Liebe Leserinnen, liebe Leser, bereits in den 1980er Jahren gab es Zweifel daran, dass die gesetzliche Rentenversicherung als Altersversorgung ausreichend ist. Norbert Blüm, damals Arbeitsminister im Kabinett von Bundeskanzler Helmut Kohl, wurde mit seiner Aussage „Die Rente is sischer“ berühmt. Und kaum ein Satz hing ihm den Rest seines Lebens so an wie dieser. Denn er war Wahrheit und Lüge zugleich. Ja, die Rentenzahlung ist sicher. Nein, die Rentenhöhe nicht. Ups… Genau hier liegt das Problem, denn immer weniger Einzahlern stehen immer mehr Rentenempfänger gegenüber. Das funktioniert bei einem umlagefinanzierten System nicht. Als Bismarck die gesetzliche Rentenversicherung in den 1890er Jahren einführte, war sie eine soziale Revolution, eine gewaltige Errungenschaft. Allerdings zeigte sich die Alterspyramide damals noch gesund, viel mehr junge Menschen folgten auf wenige Alte. Und die Lebenserwartung lag eher bei 65 Jahren als bei 85 bei einem Renteneintrittsalter von 65 Jahren. Da war es relativ leicht, mit niedrigen Beiträgen und geringen Rentenzahlungen auszukommen. Kein Vergleich zu heute. Inzwischen wird ja nicht nur die Arbeitszeit als Rentenanspruch gewertet, sondern Kindererziehungszeiten und eine ganze Reihe weiterer Faktoren. Ohne mehrere hundert Milliarden Euro an Zuschuss aus dem Bundeshaushalt – und zwar jedes Jahr – wäre sofort Ende Gelände mit den Zahlungen. Unter Kanzler Gerhard Schröder gab es dann einen Versuch einer privaten Ergänzung: Die Riester-Rente, benannt nach seinem Arbeitsminister Walter Riester. Sie startete mit hohen Erwartungen, doch die Kritiker behielten Recht: Sie war zu bürokratisch und durch zu viele Garantien und Absicherungen so unwirtschaftlich, dass sie kaum Rendite abwirft. Nach knapp 25 Jahren steht fest, dass die Riester-Rente eine gigantische Gelddruckmaschine war – für die Versicherungskonzerne. Und für die Versicherten ein Riesenreinfall, denn außer den auch nicht gerade üppigen staatlichen Zuschüssen kriegen sie am Ende kaum was als Rendite raus. Von der Geldentwertung durch die Inflation sprechen wir lieber gleich mal gar nicht. Die Zahl der Riester-Verträge ist seit 2018 rückläufig und die Kündigungswelle nimmt immer schärfere Züge an – obwohl dann die zuvor gewährten staatlichen Zuschüsse zurückgezahlt werden müssen und der Vertrag sich in ein echtes Groschengrab verwandelt. Und von den verbliebenen rund 15 Millionen Riester-Verträgen werden viele nicht mehr aktiv bespart, sondern sind ruhend gestellt. Eine Bankrotterklärung. Nun wurde ein neuer Versuch gewagt, erneut unter einem SPD-Bundeskanzler. Allerdings von einem FDP-Finanzminister. Entsprechend hoch waren die Erwartungen an eine marktwirtschaftliche und unbürokratische Ausgestaltung. Der veröffentlichte Referentenentwurf enthält davon... wenig. Die Aktienrente (im Entwurf) Die Zielsetzung ist aller Ehren wert: Durch direkte Einzahlungen in einen Aktiensparplan soll Vermögen aufgebaut werden, das im Alter ein zusätzliches Einkommen generiert. Da Aktien auf lange Sicht und über alle Hausse- und Baissephasen hinweg rund 12% Rendite pro Jahr erzielen, wovon 10% aus Kursgewinnen und 2% aus Dividenden resultieren, ist es sinnvoll, die Bevölkerung am Wachstum des Volksvermögens teilhaben zu lassen. Mit Spareinlagen kommt man auf etwas mehr als 2% pro Jahr und kann damit mal gerade die Inflationsrate ausgleichen. Viele Länder setzen schon seit Jahrzehnten auf die Aktienanlage zur Altersversorgung, nur in Deutschland wird die Aktie weiterhin von weiten Kreisen als Zockerpapier und Spekulantenwerkzeug verunglimpft. Vielleicht ist das der Grund, weshalb auch Lindners „großer Wurf“ nicht weit fliegt. Denn herausgekommen als „Aktienrente“ ist nun folgendes: Neben der Riester-Rente soll es künftig ein Wertpapier-Depot geben, das der Staat mit bis zu 600 Euro jährlich fördert. Die Anleger sollen die Wahl haben zwischen einer Riester- oder Rürup-Rente mit wenig Rendite oder einem Aktien- oder Rentendepot. Konkret soll es neben der klassischen Riester-Rente ab 2026 zwei weitere Spar-Varianten geben: einerseits ein neues Rentendepot, bei dem man sein Geld in einer Mischung aus Rentenversicherung und Aktien anlegt. Garantiert werden aber nur 80% der eingezahlten Beiträge, nicht mehr wie bei Riester 100%. Zum anderen soll es eine risikoreichere Variante geben, bei der die Sparer selbst entscheiden, welche Wertpapiere sie kaufen, also Aktienfonds, Aktien einzelner Unternehmen oder Exchange Traded Funds (ETFs). Die Garantie des klassischen Riester-Depots auf eingezahlte Beiträge und Zulagen gibt es bei dieser Variante nicht, hohe Verluste sind also möglich. Auch diese renditeorientierten Produkte werden aber zertifiziert, gehen also durch einen Anlage-TÜV, da sie ja staatlich gefördert werden. Das Thema Verluste ist bei uns Deutschen ja immer Dreh- und Angelpunkt. Gibt es irgendein Risiko, will der Michel davon nichts wissen. Also lässt er auch die Chancen liegen. Dabei bergen Aktien kein Risiko. Richtig gelesen. Wer heute Aktien kauft, hat ein 48%-iges Verlustrisiko, wenn er morgen wieder verkaufen will. Weil Aktien an beinahe zwei Drittel der Börsentage steigen. Je länger man seine Aktie im Depot behält, desto stärker sinkt das potenzielle Verlustrisiko. Ab einer Anlagedauer von 20 Jahren ist es statistisch gesehen Null. Wer also einen ETF kauft und 20 Jahre lang behält, macht keinen Verlust damit. Selbst wenn er ihn am Vorabend des Internetcrashs im Jahr 2000 oder direkt vor der Globalen Finanzkrise und dem Börsencrash ab 2007 gekauft hat. Erst staatliche Förderung, dann Besteuerung Wer das neue private Depot zur Altersvorsorge wählt, bekommt pro Jahr bis zu 600 Euro an staatlichen Zulagen. Konkret fördert der Staat jeden angelegten Euro mit 20 Cent bis zu einer Größenordnung von 3.000 Euro im Jahr. Während der Ansparphase sollen die Kapitalerträge zunächst steuerfrei bleiben. Sie werden aber nachgelagert in der Auszahlungsphase im Alter besteuert, also analog zu anderen privaten Rentenversicherungen und der gesetzlichen Rente. Der Vorteil der nachgelagerten Besteuerung ist, dass anfangs kein Geld abfließt und so der Zinseszins-Effekt über Jahrzehnte seine Wirkung entfalten kann. Erst bei der Auszahlung im Alter müssen die Erträge dann versteuert werden. Es wird also tendenziell ein sehr viel höherer Betrag versteuert, was sowohl Finanzamt als auch Aktiensparer erfreut. |