nachdem ich Ihnen gestern zur Verabschiedung den sozialistischen Gruß entboten hatte und sich daraufhin prompt ein freundlicher Herr meldete nach dem Motto: Was muss man sich denn eigentlich noch alles gefallen lassen … Nun ja, da kehren wir heute also lieber wieder zurück zu den gewohnten bürgerlichen Umgangsformen. Womit wir auch schon beim Thema wären, nämlich den Fernsehduellen vor der amerikanischen Präsidentschaftswahl. Weil bei der ersten Runde zwischen Amtsinhaber Donald Trump und seinem Herausforderer Joe Biden mit Blick auf bürgerliche Kommunikationskultur erkennbar noch ein bisschen Luft nach oben blieb („Will you shut up, man!“), wollte ich natürlich wissen, ob es bei der Zweitbesetzung zwischen Mike Pence und Kamala Harris Fortschritte geben würde. Ich bitte an dieser Stelle auch die frühe Uhrzeit zu würdigen, zu der man sich als deutscher Zuschauer vor den Bildschirm setzen musste, um den Fight zwischen der Senatorin aus Kalifornien und dem Vizepräsidenten live mitzuerleben. Aber wir scheuen hier ja keine Mühen. Kurzum: Der Austausch zwischen Harris und Pence war verbindlich im Ton, jedoch hart in der Sache. Verbindlich im Ton, hart in der Sache: Damit ist auch ein Interview treffend umschrieben, das meine Kollegin Antje Hildebrandt mit dem Bonner Star-Virologen Hendrik Streeck geführt hat. Natürlich geht es um die Corona-Pandemie, und was Streeck zu sagen hat, steht in einigem Widerspruch zu den täglichen Schreckensmeldungen, mit denen sich ein paar deutsche Politiker permanent glauben profilieren zu müssen. Hier in Berlin steigen übrigens kurz vor den Herbstferien die Preise für Corona-Schnelltests noch deutlich schneller als die Immobilienpreise. Mein Kollege Moritz Gathmann, der am Sonntag mit seiner sechsköpfigen Familie eigentlich nach Bayern fahren wollte, müsste nach derzeitigem Stand insgesamt 1200 Euro für die gesamte Testerei berappen – was aber ohnehin sinnlos wäre, weil mit den Ergebnissen nicht vor Anfang nächster Woche zu rechnen ist. Da fängt der Urlaub doch prima an. Vielleicht liest man also einfach besser ein gutes Buch. Nachdem Philip Roth als Dauer-Favorit für den Literatur-Nobelpreis vor zwei Jahren leider verstorben ist und mein persönlicher Geheimtipp (Salman Rushdie) ohnehin chancenlos sein dürfte, heißt es dieses Jahr: And the winner is… Louise Glück! Herzlichen Glück-Wunsch also an die weltbekannte Lyrikerin aus den USA. Freuen wir uns auf ein paar besinnliche Stunden mit den Gedichten Louise Glücks vor dem heimischen Kamin. Der Herbst kann kommen! Ihr Alexander Marguier, Chefredakteur |