Sehr geehrte Damen und Herren, Demokratie hat sich in der Vergangenheit immer durch die Überwindung von Herrschaftseliten entwickelt. Menschen rebellierten gegen Obrigkeiten für mehr Mitbestimmung: für Abstimmungen und ein Wahlrecht für die unteren Gesellschaftsschichten, bis zum Frauenwahlrecht und die Beteiligung von Jugendlichen. Was ist heute der nächste Schritt? Wie kann sich unsere Demokratie weiterentwickeln? Heute begehren die Menschen mehr Demokratie auch zwischen den Wahlen. Sie wollen öfter gefragt und in Entscheidungen einbezogen werden. Sie wollen mehr – aber sie dürfen zu selten. Das müssen wir ändern. Wie sich das anfühlen kann, habe ich am vergangenen Wochenende bei der Bürgerdebatte gerechte Steuern und Finanzen in Erfurt erlebt. Vierzig ausgeloste Menschen aus ganz Deutschland in einem Raum. Polizist, Unternehmer, Beamtin, Lehrerin, Arbeitsloser. Die jüngste eine 16-jährige Schülerin, der älteste ein 78-jähriger Rentner. Zu Beginn gestehen sich die meisten im Raum ein, dass sie wenig bis gar keine Ahnung von Finanz- und Steuerpolitik haben. So manch einer zweifelt, ob er hier überhaupt richtig ist. Passend zur Einstellung, die so manche Politikerinnen und Politiker pflegen: Ihr habt doch keine Ahnung, überlasst das den Politikerinnen und Experten, schwierige Entscheidungen für alle zu treffen. Und mal ehrlich: Wer von uns hat sich das nicht auch schon mal gedacht? Den anderen Menschen in der Demokratie zu vertrauen? Ich wurde am Wochenende eines Besseren belehrt. Für die Selbstzweifel bleiben in Erfurt gar keine Zeit: Schon machen geladene Expertinnen und Experten alle vertraut mit den Staatsausgaben. Sichtbar mit Hilfe bunter Würfel, ein jeder steht für 10 Milliarden Euro. Eine Billion Euro nimmt der Staat durch vierzig verschiedene Steuerarten ein. Pro Jahr. Und doch reicht es hinten und vorne nicht. Schnell erkennen alle im Raum das Dilemma und diskutieren über Spielräume, Einschränkungen und Mehreinnahmen. Jeder mit dem Blick aus seiner Lebenserfahrung und seinem Empfinden, was gerecht oder ungerecht ist. Ich stehe mitten im Machinenraum der Demokratie. Hier zeigt sich gelebte Demokratie. Diese Vielfalt, Menschen, die sonst kaum mit Finanzpolitik zu tun haben, bringen sich ein, mit Respekt und Verantwortung für alle. Am Ende sollen in wenigen Wochen Empfehlungen für Politik und Öffentlichkeit vorliegen. Auch die Presse ist da, die Bürgerdebatte hat es bis in die ZDF-Heute Nachrichten geschafft. Ein Ergebnis hat die Bürgerdebatte jetzt schon: Die Menschen wollen mitmachen. Und das ist das demokratische Potential. Wir müssen dieses Potential nur nutzen. Diese gelosten, professionell moderierten Formate sind Antworten auf das Bedürfnis der Menschen nach mehr Demokratie. Sie könnten bundesweit und überall genutzt werden. Jederzeit, überall da, wo Menschen leben. Zu strittigen oder herausfordernden Themen. Diese Maschinenräume der Demokratie bergen ungenutzte Potentiale unserer Gesellschaft.
Demokratie kann mehr, wenn wir ihr die richtigen Momente dafür organisieren.
Die Demokratie wird sich dort gut weiterentwickeln, wo gewählte Vertreterinnen und Vertreter auf diese Potentiale zurückgreifen, statt sie als unnötig abzutun. Für mehr Demokratie Ihre |