Der hessische Verwaltungsgerichtshof verbietet der Supermarktkette tegut den Betrieb des automatisierten Digital-Supermarkts teo, das Einkaufen störe die Sonn- und Feiertagsruhe der Bevölkerung. |
|
Digitaler Supermarkt Teo von Tegut: Sonntags ohne Personal, jetzt auch ohne Kunden |
Die ganze Branche ist auf der Suche nach dem Supermarkt 2.0. Tegut setzt mit seinem innovativen Nahversorger-Konzept Teo dabei auf prämiertes ökologisches Design, digitale Self-Service-Kassen und streicht die Öffnungszeiten komplett. Gearbeitet wird in den Filialen nur werktags, eingekauft werden kann aber rund um die Uhr. Aktuell betreibt Tegut 39 dieser Automaten-Kleinstfilialen, insgesamt sollen es über 300 bundesweit werden. |
|
Das Nahversorgungskonzept wird besonders gut außerhalb der gewohnten Öffnungszeiten genutzt, nach Sonn- und Feiertagen können einzelne Teo-Märkte fasst vollständig leergekauft sein, wie meine Recherche im baden-württembergischen Malsch im Sommer vergangenen Jahres und nach den Weihnachtsfeiertagen zeigte. |
In Hessen ist damit jetzt Schluss. |
|
Beten hui, einkaufen gehen pfui |
Diese, zugegebenermaßen etwas alberne, Überschrift, fasst den Eilentscheid des hessischen Verwaltungsgerichtshofs passend zusammen. Denn „albern“ ist genau das richtige Wort, um die Begründung des Gerichts zu beschreiben. |
Die Ladenschlussgesetze der Länder basieren vereinfacht ausgedrückt auf zwei im Grundgesetz verankerten Prinzipien: dem Arbeitsschutz und dem Schutz der Sonn- und Feiertagsruhe. |
|
Das Gericht stimmte dem Betreiber Tegut zwar zu, dass hinsichtlich des Arbeitsschutzes den Buchstaben des Gesetzes Genüge getan sei, führt dann aber aus „das Hessische Ladenöffnungsgesetz diene allerdings nicht allein dem Arbeitnehmerschutz, sondern auch dem Ziel, die Sonntage und staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung zu schützen.“ |
|
Jetzt wird es richtig unterhaltsam, denn ob die Waren aus einem Automaten oder aus einem Laden entnommen werden, soll laut Ansicht der Richter keine Rolle spielen. „Der Verkaufsvorgang setze in beiden Fällen ein aktives Handeln des Kunden voraus“. |
|
In der Folge stufte das Gericht den automatisierten Kiosk als normale „Verkaufsstelle“ ein, und gibt den existenziell wichtigen Öffnungszeiten von Teo damit den Todesstoß. |
Einen Vergleich mit dem Onlinehandel verbittet sich das Gericht vorausschauend auch gleich: „Insbesondere habe der Onlinebestellvorgang keinerlei Außenwirkungen und sei daher nicht geeignet, die Sonn- und Feiertagsruhe der übrigen Bevölkerung zu beeinträchtigen.“ |
|
Die absurde Dreifaltigkeit der Gerichtsentscheidung |
Ich fasse zusammen: |
Einkaufen schadet der seelischen ErhebungEinkaufen ist ArbeitEinkaufen stört die Sonn- und Feiertagsruhe der hessischen Bevölkerung |
Die klagende Stadt Fulda will an dem Debakel nicht Schuld sein, die Gesetzeslage und übergeordnete Stellen hätten die Stadt quasi zur Klage gezwungen, so die Argumentation. |
|
Jetzt hoffen Tegut und angeblich auch die Stadt Fulda auf eine Änderung der Gesetzeslage: Die neue hessische Regierung hatte sich vorgenommen, das Ladenschlussgesetz zu ändern. Im Koalitionsvertrag steht geschrieben: „Um die Versorgung insbesondere im ländlichen Raum zu verbessern, wollen wir die Sonntagsöffnung für voll automatisierte Verkaufsflächen, die an Sonntagen ohne den Einsatz von Personal auskommen, durch eine Änderung des Hessischen Ladenöffnungsgesetzes ermöglichen.“ |
|
Um weiteren vorsintflutlich anmutenden Entscheidungen von weltfremden Richter:innen vorzubeugen, kann ich den Landesregierungen aller Länder nur empfehlen, vorsorglich gleich alle Ladenschlussgesetze zu überarbeiten. |
Es ist dringend notwendig, bundesweit Rechtssicherheit für neuartige Verkaufskonzepte wie Teo zu schaffen. Das bremst sonst Innovationen und Investitionen aus, die den Alltag der Menschen bereichern, Arbeitsplätze schaffen und den öffentlichen Raum in Städten und Dörfern bereichern. |
In der Zwischenzeit warte ich darauf, dass die Kasseler Richter:innen in ganz Hessen die Zigarettenautomaten abschrauben. |