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Kurzstrecke |
Tagesspiegel Checkpoint vom Freitag, 29.01.2021 | Bewölkt bei -1°C. | ||
+ Das Desaster der Gesundheitssenatorin + Angst vor Corona: Ehrenamtliche Ärzte stellen Arbeit ein + Radiosender erklärt Corona für beendet + |
von Lorenz Maroldt |
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Guten Morgen, unsere erste Geschichte für heute klingt unglaublich, aber sie ist wahr – und sie hat ihren Platz in der Corona-Historie des Senats sicher, und zwar im Kapitel „Spritzenpolitik“. Der Donnerstag begann mit düsteren Aussichten: Das Mittel eines Herstellers ist nicht für die Jahrgänge Ü65 geeignet, es gibt Zweifel an der Wirksamkeit bei neuen Mutationen, die Impfstoffversorgung stockt. Im Abgeordnetenhaus versammeln sich die Fraktionsmitglieder zu ihrer Sitzung. Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci tritt ans Pult. Was sie zu sagen hat, ist eine Überraschung, ja: eine Sensation. „Ich habe heute früh unseren Regierenden Bürgermeister darüber unterrichtet, dass ich und meine Behörde in guten Gesprächen ist mit Berlin-Chemie. Berlin-Chemie ist bereit, in Berlin, meine Damen und Herren, eine Impfstoffproduktion aufzubauen.“ Um 11:51 fasst die Pressestelle ihrer Verwaltung den Kern von Kalaycis Botschaft offiziell und zum Mitlesen nochmal zusammen: „Gute Nachricht: Berlin steht bereit, bei der Impfstoffproduktion mitzuhelfen. Wir sind im Gespräch mit Berlin-Chemie, die sich dazu bereit erklärt haben. Es wäre großartig, wenn Berlin auch weltweit mithelfen kann, Impfstoff zu produzieren.“ Ein Berliner Unternehmen produziert Corona-Impfstoff für die Welt? Kann das wirklich wahr sein? Hatte nicht der Regierende Bürgermeister noch vor zwei Wochen eine solche Produktion in Berlin ausgeschlossen? Staunend hören die Abgeordneten und auch die anderen Senatsmitglieder Kalayci weiter zu: „Berlin-Chemie hat gute Voraussetzungen für die Produktion von Impfstoff. Es steht eine Produktionsstätte und auch Personal dafür zur Verfügung. Mit unserer Unterstützung gehen wir davon aus, dass die Umsetzung schnell möglich ist.“ Die Verblüffung im Parlament ist groß. Stolz macht sich breit auf der einen Seite, auf der anderen überwiegt die Skepsis: „… dass die Umsetzung schnell möglich ist“? Wie soll das gehen? Schnell verbreitet sich erstmal nur die Nachricht: in Berlin, Deutschland und der Welt. 12:49 Uhr. SPD-Fraktionschef Raed Saleh ist vor Begeisterung über die pandemisch und politisch hoffnungsvolle Nachricht ganz aus dem Häuschen. Er gibt bekannt: „Ich freue mich über die Ankündigung, dass Berlin-Chemie erwägt, eine eigene Impfproduktion in Berlin zu starten. Die Pandemie ist weltweit nur mit ausreichend Impfstoff und einer gleichzeitigen Impfstrategie zu besiegen. Impfen was das Zeug hält setzt voraus, dass genug Impfstoff vorhanden ist. Eine mögliche weitere Produktionsstätte für Impfstoff ist ein großer Schritt in die richtige Richtung. Ich danke der Gesundheitsverwaltung für ihr Engagement.“ Am Nachmittag verbreitet die SPD-Fraktion die Erklärungen von Kalayci und Saleh als frohe Botschaft bei Facebook. 18.37 Uhr. Der RBB veröffentlicht ein Interview mit Michael Müller – der Regierende Bürgermeister sagt: „Meine Erkenntnisse sind jetzt so, dass es nicht um Impfstoffproduktion geht, sondern um das Abfüllen von Impfstoffen.“ 19:06 Uhr. Ein PR-Büro veröffentlicht im Auftrag von Berlin-Chemie eine Erklärung – der Wortlaut: „Berlin-Chemie bedankt sich bei der Berliner Senatsverwaltung für die positiven und konstruktiven Gespräche bezüglich einer möglichen Unterstützung bei der Aufbereitung von Impfstoffen gegen SARS-CoV-2. Die Technologie, über die das Unternehmen verfügt, ist für die Produktion von Impfstoffen nicht geeignet.