| Guten Morgen, nach dem gestrigen Start der Kinderimpfkampagne gab’s in den Nachrichten glückliche Familien zu sehen – etwa im ICC-Impfzentrum, wo auch Dilek Kalayci an einem ihrer letzten Arbeitstage als Gesundheitssenatorin vorbeischaute. Wohltuende Bilder. Aber einer, der tief im Thema steckt und als vertrauenswürdig gelten darf, hält es nicht für Zufall, dass Kalayci im ICC war und nicht an einer der zwölf Impf-Schulen. „Ein einziges Desaster“ sei der Start dort gewesen, berichtet er. An acht von zwölf Schulen habe das zu kurzfristig eingespannte THW nicht mal die Hardware installieren können. Auch an Impfstoff habe es gefehlt, und wo es ihn gab, sei er teils aus dem Kontingent für die Arztpraxen abgeknapst worden. „Die Hilfsorganisationen kochen vor Wut“, weil sie „hin und her geschubst“ würden von Kalayci, die die Verantwortung für die Impfaktion erst am Vorabend auf ihren Staatssekretär abgewälzt habe. Detailliert prüfen ließen sich diese spätabends eingegangenen Schilderungen noch nicht, aber der Neuköllner Amtsarzt Nicolai Savaskan hält sie für glaubwürdig, wie er auf CP-Anfrage sagt. Er betont, „die gesamte Planung lag bei der Senatorin“; die eigentlich (z.B. für die hygienische Abnahme der Impfstationen) zuständigen Gesundheitsämter seien nicht involviert. Eine Ausnahme habe es in Charlottenburg-Wilmersdorf gegeben, wo die Amtsärztin die geplante Impfaktion im Nilpferdhaus – also in hygienisch problematischer, da allergieträchtiger Umgebung – unterbunden habe. Der Amtsarzt hütet sich vor Polemik und betont den symbolischen Wert der Impfaktion, aber er hat konkrete Einwände gegen den gewählten Weg: Die Schulen seien eine bequeme „Abkürzung“, die aber nicht zum wesentlich wichtigeren Ziel führe, nämlich zu jenen zehn Prozent der Erwachsenen, die keine Impfgegner seien, sondern wegen Sprachbarrieren oder ihrer sozialen Situation nicht erreicht würden. „Bei den Bildungsbürgern können Sie die Information über die klassischen Kanäle rüberbringen“, sagt Savaskan. „Aber bei diesen zehn Prozent läuft das über den persönlichen Kontakt, über aufsuchende Arbeit.“ Also über Quartiersmanagement, Stadtteilmütter und Vätercafés – etablierte Institutionen, die zurzeit ohnehin auf kleiner Flamme köcheln. Gesundheitsvorsorge auf diesem Weg böte die Chance, die Zielgruppe auch für andere Prävention wie Krebsvorsorge zu erreichen. Eine Gruppe, die die bekannten Defizite statistisch acht Lebensjahre kosten. Die Probleme bei diesen Eltern setzen sich nach Savaskans Schilderung bei den Kindern fort: Für deren Kinder bucht niemand einen nachmittäglichen Schul-Impftermin. Und überhaupt: Kinder gehörten nicht in Mensen und Mehrzweckhallen geimpft, sondern in möglichst vertraulicher Umgebung wie beim Kinderarzt. Deshalb bräuchten eher andere als die von der Senatorin Erkorenen maximale Unterstützung. Es wäre nur mühsamer als der gewählte Weg. | |