Virologie ist wie Fußball. Vor jedem großen Match schafft man sich die wesentlichen Redewendungen und Regeln drauf, um im Notfall für alle Eventualitäten gewappnet zu sein. Es könnte ja sein, Jogi Löw legt noch während der EM seine Ämter nieder, oder die Charité sucht unverhofft einen neuen Chefvirologen. Für letzteren Fall empfehle ich unbedingt, unser heutiges Interview mit dem Hamburger Virologen Jonas Schmidt-Chanasit in aller Ruhe zu studieren. Dort nämlich lernen Sie alles, was Sie im Fall einer plötzlichen Lehrstuhl-Vakanz über Corona-Virusvarianten wissen sollten. Zudem erklärt Schmidt-Chanasit viele neue Sachen, die man im Land der 80 Millionen Virologen und Fußballtrainer ja gar nicht bis ins Detail wissen kann. So etwa diese: „Die wichtigste Frage ist, warum eine Variante in einer bestimmten Situation und zu einem bestimmten Zeitpunkt ansteckender ist. Liegt es an der höheren Viruslast oder dem längeren Zeitraum der Infektiösität, oder an ganz anderen Faktoren wie sozialen oder kulturellen Umständen […]. Auch die Saisonalität kann eine Rolle spielen. In der Gesamtheit kann so etwas zu einer bestimmten Variante führen oder eben nicht.“ Will heißen: Es geht nicht einfach nur um die Frage, ob ein Coronatest am Ende positiv oder negativ ist, es geht um das komplexe Zusammenspiel der Umstände. Alles also genau wie beim Fußball. Dort geht es ja auch nicht einfach um die Frage, wer mit wem spielt; es geht auch darum, warum Deutschland am Ende immer verliert. Für das gestrige Spiel gegen Frankreich hat unser WM-Kolumnist Holger Schmieder möglicherweise eine Antwort parat. Der hat sich nämlich #DieMannschaft nebst aller Einzelspieler und –faktoren noch einmal ganz genau vorgenommen. Sein nicht ausgesprochener Tipp: Augen zu und durch! Denn, so Schmieder: „Zum Herumprobieren ist es zu spät, sobald ein Turnier begonnen hat.“ Spätestens dann nämlich muss das Zusammenspiel der Umstände einfach sitzen. Wenn nicht – und wenn dann am Ende auch noch Pech dazukommt – dann fliegt man entweder in der Vorrunde raus oder man wird Bundesgesundheitsminister. Der nämlich, so hat es den Anschein, kann fast jeden Ball verstolpern, am Ende bleibt er dennoch bis zur letzten Minute auf dem Platz. Jüngstes Beispiel: Der vom Bundesrechnungshof vermutete Schwindel mit Freihalteprämien für Intensivbetten. Die Zahlen liegen auf dem Tisch, Spahn aber ficht das nicht an. Wo genau das Problem liegt, hat Ulrich Thiele für den Cicero recherchiert. Ich wünsche Ihnen eine unterhaltsame Lektüre! Ihr Ralf Hanselle, stellvertretender Chefredakteur |