“ Zwischen „guten Voraussetzungen für die Produktion“ und „für die Produktion nicht geeignet“ lagen gerade mal zehn Stunden, aber Millionen enttäuschter Hoffnungen. Ein Desaster, eine Verheerung. Und ein tiefer Einblick in eine politische Fantasiewelt, in der die Chemie schon lange nicht mehr stimmt – und in der Berlin-Chemie nach dieser Bloßstellung wohl kaum noch als billiger Abfüller vorgeführt werden möchte. | |||||
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Der „Malteser Migranten Medizin“, einem senatsgeförderten Vorzeigeprojekt zur kostenlosen Behandlung von Menschen ohne Krankenversicherung, laufen die ehrenamtlichen Ärzte weg – die meisten von ihnen gehören wegen ihres Alters selbst zur Risikogruppe und haben Angst vor einer Ansteckung, weil sie nicht vorrangig geimpft werden. Nach Checkpoint-Informationen fehlen u.a. zwei von vier Kinderärzten, zwei von fünf Gynäkologinnen, drei von sechs Allgemeinmedizinern sowie alle Zahnärzte. Die meisten Mediziner sind älter als 65. Eine Gynäkologin sagte dem Checkpoint gestern: „Dem Senat ist das Thema bekannt, aber es gibt keine Bewegung. Wir mögen unsere Arbeit ja, die ist notwendig und sinnstiftend. Aber jetzt läuft es darauf hinaus, dass die Menschen, die sonst zu uns kommen, medizinisch nicht mehr versorgt werden können.“ In einer Mail hatte die Leitung den Ärztinnen mitgeteilt, dass sie die Senatsverwaltung auf die besondere Situation aufmerksam habe („schwierige Kommunikation, Patienten mit erhöhtem Risikoprofil etc.“), aber: „Eine Rückmeldung steht dabei noch aus.“ | |||||
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Lars Békési, Geschäftsführer des Verbands der Kleinen und Mittelgroßen Kitaträger (knapp 9.100 Betreuungsplätze), fordert in einem Brief an den Senat, „kurzfristig dem Personal ein Impfangebot zu unterbreiten“. Andernfalls würden die KitaTräger „von ihrem Hausrecht Gebrauch machen und mit Verweis auf den Mitarbeiterschutz die Betreuungsanfrage ablehnen“. Dann endet auch die Systemrelevanz vor der geschlossenen Tür. | |||||
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Die gute Nachricht: Erstmals seit Oktober ist die Zahl der Neuinfektionen in Berlin auf einen Inzidenzwert von unter 100 gesunken (aber die hoch ansteckende Corona-Mutante verbreitet sich weiter in der Stadt, also: bitte nicht zu früh leichtsinnig werden). | |||||
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Die bekloppte Nachricht: Der Sender „94,3 rs2“ erklärte gestern Corona in einer „Zukunftsmeldung“ für beendet – unter dem Motto „Corona ist vorbei mit rs2!“ wurde der 29.1.2022 imaginiert, aber das Detail bekamen etliche Leute nicht mit. Die Folgen: Erhöhter Telefonverkehr verunsicherter BürgerInnen in den Bezirken und der Senatskanzlei. | |||||
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Die haarige Nachricht: Falls Sie Ihre Corona-Frise loswerden wollen – bewerben Sie sich doch einfach als Komparse für die vierte Staffel von „Babylon Berlin“. Passende Voraussetzung: Sie müssen bereit dafür sein, sich die Haare schneiden zu lassen – und bekommen dafür auch noch Geld! Aber bitte beachten Sie folgenden Hinweis: „Bewerber/innen mit Solarium-Bräune, künstlichen Fingernägeln, Piercings und/ oder sichtbaren Tattoos können leider bei der Serie nicht zum Einsatz kommen.“ Wie die Produktion unter diesen harten Bedingungen in Berlin auf 2000 Leute kommen will, ist mir allerdings ein Rätsel. | |||||
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