expert*innen; die gefühlte Nachhaltigkeit einer Marke entscheide sich in erster Linie danach, ob sie als „fair“ wahrgenommen werde. „Eine gute Fairnesswahrnehmung schafft die Voraussetzung, dass Kunden Unternehmen in Bereichen positiv beurteilen, die sich ihrer Erfahrung entziehen… Botschaften zu Nachhaltigkeitsthemen werden meist nur dann positiv aufgenommen, wenn das Unternehmen als grundsätzlich fair und damit glaubwürdig wahrgenommen wird.“ |
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Noch jemand beschäftigt sich mit Kipppunkten: Der indisch-amerikanische Strategieberater und Bestsellerautor Parag Khanna, mit Titeln wie „Das Zeitalter der Migration“ auch in Deutschland erfolgreich. Nun hat er das Unternehmen Climate Alpha gegründet, das mit Hilfe Künstlicher Intelligenz berechnen will, welche Regionen dieser Welt klimaresilient sind. Das soll Unternehmen bei Investitionsentscheidungen helfen. Als Schlussredner auf Europas größter Immobilienmesse Expo Real warnte Khanna vor Ruinen an Standorten, an denen niemand mehr leben kann oder will, weil sie zu heiß, zu trocken oder längst überflutet sind. Sein Rat: „Antizipieren Sie die Nachfrage, nutzen Sie den First-Mover-Advantage!“ Solche Sprache muss man nicht mögen, aber es ist ja wahr: Angesichts der durchschnittlichen Lebensdauer von 80 bis 100 Jahren wäre es eine gigantische Ressourcenverschwendung, Wohnhäuser, Büroimmobilien und Produktionsanlagen an Standorten zu bauen, die heute attraktiv, aber morgen wertlos sind. Noch einmal Khanna: „Wir neigen dazu, rückwärts zu schauen, wenn es um Performance geht. Aber die Vergangenheit ist ein schlechter Ratgeber für die Zukunft, wenn sich so viel ändert wie jetzt.“ Eine gute Woche noch, und behalten Sie die Zukunft im Blick! |
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Zu Umweltthemen recherchierte Christine Mattauch schon an der Journalistenschule – es war die Zeit der ersten großen „Bio“-Welle. Heute beschäftigt sie sich mit grünen Marketingstrategien und der Frage, wie sich Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit verbinden lassen. Die freie Wirtschaftsjournalistin arbeitet in München. |
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